an ist die Wiedervereinigung VeneticnS mit Italien ohne alle und jede Bedingung gesichert. Die Grenzfrage ist den Friedens»-» Handlungen Vorbehalten. Der Waffenstillstand ist auf der Grund, läge des militärischen rrti xorsliietis geschloffen. — Die gleiche Zeitung veröffentlicht ein Dekret, durch welches in den von den italienischen Truppe» besetzten Theilen von Vcnetien der Zwangs« kurs der Nationalbankscheine ciiigeführt wird.
Paris, 30. Juli. Die „Patrie" bringt wiederum nähere Nachrichten über die Friedenspräliminarien, die ihr aus Berlin zugehcn. Das Königreich Sachsen, welches der Nordkonsödera. tion angehörcn soll, wird seine volle Autonomie und höchstwah» scheinlich auch seine diplomatische (?) Vertretung im Auslände beibehalten, aber seine Armee kommt unter vreußisches Kommando. Tie beiden Mecklenburg, Oldenburg, Brannschwcig, die drei freie» Städte Hamburg, Lübeck und Bremen, Anhalt, die sächsi. scheu Herzogthümer und die andern Bundesgenossen Preußens werden gleichfalls ihre diplomatische (?) Vertretung beibehalteu, und ihre Land- und Seemacht wird unter den Befehl Preußens gestellt werden. Was die andern Staaten betrifft, welche die beiden Tbeile des preußischen Gebiets trennen, und welche die Feinde der Regierung von Berlin waren, so sagen die Friedenspräliminarien, daß Öestreich sich dem Projekt ihrer Annexion an Preußen nicht widersetzt. Diese Projekte sind im FriedenSinstru- ment, welches in Nikolsburg Unterzeichner worden ist, näher bestimmt. Tie von Öestreich zu zahlende Kriegsentschädigung beträgt 35 Millionen Thaler, davon gehen aber die 15 Millionen Tbaler ab, die den Antbeil Oestreichs in Schleswig-Holstein bilden, so daß das Wiener Kabinei außerdem nur 20 Millionen Tbaler zu zahlen hat. Alle diese Nachrichten über die Neugestaltung Deutschlands sind mit großer Vorsicht anszunehmc».
London, 30. Juli. Der TimeS-Korrespondent im prenß. Hauptquartier schreibt über den Generalstabsches v. Moltke: ,,Dieser geschickte Stratege, welcher der Hauptleiter der Bewegungen war, durch welche die drei preußischen Armeen, von verschiedenen Punkten ausgehend, in der geeigneten Stunde aus dem Schlachtfeld bei Königgrätz versammelt waren, war nie, mit AnS- nähme in jener Schlackt, in der Front der Armee erschienen. In einiger Entfernung in dein Rücken der Armee saß er ruhig vor seinem Pult und zeichnete auf der Karte die Bewegung der Truppen vor, vermittelst des Feldtelegraphen sandte er mit Blitzesschnelle die Befehle an die kommandirenden Generale, und that dies mit solcher Geschicklichkeit und Vorsicht, daß nicht eine Be- wegnng fehlschlug und jede Kombination im richtigen Moment gemacht wurde. Ein lebhaftes hellblaues Auge, eine hohe Stirne und schön geformtes Gefickt kennzeichne» ihn als geistig begabten und energische» Man», und obgleich rasch im Handeln, ist er so bedächtig im Sprechen und so vorsichtig in seinen Ausdrücken, daß er wegen dieser Eigenschaft und seiner ansgebrciteken Sprach- kenntnisse in der Armee als der Mann bekannt ist, der in siebe» Sprachen schweigt."
Graf Baldnin.
(Fortsetzung.)
Kaum batte Mathilde sich niedergelassen, als von der Straße her lautes Rufen und freudiger Tumult erschallte. Eine große Bewegung entstand auch in dem Saale, denn man vermuthcle die Ankunft des Eremiten, der von seinem Gefolge geleitet aus das Schloß zukam. Das Volk war ihm entgegen gezogen, und hatte ihn mit allen erdenklichen Zeichen der Liebe und Verehrung begrüßt. Kinder streuten Blumen unter die Hufe der Rosse und alle Straßen, durch welche der Zug kam, waren mit Fahnen und Kräniien geschmückt. Greise warfen sich weinend vor Freude neben seinem Pferde auf die Knie und begehrten seine Füße zu küssen, denn alle erkannten i» ihm den langbetrauerten Baldnin, und vertrante» fest darauf, daß er bessere Zeiten bringen werde. Vergeblich wehrte der ehrwürdige Greis dem allgemeinen Jubel. Bescheiden und ernst zog er zwischen de» reich gekleideten Baronen dahin, und blickte von Zeit zu Zeit gen Himmel, als wolle er Gott zum Zeugen rufen, daß er nicht »ach allen diesen Auszeichnungen getrachtet habe.
So langten sie am Schlöffe an, und der tausendstimmige Ruf: es lebe Graf Balduin! erschallte auf's Neue, als sie sämmt. lich von den Rossen gestiegen waren, und diese den Diener» ibcrließen. Sie begaben sich in die große Halle, wo die übrigen
Herren versammelt waren, und wo sie hofften, auch die Gräfin anzutreffen.
Unwillig wendete sich Mathilde zur Seite, als der Lärm sich nahte und die anwesenden Edclleute dem cintretenden Eremiten mit lauten Begrüßungen zueilten. In ihrem Herzen kochte es und es kostete sie Mühe, ihre Wuth znrückznhalic». Jetzt lauschte sie, denn der alle Mann sprach laut und suchte sich von den Ehren- Vezeugunge», die ihm von allen Seilen gebracht wurden, zu befreien.
,,Jch wiederhole Euch, Ihr Herren," sagte er, „was ich so oft gesagl habe: Ihr irrt, ick bin nicht der/für den Ihr mich hallet. Ich bin ein Greis, den das Maß seiner Sünden schwer beugt. Nach Macht und Hoheit strebt mein Sinn nickt, mir ge- ziemt vielmehr, die Gnade Gottes zn erflehen, darum laßt mich in die Einsamkeit znrückkchren."
Mathilde vernahm diese Worte, die der Eremit in eindringlichem Tone sprach. Sie lauschte aufmerksam, denn ihr war als sei die Stimme nicht unbekannt. Aber sie verbannte den Gedanken, der in ihr ausstieg, und sagte sehr höhnisch vor sich hin: „Nun, das ist wahrlich doch der Thorheit Uebermaß; der Mann erklärt es selbst, daß er der Graf nicht ist und dennoch — — Bei den letzten Worten war sie ansgestanden und jetzt blickte sie in des Eremiten Gefickt. — Was geschah mit ihr, da sie plötzlich so zusammenschrak. Lautlos starrte sie den Greis eine Sekunde lang an, dann stieß sie einen Schrei des Entsetzens aus, und indem sie betäubt auf ihren Stuhl zurücksank, stöhnte sie wie in Todesangst: „Wen seh ich? hinweg! hinweg! WaS will der hier?" Auch der Eremit war in furchtbarer Aufregung. „Mathilde!" rief er; — „welch unseliges Verhängniß! —
Hätte ein Blitzstrahl ein Mitglied der Versammlung erschlagen, die Bewegung unter den Anwesende» hätte nicht größer sein können. Das stolze, unbeugsame Weib saß wie geknickt ans ihrem Stuhl, halb bewußtlos zitternd und bleick, und Niemand wußte, was die Ursache ihrer Erregung war. Viele glaubten, sie habe wider ihren Willen dennoch den Grafen erkannt, aber keiner wagte die unheimliche Stille zu unterbrechen.
Nack einer kurzen Pause, in welcher die in dem Saale herrschende Ruhe gegen das heitere Leben vor dem Schlosse scharf con- lrastirle, war eS, als erwache Mathilde aus einem schweren Traume. Ohne sich zu regen, finsterte sie in einem so ängsitichen Tvnc wie man ihn sonst nie von ihr hörte: „Seid Ihr da, Boabdtl?"
Der Maure beugte sich zn ihr herab und erwiederte ebenfalls flüsternd: faßt Euch, erhabene Frau! Was ist Euch?
Mathilde schien alles um sich her vergessen zn haben. Sie ergriff Boabdil's Hand und sagte halblaut zu ihm: „Ihr wißt, wie seltsam oft die Gestirne uns die Ereignisse vorher verkündigen. Mir sagten sie in den letzten Tagen etwas Großes voraus und schrecklich gehl es in Erfüllung. Ich hatte kürzlich einen schweren Traum. Mein Gatte, König Sancho, stieg empor und hielt mir einen Spiegel vor's Gesicht. Erschreckt blickte ich hinein und sah nicht uiein's, doch ein mir wohlbekanntes Antlitz, und drüber stand das Wort Vergeltung. Als ich erwacht war, höhnte ich den Traum: Vergeltung! Psaffentrng! Tie Tobte» schweigen! — Seitdem wenn ich schlaflos lag, umdrängken oft die Gestalten Verstorbener mein Lager, das eine Antlitz sah ich nicht wieder,
und hier, soeben"-indem sie dies mit tiefem Grauen der
Seele hervorstieß, wendete sie ihr bleiches Gesicht wieder ans den Eremiten. „Da," stieß sie hervor, „seht nur, er ist's! Fort, fort mit ihm! —"
Ein dumpfes Entsetzen lagerte noch immer aus de» Anwesenden. Boabdil, der seine Gebieterin am besten kannte, suchte sie ihren Träume» zu entreißen. „Denkt Eurer Würde, Königin," sagte er; „seht, wie alle Blicke ans Euch ruhen. Der, den Ihr anstarrt, als wäre er ei» Geist, soll Balduin sein, der Herr dieses Landes."
Die letzten Worte wirkten auf die erschreckte Königin. Wie erwachend sah sie sich um und frug ganz erstaunt: „Er, Baldnin?"
Da ermannte sich der alte Kranhoven und sagte mit starker Stimme: „Ganz Flandern erkennt ihn als seinen vielgeliebten Herrn."
Mit jener seltsam ängstlichen Stimme, wie man sie sonst nie an ihr gehört hatte, fragte nun Mathilde: „Und er? Was sagt er, wer er sei?"_ (Forts, folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaifer'schen Buchhandlung.