T ii gts-Aeurg Kerlen.
Stuttgart. 2. Okt. (3. Sitzung der Abgeordnetenkammer.) Den Borsitz nihrt (an der Sülle des durch eine dringende Familienangelegenheit verhinderten Präsidenten Weber) der Vicepräsidcnt Duvernop. Ein- gclau'eii ist ein dringender Antrag von Erath u. A-, die K. Regierung um alsbaldige Einbringung eines Gesetzcscntwnrfes zu bitten, durch welchen zum Zwecke der Vermehrung der Cirkulationsmittcl weitere 7 Mill. Gulden Papiergeld von dem Staate krcirt wurden. Die Dringlichkeit des Antrages wird aber von der Kammer mit 49 gegen 30 Stimmen abgc- lehnt. Eiugclaufcn ist folgende Anfrage Helders an den Minister des Acu- Hern: 1) Ist zwischen Preußen und Württemberg, beziehungsweise den 3 anderen südwestdeutfchcn Staaten irgend eine Vereinbarung wegen gegenseitiger militärischer Hülfe im Falle eines Angriffs auf deutsches Gebiet oder eines Kriegs überhaupt getroffen worden? Bejahenden Falls, worin besteht dieselbe? 2) Ist über das künftige Bcrhältniß der Festung Ulm mit Preußen oder einem andern Staat etwas vereinbart worden und was? (Schluß folgt.)
Stuttgart, 28. Sept. In Folge des Ausbruchs der, Rinderpest in Dornbirn in Borarlberg har das Ministerium des Innern die Ein- und Durchfuhr von Rindvieh, Schafen, Schwei, neu und Ziegen, dergleichen von Rohprodukten der genannlen Thierarken verboten.
Stuttgart, 30. Sept. In der vergangenen Rocht ist die würltembergische Kriegskontributio» von 8 Millionen Gulden mittelst Extrazngs in 7 Wagen nach Berlin abgegangeu. Be- gleitet wurde der Zug von dem Obersteuerratb Renschler und dem Finanzrath Rneff.
Sulz, 27. Sept. Die so häufig mit Eisenbahnbauken verbundenen Raufereien und Strciligkeiten von Arbeiter» habe» in neuester Zeit zwei Verbrechen zur Folge gehabt: Am 25. v. M. Nachts erstach ein Italiener seinen Kameraden in Weiden und in der vorletzten Nacht wurden 2 Arbeiter auS Württemberg auch von einem Italiener bei der untern Mühle in Mühlheim so gestochen, daß einer sogleich todl niederfiel und der andere lebensgefährlich verwundet nach Fischingen getragen werden mußte. Der Thäter, dem letzteres Berbrechrn znr Last fällt, konnte bis jetzt noch nicht zur Hast gebracht werden..'
Eßlingen, 1. Oktbr. Die Schwurgerichts-Verhandlung, bctr. den Mord eines Knaben und die Vergiftung des Ehegatten, welcher die Wtttwe M. Stierlen von Schnaitheim und der Gev. meter Hörkig von Jungingen angeklagt sind, begann heute. Sie dauerte von 9—'/o2 Uhr. Der geräumige Saal war dicht gefüllt mit Zuschauern, namentlich auch von weiblichem Gescklechle. Die Angeklagte, 42 Jabre alt, welche in der Voruntersuchung bereits die Vergiftung ibres Mannes und die Erwürgung ihres eigenen Knaben zngestandei, und nun wieder Vieles zu leugnen sich bestrebt, zeigt ein unbefangenes Benehme». Sic spricht sehr klar »nd in gut gesetzter Rede. Ihre Kleidung ist einfach bürgerlich — die Haare schlicht geordnet. Das Gesicht zeigt kaum eine Spur, daß sie dieser entsetzlichen Verbrechen schuldig sein könne. Obwohl von der Seite betrachtet, einige minder ange- nedme Züge hervortrcten, so wirb dieser Eindruck sogleich verwischt, wen» man ihr in das volle Angesicht blickt, das nur ein sanftes Gepräge zeigt. Ter Angeklagte, ein Man» von etlicb 40 Jahren mit bereits ergrautem Bart macht den Eindruck, als gehöre er dem Schreiberstaude an, sein ganzes Wesen zeigt etwas Apathisches. Die beiden Angeklagten suchten wie in der Vornn- lernichung, so auch beute gegenseitig die Schuld aufeinander abzuladen. Im Verlaufe der Versammlung brachte der Vertheidi- ger des Angeklagten eine neue Beschuldigung gegen Stierlen, wonach selbige auch ihre eigene Mutter vergiftet haben solle. Beinahe wären die Verhandlungen dadurch ganz abgebrochen und das Verfahren hinausgcschoben worden, wie der Vertheidiger beantragt hatte. Die Zahl der vorgeladenen Zeugen belauft sich ans mehr denn 60 und dürfte die Verhandlung 6 Tage in Anspruch nehmen. (T. Lbr.)
Karlsruhe, 29. Sept. Wie sehr Baden grundsätzlich allem widerstrebt, was auf die Herstellung eines Südbuudes hin- deuten könnte, ist u. A. auch daraus zu ersehen, daß hauptsächlich auf seine Einwendungen hin das Projekt einer gemeinschaftlichen südstaatlichen Ausstellung in Paris fallen gelassen wurde und nunmehr der Versuch gemacht wird, die Ausstellungen des Südens mit denen des Nordens zu vereinigen.
Uebcr die „süddeutsche Politik des Abwarkens" bringt die „A. Z." einen Artikel, dem wir folgende Stelle entnehmen: „Man lasse sich also durch wohlklingende Phrasen nicht täuschen,
uirv schreite auf dem kürzesten und sichersten Weg nach dem Ziele nationaler und deutscher Einheit. Jedes Zuwarten und Tempo- rlsiren bemmt diesen Fortschritt. Der deutsche Partiknlarismus und der rastlose Grimm über das verlorene oder geschmälerte dynastische Interesse schwärmt mit allen andern Feinden der Nation für das Getingen einer Politik, welche die stete Zerrisse», heit Deutschlands als oberstes Gesetz fordert. Abwarten.' beißt jetzt die Parole der gcsaiiimtc» deutschen Reaktion wie im Jahr 1848/49; rasche Herstellung der Einbeit ist das Programm der Vertreter der Nation."
Meiningen, 27. Sept. Heute hak der Huldignugsakt der Stände stattgefunben. In seiner Thronrede betonte der Herzog Georg, daß Preußen die Führerschaft Deutschlands gebühre. Dem angetragenen Bündnisse sei er im Interesse Deutschlands freudig beigetrcten. — Die preußischen Exekuiionstruppen haben Ordre zum Abzug erhalten.
Preußen und Baicrn sind einig in dem Gefühle, daß dem Frieden nicht zu trauen sei. Bismarck bat sein Mißtrauen gegen lange Erhaltung des Friedens i» der Kammer offen ausgesprochen und seine Rede war nichts weniger als ein kleiner Pfiff, um die Kriegskasse zu füllen. Bei Baiern hat der Friede einen Pferdefuß. Von den zahlreichen Militärpserden werden jetzt nur die geradezu untauglichen verkauft »nd sogleich durch neu angekaufte ersetzt, die andern angenbl.icklich entbehrlichen werde» bei Landwirthe» eingestellt. Auf böse Gedanke» kommt man in Reußen und Preußen durch Sachsen. ' König Johann widerstrebt dem Eintritt i» den norddeutschen Bund beharrlich und bleibt trotz seiner unbehaglichen Lage mit seinem Heere in Oestreich. Stecken Einflüsterungen Oestreichs, bas ans Preußen ungeheuer erbittert ist, und Frankreichs dahinter? — Die angebliche An- rede des Kronprinzen von Sachse» an seine Truppen, sie würden mit den Franzosen re. Rache an den Preußen nehme», wird ausdrücklich als Erfindung bezeichnet.
Kassel, 29. Sept. DaS Gesetzblatt vom 20. d., betreff send die Vereinigung des Knrsürstentbums mit der preußischen Monarchie. Es herrscht allgemeiner Jubel; nur wenige finstere Gesichter lassen sich blicke».
Berlin, 29. Sept. Die „Nocdd. Allgcm. Ztg." bemerkt, unter Hinweisung auf die neuerdings veröffentlichte Note des mecklenburgischen Ministerpräsidenten vom. 18. Juni d. I.: Der Zusammentritt des Parlaments würde auch ohne Theilnabme Mecklenburgs stallfindcn; von der Zustimmung der meckleiibur- gischen Stände werde Preußen das Zustandekommen des norddeutschen Bundes nimmermehr abhängig mache»; das hieße, aus die politisch unbrauchbaren Zustände des alten Bundes znrück- kehrcn, wo die unbedeutendste Regierung jede Reform vereiteln konnte.
Berlin, 1. Okl. Man erwartet heute oder morgen die Unterzeichnung des Friedensvertrages in Wien zwischen Oestreich und Italien. (T.d.S. M.)
Der enorme Freiiidenznzug nach Berlin während des Sie- gessestes hat die Höhe von etwa 150,000 Mensche» erreicht. Die ausgenommenen Listen weisen alle Nationalitäten Europas aus, sowie etwa 200 Amerikaner.
In dem Dörfchen Neuendorf bei Potsdam hetzten Knaben einen Igel, der Igel kugelte sich zusammen und setzte allen Neckereien passiven Widerstand entgegen. Als aber die boshaften Knaben ihm brennende Streichhölzchen zwischen die Stacheln steckten, entfloh das furchtbar gequälte Thier in die nächste mit Getreide gefüllte Scheune. Im Nu stand diese in Hellen Flammen und ein paar Stunden nachher lagen 6 Wohnhäuser und viele Scheunen (der dritte Theil des Dörfchens) in Asche.
Hannover, 30. Sept. Die Hannover'sche Gesetzsammlung verkündet das Gesetz über Vereinigung Hannovers mit Preußen. Das Gesetz tritt sofort mit der Verkündigung in Kraft. Die Ausführunzsbestimmnngen bleiben Vorbehalte».
Kiel, 29. Sept. Der Oberpräsident hat verfügt, daß die bisher gesondert erschienenen Holsteiner und schleswiger Verordnungsblätter aufhören und fortan ein gemeinsames schleswig-holsteinisches Regierungsblatt erscheinen soll.
Kiel, 30. Sept. Im hiesigen Hafen ist in verwichener Nacht ei» Theil des amerikanischen Geschwaders eingetroffen.
In Preußen ist das Verbot der „Gartenlaube" aufgehoben worden.