Florenz, 10. Juni. Gelter» begann i» der Abgeordnetenkammer die Benutzung über das Gesetz, betreffend die Aufhebung der religiöse» Körperschaften. Art. 1, der die Aushebung säuiinl- licker religiösen Körperschaften ansspricht, wurde säst einstiminig augeiiomme». (T. d. S. M.)
Genua, 11. Juni. Garibaldi ist NachtS hier angekoiiinieli, um direkt nach Cvmo zu gehe».
Haag, 11. Juni. Die Cholera, welche bis jetzt nur setzr vereinzelt ausgetreten war, hat plötzlich auf eine schrcckenerregende Weise um sich gegriffen.
Paris, 9. Juni. Zu de» Nachrichten von der großen Unzufriedenheit, welche überall in der preußische» Laudwctzr bcrrscht, bemerkt Nefftzer im TempS: „wir haben cS immer gesagt: das Preußen des Herrn v. Bismark wird ganz machtlos sei». Aber diejenigen täusche» sich, die in der deutschen Frage mit keinen andern Faktoren rechnen, als mit den Strcilkrästcn Preußens, Oestreichs »nd der kleineren Staaten. Die Revolution allein ist im Stand, die von deutschem Patriotismus anfgeworse- ne» Fragen zu losen. Die preußische Armee ist nur entweder sür eine strikte Vertheidigung oder sür einen großen Kreuzzng tcS liberalen und revolutionären Enthusiasmus organisirt."
Paris. lO. Juni. Der Siöcle, der kürzlich in der Lage war, ein Gespräch seines Korrespondenten mit Herrn v. Beust milzutheilc», cnltzält heute die aussübrliche Unterredung, welche Graf Bismarck mit einem ausgezeichneten Franzosen gepflogen. Ter Franzose rückte, eine Cigarre mit dem preußischen Premier rauchend, diesem sogleich scharf zu Leibe, indem er ihm erklärte, daß man itzm keine ansrichtige Zuneigung zu einem deutschen Par- lamentc, wie zu dem Parlamentarismus überhaupt zutraue. ^.4. ln könne keure«, erwiderte Graf Bismarck, das nenne ich gleich aus den Grund der Sacke ciugebe». In Frankreich, daS weiß ick sehr wotzl, bin ich gerade so unpopulär, wie in Deutschland. Ueberall macht man mich allein sür eine Situation verantwortlich, die ick nickt geschaffen habe, sondern die sich mir, wie Alle», anfgedrängt hat. Ich bin der Süudeubock der öffentlichen Meinung, allein dies macht mir keine Beschwerde. Ich verfolge mit durchaus ruhigem Gewissen ein Ziel, das ick sür »ein Land und Deutschland nützlich balle. WaS die Mittel de- trifft, so habe ich, in Ermaugluug anderer, mich der sich mir darbictenden bcdienl. Auf die innere Lage Preußens übergebend schildert Gras BiSmarck de» deutschen, speziell preußischen Nationalcharakter. indem er sagt: ..Unsere RevolutiouSmäuucr sind nickt so fürchterlich. Ihre Feindseligkeit macht sich banptsächlick in kräftige» Ausdrücken gegen die Minister Luft, allein vor dem König Katzen sie Respekt. Ich allein hatze alles Unheil angcrickiet, und so würden sic vielleicht einseben, daß ich nur, weil ick nickt anders konnte, so gehandelt habe. Bei der gegenwärtigen Lage Preußens Deutschland und Oestreick gegenüber mußten wir vor Allem eine Armee habe». Das ist in Preußen die einzige diSciplinir- bare Macht. Ein Preuße, dem man ans der Barrikade den Arm entzweischicßen würde. schlicke sich sehr kleinlaut nach Hanse, und seine Frau wurde ihn für einen Verrückten ballen; aber in der Armee ist er ein prachtvoller Soldat und schlägt sich wie ein Löwe für die Ehre seines Landes," Gras BiSmarck gibt nun seinem Gaste einen kurzen Umriß seines Lebens und seiner politischen Entwicklung, wobei er, früher ei» Bewunderer Oestreichs, sich jetzt als dessen erklärter Gegner bekennt. Sein Streben gebe dabi», Norddentschland vom Drucke Oestreichs zu befreien, Niemand einen Thron oder Land zu rauben, wohl aber die Idee, Norddentschland in seiner logische» und natürlichen Gestaltung unter den Schirm Preußens zu bringen, unablässig weiter zu verfolgen. Um dieses Ziel zu erreiche», wird er Allem Trotz bieten, selbst der Verbannung und dem Schaffet! Ja er hat sogar zu dem Kronprinzen gesagt: „WaS liegt mir daran, ob man mich hängt, wenn nur der Henkerstrick später den Thron fest mit dem neuen Deutschland zusammenknüpft!"
Von der polnischen Grenze, 4. Juni, wird der Allg. Z. geschrieben: Es hat sich das wunderliche und unglaubliche Gerückt verbreitet, in der Gesinnung des russischen Monarchen sei in Folge des Attentates ein vollständiger Wechsel cingckreten, und wie er bisher ein Beförderer von Reformen gewesen, so sei er jetzt ultra-reaktionär geworben »nd habe sich der aitmoskowi- lische» Popenpartel in die Arme geworfen. Eine Folge davon sei ein Vertrag mit Oestreich, der besonders durch den Einfluß
der Königin von Württemberg zu Stande gebracht worden, welche daher ihre Rückreise auch nicht über Berlin, sondern über War- schau und Wien genommen habe. Allgemein fällt es auf, daß die ziemlich zahlreichen junge» Polen, welche sich beimlich „ach Lemberg begeben haben sollen, um sich dem SlarzettSki'schei, Freikorps anznschlicßen, plötzlich wieder in der Heimat eingctroffen sind, weil, wie verlautet, in jenes Freikorps mir Galizier von Geburt ausgenommen werden dürfen. Im Königreich Polen herrscht in diesem Augenblicke eine allgemeine Bestürzung, da der größte Gegner der Polen, der schon immer ans vollständige Rus« stfiziiung des Landes hingearbeitet hat, Milintin. statt des ge. mäßigten Platanow zum Minister der polnischen Angelegenheiten ernannt worden ist.
Graf Balduin.
(Fortsetzung.)
„Wilder Knabe!" cntgegnele Wilhelm, »nd in seinem Toi» und Blick zeigte sich die Lust an dem edel gearteten Sobne, „Du darfst nickt fort, jetzt nickt fort, denn cs ist deine Pflicht, zu bleiben. Höre," fuhr er flüsternd fort., „was ick Dir vertrauen will. Bald vielleicht kommt die Stunde, wo cS gilt, daß alle Edlen des Landes am Platze sind, und sich zum Kampfe rüsten. Weißt Du cs noch nickt, doch, wie solltest Du es wissen, da Du eben erst ans der Fremde beimkehrst: vernimm' cs denn von mir, daß ei» Flüstern das Land durchzieht, Balduin, Johanna's Vater, sei nicht lodt."
Wie ein Blitz durchzuckte dies Wort die jugendliche Seele Hugo'S. „Wär'S möglich?" ries er ans; „fiel Balduin nicht im. gelobten Lande?"
Wilhelm winkte ibm, sich zu mäßige». „Nur ungewisse Kunde gelangte hiehec," flüsterte er; „der Gras ward in den. Streit deS ncngcstisketen lateinischen Kaiserreichs verwickelt. Anfangs glücklich, rief ibn das griechische Volk zum Kaiser vom Constanlinopel ans. Dann erstanden ihm Gegner, und große Kämpfe fanden statt. Einige sagen: er fiel. Ändere widersprechen diesem Gerüchte. Noch lebt er im Gedächtnisse als der edelsie und tapferste Mann. Wenn er wiederkehrt, ist die Srnndc der Rettung gekommen. D'rum, mein Sohn, harre ans, schweige^ und bewabre das Geheimniß. Nutze indessen die Zeit, Dich mit den andern Barone» zu verständigen."
Hugo begriff, um was eS sich handelte. Er sah ein, daß die Edellente zniainmenbalkcn mußten, um gemeinschaftlich einen Plan anSznsühren. Er erwiderte: „So will ich zuerst bei Ar« denarde, meinem Jugendfreunde und Genosse», mein Herz anS- schütten. Scho» dabe ick ihn flüchtig begrüßt, und er hat meine Freude über das Wiedersehen gckheiit."
Während Hugo dies sagte, verfinsterte sich das Gesicht seines Vaters. „Tn sprichst von Aldenarde?" entgegnete er. „Laß Dich warnen, und vertraue ihm nickt."
Erstaunt frng Hugo: „Weßhalb?"
„Weil unser Erbfeind, König Ludwig, ihn begünstigt," versetzte Wilhelm, „und weil Aldenarde, der einst der stolzeste Baron war, »nd am blutigen Tage zu BovineS seinen Namen mit Ruhm bedeckte, der Einzige ist, den der König nach kurzer Gefangenschaft begnadigte. Du siehst, daß ich mit Grund Verbackt hege, runzle daher Deine Stirne nicht, wenn Aldenarde auch Dein Freund ist. Ich mahne zur Vorsicht. Seitdem er auö Paris znrückkedrte, ist er der Vertrante der Gräfin, ihr ein« ziger Ratbgebcr, — daö macht ihn mir noch mehr verdächtig."
Hugo zuckte die Achseln. Wie sollte ihn dies verdächtig machen?" sagte er; „wissen wir doch Alle, daß er der Gräfin wahrhaft ergeben ist."
Mit besonderem Nachdruck erwiederke Wilhelm: „Daß er sie liebt, willst Du sagen. Ober weißt Du eS nicht?"
„Ich weiß eS, und wußte cs längst." versetzte Hugo; „als ich vor sechs Jahren Flandern verließ, war Johanna daS Ideal vieler Edellente; sie war so schön, wie sanft, und der Zug stillen Leidens, der ihr Antlitz wie ein lichter Heiligenschein »mwob, gewann ihr jedes Männerherz. Nicht Aldenarde allein verehrte und liebte sie. Wir Alle weihten ihr die Erstlinge unseres Ge* fiihles." (Fortsetzung folgt.)
Redaltion, Druck und Verlag der G. W. Züiset'schen Buchhandlung.