nur der Vergrößerung Preußens theilwciie anssöhnt. Gegen das Sonntag für Sonnrag in allen Kirchen des Landes vvrge- Iragcne Cholera-Gebet ist eine Flugschrift erschienen, die nicht ohne Lin» ist. Sie sichrt den Titel:Ein Protest gegen das sowohl irrrcligiöse alö auch unorthvdore Choker a - Gebet." Der Autor ist nicht damit einverstanden, daß, wie das Gebet au- nimmt, die Cholera eine Strafe für Sünden sei. Sündhaftig­keit herrsche unter Reichen wie Armen, indessen hätte» jene von der furchtbaren Plage fast gar nichts zu leide», die man im Westend kaum kenne, während die armen Ostbezirke ihre ganze Wnth zu ertragen baden. Weiter: wenn die Cholera eine Strafe für Sünde», so hätten alle Anstrengungen der Hcilwiffcnfchaft auf keinen Erfolg zu hoffen, ja sie wären sündlich als eine Ans« lchnung gegen die göttliche Allmacht, waö man doch nicht be­haupten werde. Der Autor glaubt nicht, daß ein einziger Wür­denträger der Kirche von England die Rechtfertigung des Gebets anf sich nehme:! würde; er scheint also nicht zu wissen, oder ec will nicht wissen, daß cs von ihrem höchsten Würdenträger aus­gegangen ist.

<Vrr>f Balduin.

(Fortsetzung.)

Aldenarde hatte das Unheil kann, zur Vollstreckung abge­geben , als ihm seine Verabredung mit Hugo von Kranhoven wieder cinsiel. Der Erfolg, den er soeben bei Johanna errun­gen, steigerte nicht wenig sein Selbstgefühl, und er gedachte, den jungen Kranhoven mit stolzen Worten abznsertigen. Aber er hatte sich verrechnet. Hugo hatte kein Wort mehr für ihn, und würdigte alle seine Reden keiner Antwort. Dagegen drang er auf sofortige Entscheidung durch die Waffen. Aldenarde konnte sich endlich nicht mehr znrückziehe» ; Hugo drang im höchsten Zorne aus ihn ein, und es währte nicht lange, so brach Aldenarde lödt- lich getroffen zusammen.

Inzwischen war Johanna wie von dösen Geistern getrieben in ihren Gemächern umhergecilk. Ihre Frauen wußten nicht, was die Herrin so unstet machte, und hielten sich angstvoll von ihr entfernt. Wo die Unglückliche ging und stand, überall sab sic blutige Gespenster und ibre Seele schauderte vor der entsetz­lichen Leere ihres inneren Wesens. So lange sie thn sah, den sie so unaussprechlich lieble und in dem all' ihr Sinnen und Den­ken, ihr Wollen und Handeln versank, war sie bezaubert, ge­blendet. WaS war Sunde in ihren Augen, was schreckte sic, so bald sei» Blick, seine Stimme sie beherrschten, so bald sein Wille sie lenkte? Nun, da er von ihr gegangen, erschien ihr Alles öde, sie hätte ausschrcie» und ihm.ackeilen mögen, da­mit das grinsende Gespenst der Rene, das hohläugig sich in ihre Nähe schlich, vor seiner Gegenwart entflohen wäre. Sie ver­suchte zu beten, aber sie vermochte es nicht, denn sic halte Gott um seinetwillen vergessen. ^

So trieb es sie in den Hallen des Schlosses umher. Sic wollte Mensche» sehen, und doch floh sie, sobald einer sich nabte. Endlich begegnete ihr in einer der offenen Hallen der alle Kran­hoven, der so ebendie Nachricht von dem Tvdesnrtheile erhal­ten hatte, und herbcieiltc, um die Gnade der Gräfin zu erflehen.

,,Um Gottes Willen, Gräfin," redete er sie an, ,,waS habt Ihr beschlossen? Habt Ihr den enlsetzlieben Gedanken auch be­dacht? Ihr habt Euch berede» lassen, das Todcsnrthcil über Euren Vater zu bestätigen, hört Jhr's, das Tokesnrthcil über Euren Vater!"

Johanna war nahe daran, den Verstand zu verlieren, ober­es fiel ihr ein, daß Aldenarde ihr gesagt hatte, wenn die Par­tei des Eremiten siege, werbe er das Opfer sein. Mit erzwun­gener Nnde sagte sie daher: ,,Das Urtheil über den frechen Gauk­ler, der cs gewagt hat, meines Vaters Namen -sich anznmaßen."

Wilhelm von Kranhoven cntgegneke rasch: ,,Laßt uns jetzt darüber nickt Worte verlieren. Nehmt das Urtheil zurück; Al- denardc wird nichts von Aufschub wissen wollen; eilt, eilt, Ihr könnt nicht wünschen, daß der blutige Befehl vollstreckt werde, habt ihn nickt gegeben im vollen Bewußtsein dessen, was Ihr damit gethan."

Johanna raffte ihre» ganzen Stolz zusammen und cnkgeg- nete: ,,Bedenkt, was Ihr sagt, Baron. Es ist inein Wille, daß der Verbrecher sterbe. Eure Worte bestärken nur meinen Entschluß."

Ter alte Kranhoven ließ sich nickt znrücksckrecken. ,,Jhr seid überredet worden," sagte er,bestürmt, verlockt. Ich kenne Euch seit Eurer Kindheit, Ihr seid weiche» Herzens. Ueberlegt, daß Ihr die furchtbarste Verantwortung ans Enck ladet. Das Land ist überzeugt. Laß er Euer Vater'ist. Vergeht nickt, was daraus Furchtbares entstehen kann. Fürchtet die Racke des in ihm beleidigten Volkes, und bedenkt, daß ein Aufruhr entste­he» kann."

Je mehr Kranhoven sprach, »m so mehr kräftigte sich Jo- hanna'S Widerstand. Das ist einmal die Eigcnthnmlichkeit der weiblichen Natur, daß sie im Kampfe für die Interessen ihrer Liebe alle Nebcnrücksicklen ans die Seite setzt.

Mit dem vollen Bewußtsein ihrer fürstlichen Stellung ent- gegnete die Gräfin:Es wird Mittel geben, mich dagegen zu sichern, und das Volk in Flandern weiß, daß König Ludwig daS Urtheil gefällt, und daß seine Truppen jeder, Aufstand blu­tig ahnden werden."

So führt die blinde Leidenschaft zum Morde, und die Fol­ge» des Mordes hofft ihr durch despotische Gewalt zu unterdrü­cken," cnlgegnete Kranhoven,aber Ihr vergeht, daß ein Rich­ter in Eurer Brust wohnt, und daß diese Thal, wenn Ihr sie vollbringen lasset, Euch foltern wird bis zum letzten Augenblicke Eures Lebens."

Als Johanna auch hieraus Nichts Tröstliches z» erwidern wußte, beugte der alte Mann sein Knie, und neigte sein Haupt, das durch die Erlebnisse der letzten Zeit ergraut war.Zn Enrcir Füßeri flehe ich Enck an," sagte er,nehmt das entsetzliche Ur- tbeil zurück. Ihr stürzt Flandern anf'S Neue m Unglück und Schande, das Land, das der Himnicl gesegnet hat, wie kein an­deres, das Enck von Kokt anvertrant ist, alö ei» heiliges Pfand."

TheitnahmloS versetzle Johanna,Eure Worte erschüttern mick nickt, denn ich weiß, daß Enck mein Loos gleichgültig ist, wo sich um Eure ehrgeizigen Pläne handelt."

Kranhovcn erhob sich wieder.Habt Ihr den» kein Gefühl mehr für Eure Pflicht?" sagte er;seid Ihr nichts als ein ge­wöhnliches Weib, und nickt wert!) dcö hohe» Berufes, der Euch durch die Geburt geworden ist?"

,,O inein Gott," rief er dann plötzlich aus,während ich bier um Aufschub bettle, gesckiehr daS Entsetzliche und die grau­same That, die Flanderns Hoffnung vernichtet, wird vollbracht; aber der Fluch eines ganzen Landes fällt dann ans die Häupter Derjenigen, die sich dieses unerhörten Frevels schuldig gemacht!"

Johanna stand abgewaudk, und ihre Lippen, die so bleich geworden waren, wie ihr Gesiebt, bewegten sich zuweilen, aber eS war nickt der Name Gottes, noch der eines Heiligen, den

sie stammelte, sondern es war der Name des Mannes, um dessen-

willen sie jetzt die doppelte Folter der Rene »nd der Vorwürfe des alten Freundes ihres HanseS erduldete.

Die Halle wo sie sich mit Kranhoven befand, hatte eine

Art Gallerie, über welche man nach dem Hose gelangte, wo

die Hinrichtnng geschehen sollte. Jetzt vernahm man nahende Tritte Bewaffneter, und als Kranhoven stck liiiiwandte, erblickte er eine Wache, die soeben den unglücklichen alten Mann zum Nichtplatz geleitete.

Verzweifelnd eilte Kranhovcn anf ihn zu.Mein theurec Herr," rief er, siet vor ihm ans die Kniee, »nd küßte seine Hände;wenn denn die letzte Hoffnung Flanderns in Enck soll hlngeopferk werden, so nehmt mick mit »nd laßt mick nicht in dieser Welt voll Verralh und Selbstsucht zurück."

Der Greis blickte gerührt anf den tief ergiiffene» Mann, hob seine Hand segnend über ihn, blickte dann zum Himmel und sprach:Habt Dank für Eure treue Meinung, Gott gebe Euch und Eurem Lande Trost; mir aber verleihe er Vergebung aller meiner Sünden. Mein Wille war es nicht, als Ihr mich anS der Einsauikeik bervorzogct, dennoch trage ick demnthig, was der Himmel über mich verhängt. Möge der Allmächtige mir ver­zeihen, daß ich aus menschlicher Schwäche und irdischer Liebe schwieg, wo ich der Wahrheit hätte die Ehre geben sollen. Mein Tod sei die Buße für diese Sünde."

Mit einem herzlichen:Lebt wohl!" ging er weiter, und die Wache führte ihn »ack dem Ricktplatze.

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.