scheiden scheint. Noch sind die Nachrichten nicht bestimmt und zuverlässig. Während es einerseits heißt, der Kaiser sei ernstlich krank von Vichy znrückgekehrt, behaupten andere, das vorgebliche Unwohlsein sei nur der Vorwand für die ans wichtigen politischen Gründen erfolgte Rückkehr nach St. Cloub. Gewiß ist, daß am 8. ein Miuistcrratb gehalten wurde, über dessen Inhalt am 9. beunruhigende. Gerüchte in Paris verbreitet und in die Welt hinaus tclegravhirt wurden. Das Renter'schc Bureau in London, allerdings nicht die zuverlässigste Quelle, meldet aus Paris, Frankreich habe eine Note an Preußen gerichtet, worin die großen Bcrändernugcn der politischen Organisation in Deutschland auscinandergesctzt seien, die eine Gränzbericktigung durch Gebietsabtretungen an Frankreich nothwendig machen. Ferner sei am 9. eine weitere französische Mittheilnng in Berlin gemacht worden, welche die Wiederherstellung der französischen Gränze vom Jahr I8l4 verlange ist), auch die Nachricht vom Siecle). Man wird wohl diese Nachrichten mit Vorsicht ansnehmcn müssen. Sie würden nickt weniger als einen völligen Umschwung in der kaiserlichen Politik bedeuten, denn diese hat noch' eben dieselben Friedenspräliminarien vermittelt, welche Preußen das Recht zur Neugestaltung Deutschlands geben. Nichts hat Preußen bisher gethan, was über die Linien dieses von Frankreich vermittelten Präliminarverlrags hinauSginge, und was die innere Ordnung der deutschen Verhältnisse betrifft, so ist hier, z. B. was den Umfang der Annexionen betrifft, Alles noch so sehr in der Schwebe, daß ein Einspruch nicht sehr glaubhaft erscheint. Anderseits de- stätigt allerdings die Mittheilnng Lord Stauleys im Unterhaus, daß Unterhandlungen zwischen Paris und Berlin angeknüpft sind. Sollte es sich wirklich um die Rbeinprvvinz handeln, so ist sehr glaubhaft und eigentlich selbstverständlich, daß Preußen die Zn- muthungen abgelebnk hat. Zu dem Preußen, das eben ans einem glorreich dnrchgeführten Kampfe selbstbewußt und stärker, denn zuvor, hervorgegangen ist, darf man wohl vertrauen, daß eS seiner Ehre nichts vergeben und äußerstenfalls vor einem neuen Krieg zur Behauptung-der deutschen Gränze nicht znrückschrecken wird. Aber wir hoffen, daß Preußen dieser Entschluß erspart und die begonnene Arbeit des Friedens nicht gestört wird. (S.M.)
Ter König von Belgien leidet, aber gefahrlos, an den Pocken und ist gezwungen, das Bett z» hüten.
Ten 24. Juli ging von den Alpen bis zur Adria ein Hagelwetter, wie Niemand ein so furchtbares erlebt hat. Das ganze Potbal wurde verwüstet. Keine Spur von Vegetation blieb übrig. Bäume, Häuser, wurden umgerissen, Menschen und Thiere getödtet. An vielen Punkten hat der Blitz eingeschlage»; die Hagelkörner waren so groß, daß sie die Ziegel zerbrachen; in Piave Porto Morone sind 126 Personen in ärztlicher-Behandlung wegen Verletzungen durch den Hagel, etwa 20 schweben deßhalb in Lebensgefahr.
London, 10. Aug. Die Botschaft der Königin bei Prorogation des Parlaments sagt: Die Regierung ist in freundschaftlichen Beziehungen mit den fremden Mächten. Trotz der für die ihres Besitzes entkleideten, durch Verwandtschaft mit England verbündeten Fürsten hat die Königin nicht intervenirt, denn es sind weder die Ebre noch die Interessen des Landes dabei be- theiligk. Tie Königin hofft einen glücklichen Ausgang der Unterhandlungen, die Herstellung eines dauerhaften Friedens. Die Königin wünscht sich Glück zu der Legung des transatlantischen Kabels und hofft, daß der telegraphische Verkehr die Freundschaftsbande zwischen England und den Vereinigten Staaten noch fester knüpfen werde.
Der Vicckvnig'von Egypten hat ein Dccrct erlassen, nach welchem er den Grund des Verfalls muselmännischer Bevölkerung in der Vielweiberei der Großen erblickt. Er verordnet daher, daß in Zukunft ein Vicekönig von Egypten nur mit einer Frau verheiratbck sein darf. Viele hohe Beamte habe» bereits erklärt, daß sie diesem Beispiele folgen werden.
Graf Balduin.
sFortsetznng.)
Der Eremit entgegnetc hierauf: „Hätte ich die volle Kraft meiner ManncSjahre noch, so würde ich dies Alles für eine göttliche Fügung halte» und mit Freuden dem Winke des Höchsten folgen, um diesem Lande zum Heile und zur Freiheit zu verhelfen. WaS aber vermag ein kraftloser Greis, der mehr noch unter den
Folgen von Reue und Graiü, als unter der Last der Jahre seufzt."
„Euer Name ist für uns das Palladium der Freiheit und des Glückes, entgegnetc Wilhelm von Kranhoven; „laßt Euch erweiche»; kommt, folgt uns, und vertauscht das schlickte Gewand des büßenden Einsiedlers mit einem Kleide, das Eurer Würde besser ziemt."
Mehrere Herren vereinten sich mit Wilhelm von Kranhoven und drängten den Eremiten, ihnen zu folgen. Sie hakten Alles in Bereitschaft, um denselben z„ kleiden, daß er, hervvrtretend aus dem Schlosse, dem Volke sogleich in gräflicher Pracht erscheine» würbe. Es war dem alten Manne »»möglich, länger zu widerstehen, und er ließ sich bewegen, in ein anderes Gemach zu treten, wo die Umkleidnng geschehe» konnte.
Unterdessen wünschten sich die Edelleute unter einander Glück zu diesem Ansgange, nur Arnulf von Aldenarde verbiß seinen Ingrimm. Ihm war nichts von de» Vorgängen der letzten Stunde entgangen, aber auch er mußte nach dem seltsame» Betragen der Königin Mathilde, und dem räthselhastcn Verhalten des angeblichen Grafen zweifelhaft werden, was er von der ganzen Sache denken solle. Keiner der übrigen Barone redete mit ihm, nur Hugo von Kranbove», der noch immer von der Redlichkeit von Aldenardes Absichten überzeugt war, zog sich nicht von ihm zurück.
Da der Eremit die Halle nun auf einen Augenblick verlassen hatte, trat jetzt der begeisterte und tbakendnrstigc Jüngling Hugo von Kranhoven hervor und redete die Versammlung folgendermaßen an: „Wohl uns, baß wir diesen Augenblick erleben. Freunde des Vaterlandes, Genossen, Ihr Alle, die Ihr hier versammelt seid: was ist das edelste Vorrecht, das höchste Gut jedes Einzelnen? Die Selbständigkeit, die Freiheit des Willens. Wir sind ein Volk, das um den Besitz dieser Güter, den man uns schmälern will, ringt. Wenn nun jeder Einzelne schon gerne sein Leben einsetzl für die Erhaltung seiner kostbaren Unabhängigkeit, wie viel mehr muß ein ganzes Volk darum kämpfen. Laßt uns denn znsammcnstehen um Balduin, unser» Herrn, den Mittelpunkts des flandrischen Volkes, und mit ihm vereint das Joch abschütteln, das man uns unrechtmäßig anferlegt. Wer mit mir einer Mei- unng ill, der stimme ein in den Ruf: Es lebe Balduin, unser Herr und Führer!"
Diese Worte riefen eine stürmische Begeisterung hervor. Alle Anwesenden stimmten ein in den Ruf: „Er lebe!" Tie Alten umarmten ihre Söhne und drückten den Freunden die Hand. Es war ein Gefühl allgemeiner Freude, au welcher nur ein Einziger nicht Theil nahm. Stumm und verlegen drückte sich Aldenarde in eine Ecke des Saales und biß sich vor innerem Groll die Lippen wund. Hugo bemerkte eS nickt, denn er war nmringt von den Anderen, denen seine Worte ans den, Herzen gesprochen waren.
Bald darauf trat der Eremit in reicher Kleidung wieder in die Halle. Er sah überraschend stattlich ans. Zwar bas weihe Haar und der greise Bart waren Zeichen hohen Alters, aber sein Gesicht und seine Gestalt trugen die Spur edler männlicher Schönheit. Mit einem einstimmigen Jubelruse begrüßte ihn die Versammlung, woraus er in frommer Resignation zum Himmel auf- blickke und sagte: „Ich danke Euch, edle Herren, nnd ich sehe ein, daß mei» Widerstand vergeblich ist. Gott will es, daß ich Eurem Drängen folge nnd ich füge mich seinem Beschlüsse!" Hierauf umringten die Barone den Greis und geleiteten ihn zur Vorhalle des Schlosses, von wo ans ihn das Volk erblicken konnte. Der Jubel, welchen die Menge anstimmte, war beispiellos, nnd dieser Tag wurde zu einem Festtage, wie ihn sich die ältesten Bewohner der Stabt nicht erinnerten.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— (Eine S i I b e r m j n e.) Ein Chemiker hat die Anwesenheit von Silber im Tobten Meere nachgewiesen; eine Tonne des salinischen Rückstandes enthält gegen 5 Decigrammes des kostbaren Metalls.
— Die Frage, w.ßhalb wohl ein so viel Kapital und Intelligenz erforderndes Geschäft wie die Buchdrucker« in der Regel weniger erträglich sei, als das eines Bierbrauers, wurde dahin beantwortet, daß zwar alle Menschen einen Magen, die wenigsten aber Kopf haben.
Redaktion, Druck und Berlag der G. W. Zaiserß'chen Buchhandlung.