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«z Tuges-Aeuig keilen.

^ * Nagold, 8. Okt. Der letzte Samstag war für unsere

Stadt ein Äugst- und Schreckenstag, indem wir von einem nicht undedeukendcn Bcandunglück beimgesucht wurden. Es brannten nämlich auf der sog. Insel 2 Wobnhänser und 3 Scheunen voll- ständig und von zwei andern Wohngebäuden der Dachstnhl ab, zwei weitere Gebäude wurden durch die Unmasse des cingespritz- len WafferS und das Feuer selbst so beschädigt, daß ein Abbruch derselben gerathcner ist, als eine Wiederherstellung auf den alten Grundmauer». DaS Feuer kam auf eine »och unerklärte Weise etwa Nachm, '/s4 Uhr in vor der Scheuer deS Rothgerbers Sch. anfgesteUkem Strohe ans und thciltc sich der Scheuer mit solcher Schnelligkeit mit, daß dieselbe schon nach wenigen Minuten in Helle» Flammen stand. Nur der angestrengtesten Thäligkeit und der Tageszeit hat man eS zu verdanken, daß das Feuer auf oben bezeichnet« Gebäude beschränkt blieb. Besonderer Dank hiebei gevnhrk unserer Damenwelt, mit und ohne Cunolinen, für reich­liche Beischaffnng des Wassers; auch die unverdrossene Aus­dauer unserer Jugendfeuerwehr verdient Erwähnung. Allgemein fragte man sich aber auch, wie eS gekommen, daß auswärtige Hülfe, selbst von den uächstgelegeiie» Orte», so lange auf sich warten ließ, und zwar mit um so größerem Recht, als durch dieselbe bei früherem Eintreffen das Feuer sicherlich auf einen engeren Raum beschränk! worden wäre.

Stuttgart, 5. Okt. (4. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) Der Antrag Horfs, statt einer einzigen Kirchen- und Schulkommissioii zwei besondere Komniissionen zu wählen, wird ohne Debatte mit 48 ge­gen 35 Stimmen zurückgcwicsen. Erath entwickelt seinen Antrag auf Kre- ,rung von weiteren 7 Millionen Gulden Papiergeld. Der Antrag Eraths wird unterstützt und es wird auf den Vorschlag res Präsidenten die Frage über die Verweisung des Antrages an eine Kommission vertagt, bis zur Verhandlung über den Bericht der Finanzkommission, betreffend die Auf­bringung der Geldmittel. Die Kammer schreitet zur Vornahme von Coinmiffionswahlen.

Stuttgart, 6. Okt. lieber die Adreffekvmmissiou der Kammer der Abgeordneten hören wir, baß sie ihre Beralhnnge» am Freitag Abend geschlossen hat. Die Konvention beantragt Zustimmung zum 'Waffenstillstands- und Friedensvertrag unter Entlastung der Regierung von ihrer Berantwortlichkeit wegen ih­res bisherige» Vorgehens ohne eingeholtc ständische Zustimmung. Ferner wird der Entwurf einer Adresse vorgelegk. Besonderer Bericht ist endlich erstattet über die eingelanfeneu Petitionen um Untersuchung der Kriegführung. Die Adresse, so wie sic ans den Beralhungen der Kommission schließlich hervorging, soll die Zu­stimmung sämmtlicher 15 Mitglieder erhalten haben.

Eßlingen. (Prozeß Stierlen. Fortsetzung.) Am Mor­gen des 24. Aug. schickte die Wittwc Stierlen, bei der seit eini­ge» Tagen Hörting a»f Besuch war, ihre Tienstmagd mit einer Menge von Aufträgen und dem Sohne Jakob fort. Die Toch­ter Sophie war bei ihren Verwandten im Oberamt Heideuheiin abwesend. So befanden sich also die Wiktwe, Hörtig und Wil­helm Stierlen allein z» Hause. DaS gräfliche Ehepaar nebenan pflegte nie vor 11 Uhr aufzustehen. Unter Anderem halte die Dieustmagd auch ein Zeugniß in die Schule des Wilhelm zu tragen, in welchem dieser, von dem bekannt war, daß er nicht gern in die Schule gehe, wegen Unwohlseins entschuldigt war. Hörtig hatte das Zeugniß der Wittwe diktirt. Als die Magd fortging, war derSalon" unverschlossen, der Schlüssel steckte, und als sic wieder um Mittag heimkam, war der Schlüssel ab­gezogen. Gegen 1 Uhr schloß die Wittwe Stierlen denSa­lon" auf und ging hinein, kaum aber halte sie das Zimmer be­treten, so fing sie an zu jammern:Um Gottes willen, mein Wilhelm, ach mein Wilhelm ist todt!" rc. Alles lief nun her­bei »nd es folgte eine Scene unbeschreibliche» Entsetzens. Wil­helm lag todt a»f dem Bette, in welchem Hörtig bei seinen Be­suchen zu schlafen pflegte ldie Mutter schlief mit den Kindern in einem der abgesonderten Zimmer). Die Ronleanx, welche die Magd bei ihrem Abgänge hinaufgezogcn, waren Herabgelaffen. Am Hals Wilhelms befand sich eine große Strangriune. Aerzte, Todtenschaner- der Polizeikommissär des Bezirks, die Hausge­nossen eilten herbei, nud aste geben übereinstimmend das Betra­gen der Angeschnldigten als höchst verdächtig an. Es wurde nämlich konstatirt, daß die Angeklagte zwar gejammert habe, daß aber diese Gcfühlsausbrücke den Eindruck des Erzwungenen, Ver­stellten gemacht habe». Sie habe lamentirt und dann wieder

getrunken. Was Hörtig betrifft, so habe er sich auf den Körper des Wilhelm hingelegt, habe ihn geküßt »nd gejammert: er könne mit unserem Herrgott raufen, der hätte einen Armen nehmen können, der Bube habe Geld genug gehabt, der hätte leben kön­nen. Namentlich die Dieustmagd Wilh. Benz macht die Angabe, daß die beiden Angeklagten, nachdem der Todte angeblich unver- mnthet gefunden worden sei, ruhig initeinandcr zu Mittag ge­gessen und namentlich getrunken haben. Später habe Hörtig die Stiefel des lobten Knaben anprobirt und jmit Lachen bemerkt, daß sic ihm gerade paffen. In den Taschen Wilhelms fanden sich 7 kr. Diese gab die Stierlen der Magd und sagte, diese wolle sie nicht, sie riechen so kurios. Ein kräftiger Widerstand des Knaben ist mit Sicherheit anzunehme». Denn sowohl die Stierlen als Hörting hatten leichte Verletzungen von Fingernä­geln und ein Knopf von der Weste deS Hörtig wurde am Bette des Wilhelm gefunden. Hörtig, der sin der Voruntersuchung lange läugnete, gab endlich die Anschläge auf das Leben seiner Frau zu und legte dann einreuevolles Bekenntniß" ab. Hie- nach habe ihn schon die Stierlen des Morgens zwischen 4 und 5 Uhr vor das Bett des Wilhelm geführt und habe ihn aufge- fordert, den Knabe» umzubringen. Er habe aber widerstanden. AlS Wilhelm nun später aufgestanden, da habe er sich beklagt, daß man ihn habe verschlafen lassen. Gegen 10 Uhr sei Wil- .Pelm im Salon vor einem Spiegel gestanden, da habe ihm seine Mutter, wie im Spaß, ein schwarzes Halstuch um den Kopf geworfen und lachend gesagt:Du stehst einem rechten Allvater gleich." Dann habe sie ihm, Hörtig, einen Wink gegeben, ihm den Halstuchzipfel in die Hand gedrückt und gesagt:Rege dich, eS ist ja auch dein Bub!" Von da an sei es ihm, wie wenn er einen Rausch gehabt hätte, der Bube sei von ihm aufs Belt ge­worfen und von beiden erdrosselt worden. Er sei lediglich ver­führt von der Stierlen und habe mit Schrecken gesehen, daß der Mord mit seinem eigenen Halstuch geschehen sei. Tie Angaben der Stierlen laute» anders. Zuerst wollte sie glaube» machen, der Wilhelm, der ein böser, trotziger Knabe gewesen, habe sich selbst entleibt; später gab sie an, Hörtig habe ihn allein ermor­det, er habe ihr einen Zipfel des Tuchs in die Hand gegeben, indem er sagte:Der ist wohl hin." Es ist aber wahrscheinlich, daß die That von beiden zugleich vollführt wurde, und daß we­der er uvch sie von der That abgestanden. Sehen wir auf die Motive der grausigen That, so finden wir deren genug. Es ist konstatirt, daß die Mutter den Knaben förmlich haßte. Sie ver­zieh ibm die Anzeige an das Schultheißcnamt Schnaitheim von der skandalösen Anwesenheit Hörtigs nicht, ebenso wenig das Klagen und Mißbilligen ihres fortgesetzten Umgangs mit Hörtig. Dieser war, da er an den Eisenbahnunternehmungen große Ver­luste hatte, gänzlich mittellos und hatte nach und »ach von der Wittwe Stierlen ihr ganzes, rasch in Baar umgesetztes Vermö­gen ekhalten und aufgebracht. Erlaubte Mittel, ihm zu Helsen, besaß die Wittwe nicht mehr. Aber Wilhelm, der Gegenstand ihres Hasses, besaß noch ein Vermögen von 8000 fl., dessen Erbe sie theilweise wurde, wenn er starb. I» Folge der Unter­suchung wegen des Mordes an Wilhelm Stierlen erhielten die früheren Gerüchte wegen Ermordung des Müllers Stierlen wie­der erhöhte Bedeutung, und das Gericht ordnete die Wiederaus- grabnng der Leiche des Müllers Stierlen und deren chemische Untersuchung an; das Ergebniß bestätigte de» vorhandenen Ver- dacht vollständig, indem im Körper des Müllers, im Mage», Darm, Leber, Milz und Nieren etwas über 2 Gran Gift (Schwe- felarsenik oder Rauschgelb) gefunden wurde. Die Stierlen gab in der Voruntersuchung an, Hörtig habe sie aufgcfordert, ihren Mann umzubringen. Sie habe es versprochen, nur um Ruhe zu bekomme». Aber H. habe sie in einem fürchterlichen Brief auf- geforderk, ihr Versprechen zu halten, und dann habe ste's ge- lhan. Was den Anschlag auf das Leben von Hörtigs Frau be­trifft, die 14 Jahre mit ihrem Manne verheirathet war, so gab H. in der Voruntersuchung an, die St. habe ihm 4mal Gift gegeben, umseine Frau umzubringen, er habe aber nicht gewollt. Indessen sei seine finanzielle Lage immer peinlicher geworden und die St. habe ihm gesagt, sie sei in der Hoffnung von ihm, und habe wieder verlangt, er solle seine Frau erdrosseln. So sei er zweimal mit der St., die eigens deßwegen von Stuttgart nach Jungingcn gereist sei, nächtlich in sein Haus in Jungingen ge­schlichen und sogar einmal an dem Bett seiner Frau gestanden.