Kinderglaubeu erbarmungslos zerstören, stehen augeuverdrehcnde Tempelritter, die das tausendjährige Reich noch zu erleben hof­fen; neben sinnigen Dichtern, voll kecken Weltsinns verstockte Ze­loten und Zionswächter, neben hemdärmeligen Demagogen steif­nackige Dureaukraten, und jeder dieser Gegensätze auf's Schärfste ausgeprägt und in irgend einer typischen Persönlichkeit charak­teristisch verkörpert. So sieht man's den heutigen Wortführern des schwäbischen Liberalismus, der für seine angebliche Freiheit liebes auf dem Platze sterben, als in einem einigen Deutschland preltßisch werden" will, nicht an, daß einer der ersten und Knthigsten Vertreter der preußischen Spitze ein Schwabe, nämlich Paul Pfizer, gewesen ist, und dem unmündigen Treiben diessel- bigen Liberalismus in den großen handelspolitischen Fragen, wie z. B. bei Gelegenheit des Handelsvertrags mit Frankreich, merkt man's nicht an, daß der größte volkswirtschaftliche Denker, den Deutschland je gehabt, Friedrich List, gleichfalls ein Schwabe gewesen ist. Friedrich List verlangte vor 50 Jahren für Deutsch­land ein nationales Wirthschaftssystem als Bedingung unserer Existenz und unentbehrlichste Vorstufe unserer nationalen Zukunft, und damit dies sich gestalte, forderte er 1) einen deutschen Zoll­verein, 2) ein deutsches Eisenbahnnetz und deutsche überseeische Dampsschifsslinien, 3) eine Kriegsflotte, 4) ein allgemeines Kon­sulatwesen, 5) die Gründung deutscher Kolonien, 6) Lenkung der deutschen überseeischen Auswanderung und Erhaltung der deutschen Sprache und Oberherrschaft, und zwar dieses Alles unter preußischer Führung. Damals lachte man über ihn als einen Träumer, heute muß man ihn als genialen Propheten achten. Der deutsche Handels- und Seestaat ist im Entstehen, und der 6. Art. der norddeutschen Bundesverfassung vom 10. Juni 1866 gibt die Bahnen an, auf denen er sich vollends ver­wirklichen wird, indem er genau dieselben Forderungen stellt, die List zuerst angeregt, aber nicht als fromme Wünsche, sondern als Gesetze. (B. L.-Z.)

Weiß nicht, ob's wahr ist, aber erzählt wirds in Frank­furt als kleine Genugthuung. Als General v. Manteuffel vo­riges Jahr die 25 Millionen Gulden forderte, sagte ihm Roth­schild: Herr General, ich glaube, Sie haben im Leben keine 25 Millionen gesehen. Kommen ^ie einmal in meinen Keller, ich will sie Ihnen zeigen; aber Sie werden nicht wagen, die Hand daran zu legen.

Ofen, 14. März. Heute Vormittags leistete das ungarische Ministerium den Eid in die Hände des Kaisers. (S. V.

Florenz, 14. Mürz. Die Neuwahlen sind zu drei Vier­theilen nach dem Wunsch der Regierung ausgefallen.

Paris, 14. März. Im gesetzgebenden Körper entwickelte heute Thiers seine Interpellation über die Ereignisse in Deutsch­land und Italien. Er sagte, die Lage Enropa's und Frank­reichs insbesondere sei ernst, der allgemeine Aufschwung der Rü­stungen beweise es, aber man müsse ihr ohne Verwirrung ins Auge sehen. Diese Lage sei verursacht durch falsche Ideen, die sich in der europäischen Politik verbreitet. Ehemals habe die Politik Enropa's zur Grundlage das Gleichgewicht der Mächte gehabt, sie habe die kleinen Staaten geachtet, welche die Stöße zwischen den großen anffingen und lähmten. Diese Politik, welche die Größe Frankreichs ausmachte, sei nun ersetzt durch die neue Idee der Nationalitäten und der Massengestaltung der Völker, die denselben Ursprung und dieselbe Sprache haben. Daher rühre das Interesse, das man Polen gewidmet habe, daher die Anstren­gungen, die man zur Gründung der Einheit Italiens gemacht. Der Ehrgeiz Preußens und Rußlands, welche die Idee der Na­tionalität benützen, sei eine Bedrohung Europas. Man müsse zurückkommen auf die Politik des Gleichgewichts. Auch auf die Freiheit müsse man sich stützen und dem Land einen größeren ! Antheil an der Leitung seiner Angelegenheiten gewähren. Die ! Rede wurde aufmerksam, aber schweigend angehört.

Die spanische Regierung tritt tagtäglich strenger auf. So ^ hat sie jetzt befohlen, daß alle Diejenigen, welche falsche Berichte - in Umlauf setzen, vor das Kriegsgericht gestellt und erschossen I werden sollen. !

Tie kleinen Leiden und Freuden des Ehestandes. j

(Fortsetzung.) !

Kaum Max am nächsten Morgen gerufen, so saß !

er auch schon aDW»er Seite. Am Abend brachte ich ihn dazu, >

sich um zehn Uhr schlafen zu legen. Zuvor hatte ich ihm gesagt, daß ich am nächsten Morgen wieder ans den Markt gehen müßte, da ich meiner Marie unmöglich länger das Einkäufen allein überlassen dürfte. Max hatte nichts darauf erwidert, aber noch war mein Kaffee nicht fertig, als er mir schon gefolgt war und lachend ausrief:Diesmal sollst Du mir ohne Abschiedsknß nicht davon kommen." Vor dem Schlafengehen sagte Max:Morgen ist Sonntag, da brauche ich nicht in's Ministerium zu gehen, da läßt Du mich doch einmal ausschlasen?"

Schlafe meinetwegen bis zehn Uhr, wenn es Dir Vergnügen macht."

Aber ich möchte auch gern den Kaffee mit Dir trinken."

Nun, so verspreche ich Dir, lieber Max, auf Dich zu warten, und wenn ich darüber ohnmächtig werden sollte."

Er schloß mich voller Rührung in seine Arme.

Wer saß am Sonntag Morgen um sechs Uhr bei mir?

Mein lieber Max.

Weiß der Kukuk, wie es zugeht," rief er.Ich wache um sechs Uhr aus und kann nicht wieder einschlasen."

Und was noch wunderbarer ist, werde um zehn Uhr müde und kann nicht mehr arbeiten," setzte ich lachend hinzu.

Wüßte ich nur," sagte Max,wie Ihr Teufelsweiber es anfangt, uns zu Allem zu bringen."

Hältst Du mich für so dumm, daß ich glauben werde. Du würdest Wort halten?"

Auch nicht, wenn ich Dir mein Wort gebe?"

Du wirst es nicht halten können."

Ich kann Alles, was ich will."

Und wenn doch nicht?"

Würde ich Ohrfeigen verdienen und Dir erlauben, sie mir zu verabreichen."

Morgen bekommst Du die erste."

Und was geschieht mit Dir, wenn ich sie nicht verdient habe?"

Dann verpflichte ich mich, keinen Morgen wieder vor neun Uhr auszustehen."

Diesmal, Schatz, bist Du in die Falle gegangen. Ich hätte Dich doch für schlauer gehallen."

Am andern Morgen schlich ich mich leise wie eine Katze aus dem Zimmer. Max that, als ob er fest schliefe, stand aber plötzlich mit einem furchtbaren Hohugelüchter an meiner Seite. Ich sagte nichts, als:Wer zuletzt lacht, lacht am besten."

Nun, sie will mir am Ende noch einwenden, es sei neun Uhr," erwiderte Max und langte sich etwas Backwerk vom Frühstücksteller.

Hilft Dir Alles nichts," sagte er,Du möchtest mir den Mund mit neuen Leckerbissen stopfen. Aber das schmeckt prächtig. Hast Du jetzt einen neuen Bäcker?"

Nur eine neue Backwaare," sagte ich,die Du jeden Morgen bekommen sollst, wenn"

Nichts da!" rief er,es bleibt bei der Abrede."

So laß' mich doch nur ausreden," damit hielt ich ihn fest und schrie ihm in's Ohr:Es sind ja Maulschellen, die ich Dir gestern Abend versprochen habe."

Wie von einer Wespe gestochen, schnellte er in die Höhe. Ich mochte wohl die Erinnerung längst vergessener Genüsse aus seiner Knabenzeit wach geschrien haben. Es war ein förmlich stupides Gesicht mit dem er mich anblickte.

Freilich bleibt es bei der Abrede!" fuhr ich immer noch lachend fort.Um sechs Uhr Maulschellen aus meiner, um neun Uhr dagegen von meiner Hand."

Martha, hätte ich solche Teufeleien Dir zutrauen können, wärest Du wahrhaftig meine Frau nicht geworden," dabei drückte er mich aber an sein Herz, als wollte er mich nie wieder aus seinen Armen lassen.

Einen glücklicheren Tag glaubte ich nie erlebt zu haben. Und welche seligen Tage sind ihm gefolgt. Drei Wochen ununter­brochen hat mein Max jeden Morgen um sechs Uhr seine Maul­schellen bekommen, und nun schließe ich für heute als die glück­lichste Frau unter der Sonne, als Deine

treue Schwester Martha.

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.