An die christlichen Gemeinden der Diöcese Nagold.
In Nro. 105 dieses Blattes steht auf der vorletzten Seite in Betreff des preußisch-östreichischen Friedensvertrags zu lesen: Nach Anrusnng der „Allerheiligsten und Unkheilbaren Dreieinigkeit" Ovic mögen sich Potentaten in theologische Streitfragen ein-
mischen'k!) und nach Benennung. Gegen dieses Einschiebsel
hat das Unterzeichnete zu erklären: Die allerheiligste und untheil- hare Dreieinigkeit ist keine theologische Streitsrage, sondern eine Tbalsache, welche der Tbaksache deS ChristeuthnmS aus dieser Erde und dem Glauben der Christen zum Grunde liegt. Die friedenschließenden Fürsten können sich zum Erweise ihrer ernsten Absichten aus »ichlS Festeres im Himmel und auf Erden berufen, als ans den kreieinigen Gott, und es liegt nur an ihnen, was so heilig versiegelt ist, auch heilig zu halten. Es steht aber niemand in der Welt zu, auch keiner Zeitungsredaktion, die heilige Dreieinigkeit dem christlichen Publikum als Nebeldild einer theologischen Streitfrage hinznstellen.
Nagold, den 9. September 1866.
König!, evang. Dekanatamt.
F r e i h o f e r.
*> Anm. der Red. Es ist wahr, daß die Dreieinigkeit als unerläßliche Glaubensnorm der römisch-katholischen, evangelischen und reformieren Christen gilt, aber Thatsacke ist es auch, daß Vieser Glaubenssatz heute noch von vielen christlichen Theologen und Sekten (Unitarier, so- cinianer) stark angefochten wird. Ob Potentaten, die aus Eroberungssucht und Herrschsucht einen allen Lehren des Christenthums hobnsprechen- dcn Krieg unter den Völkern heraufbeschworen, nach Beendigung der Blutarbeit das Recht haben, bei Abfassung des Friedensinstruments die Anrufung des Allerheiligsten des Christen hiebei in den Vordergrund zu stellen, überlassen wir dem Urtheil eines Jeden, der solche Worte hoher achtet, als eine bloße Formel.
T >l g e s - N e n i g k e i t e n.
München, 5. Sept. Bei unserem Kriegsministerinm besteht die Absicht, bei der neuen Organisation des baierischen Heerwesens das in dem letzten Feldzug so glänzend bewahrte preußische Wehrsystcm zum Muster zu nehmen. Dieses System beruht bekanntlich ans dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht, welcher allein der Gerechtigkeit entspricht. (A. Z.)
München, 7. Septbr. Der Angsb. Abe»d-Z. wirb anS München geschrieben: Daß Oestrcich bei der Feststellung der Friedenspräliminarien mit Preuße» einen Augenblick daran war, Oest- reichisckdSchlesien fahren und sich dafür durch Preußen das Land zwischen In» und Salzach auf Kosten seines Konventions-Aliir- ten znerkenncn zu lassen, wird über Berlin als bestimmt bestätigt. — Die nämliche Nachricht ist auch dem Nürnb. Korr, mikgetheilt worden. Bei der schnöden Art (bemerkt genanntes Blatt hinzu), wie die Regierung des Kaisers Franz Joseph die mit Baiern abgeschlossene Separatkonvention vom 14. Juni, welche ihr einseitige FricdenSverhandlungeu mit Preußen verwehrte, gebrochen bat, ist auch dies nicht so unwahrscheinlich, als man voraussetzen sollte. (S. Ä.)
Prinz Carl von Baiern hat noch einen Tagesbefehl an seine Truppen erlassen und damit wohl seine kriegerische Laufbahn geschlossen. Er spricht darin seine Anerkennung für die vielfache Ansbauer in Ertragung der Beschwerden und die mannigfachen Beweise von Tapferkeit und Hingebung ans. Die allgemeinen Verhältnisse hätten zwar nicht vergönnt, entscheidende Erfolge zu erringen, aber die Waffenehre des baieriscke» Heeres sei »ach allen Richtungen gewahrt und der alterprobke Ruhm haierischer Tapferkeit ne» bewährt.
Die in Hof einquartirten preußischen Soldaten erhalte» nach Anordnung der Kommandantur nunmehr bloS ein halb Pfund Fleisch, weniger Bier und keine Cigarren mehr. Die Soldaten aber verlangten nach wie vor ihre Cigarren, was zu höchst bedauerlichen Auftritten zwischen denselben und den Ouartiergebern führte. Ein Bahnhofarbeiter erhielt neben einem Hieb über den Kopf einen Stich in die Brust und einen Hieb über den Arm, der ihm abgeuommen werden mußte. Seine Frau, welche zu seiner Hilfe herbeiezjte, wurde tüchtig durchgeprügelt, eine andere dermaßen geschlagen und berumgestoßen, daß sie niederste! und den Arm brach. Zwei Bürger wurden überfallen und mit Hiebwunden übel zugcrichtet, mehrere junge Leute erhielten Verwundungen, sogar Polizeisoldaten bekamen Ohrfeigen und Rippenstöße.
Die preußische e-tadtkommaiidantur und der Stadtmagistrat er- ließen eine Bekanntmachung, worin die strenge Bestrafung der Unruhestifter in Aussicht gestellt wird.
Der Generalgouverneur von Dresden macht bekannt, daß alle öffentliche» Versammlungen zur Besprechung politischer An- gelegenheitcn für die Dauer des Kriegszustandes im Königreich Sachsen nicht gestattet werden könnten. Folgende sächsische Städte sollen preußische Besatzung erhalten: Dresden, Leipzig. Chemnitz, Glaucha», Freiberg, Annaberg, Meißen, Zwickau, Planen und Marienberg.
Kassel, 6. Sept. 12 hier anwesende knrbessische Ständemitglieder sprachen in einer Erklärung nach Berlin ans, daß die Vereinigung Knrhessens mit der preußischen Monarchie eine durch die Entwicklung der Geschichte gegebene Nothwendigkeit sei, und daß sie die Annahme des KommisstonsentwurfS dem kurhesstschen Interesse als entsprechend halten.
Wiesbaden, 2. Sept. In Folge eines Rescripts des Staatsnünisteriums sind sämmtliche Behörde» des Landes ange- wiesen, auf Kosten der betreffenden öffentlichen (Lassen die preußische Fahne anzuschaffen. Es ist damit nicht gesagt, daß die nassauische Fahne nicht mehr aufgesteckt werde» darf, sondern cs ist letzteres ausdrücklich gestattet, mit der Beschränkung jedoch, daß die nassauische Fahne ans einem öffentlichen Gebäude nicht allein, sondern, wenn man von ihr ferner noch Gebrauch machen will, nur »eben, resp. unter der preußischen Fahne wehe» darf.
Berlin, 4. Sept. Von 75 Abgeordneten, welche gestern gegen die Jndemnitätserthcilnng gestimmt haben, gehöre» 40 der Fortschrittspartei, 22 dem linken Central» und 13 der katholischen Fraktion au. Es befinden sich unter den 75 Abgeordneten 29 Vertreter der Rheinprovinz und 15 Vertreter Westphalens.
Berlin, 7. Sept. Das Schreiben Napoleons an Lavalette desavvnirt nachdrücklich die von Drouyn de Lhnys angeregte Kompensation. Der Schluß lautet: „Das wahre Interesse Frankreichs ist nicht, eine unbedeutende territoriale Vergrößerung zu erhalten, sondern Deutschland zu unterstützen, daß es sich in einer seinen und den europäischen Interessen günstigsten Weise konstituire.
Berlin, 8. Sepr. In der gestrigen Verhandlung des Ab. gevrdnctenhanses über die Annexionsvorlage erklärte der Referent Kanngießer: Preußen sei verpflichtet, den neuen Landsleuten ein freieres Vaterland zu geben, als das frühere. Kirchmann sprach für den Kommissionsantrag: Die politischen Resultate der großen Kriegserfvlge seien nicht entsprechend, Oestreich sei nicht ge- nng geschwächt, Preußen nicht genug gestärkt zur Führerschaft Deutschlands. Doch sei er überzeugt, Deutschlands Einheit sei daS Ziel der Regierungspolitik. Gneist spricht gegen die Regierungsvorlage und empfiehlt eine Personalunion mit Beibehaltung der Einzelversaffungen. Waldeck für die Aufgabe des Abgeordnetenhauses, die deutsche Einigkeit herzustellen. Der Gesetzentwurf wird hierauf angenommen mit 273 gegen 14 Stimmen (Jacoby, Groote, Kappelmann, Michaelis, sowie einige Katholiken), die Polen enthalten sich der Abstimmung. Graf Bismarck überreicht den GesetzeSentwnrf, die Annexion der Elbherzogtbümer betreffend. — Graf v. d. Goltz ist gestern Abend nach Paris abgereist. (S- M.)
Wie mehrere Volksvereine, so hat auch der Arbeiterverein zu Berlin am letzten Sonntag dem Abgeordneten Jacoby aus Königsberg eine Adresse überreicht, welche neben der Anerkennung für die jahrelang unermüdliche Thäligkeit für die verfassungsmäßige Freiheit Preußens, sowie für die geistige Entwicklung des gesammten deutschen Vaterlandes, ganz besonders ibre Freude über die von Jacoby im Abgeordnekenhause am 23. August gehaltene Rede ausdrückt. Jacoby war sehr erfreut über diese Aufmerksamkeit und richtete ermunternde Worte an die Deputation, dem Wahlspruch: Rechtsgleichheit, Freiheit, Bruderliebe treu zu bleiben. Für die Arbeiter müsse eine bessere Zukunft kommen.
Die Waschfrau a u s W e stp b a l e n. Zu den ergreifendsten Scenen im Gefolge eines Kriegs gehören wohl diejenigen, welche beim Aufsuchen und Wiedecfinden von Verwandten unter den Verwundeten und Todten eintreten. Einfach rührender kann kaum eine sein, als die, welche wir hier in D. erlebten. Hier erschien vor einigen Tagen eine ältere Frau in dürftiger, aber reinlich städtischer Kleidung. Sie trug ein mächtiges Bündel, in