C l e l i a.
Novelle von Friedrich Breining.
' Im Hofe eines herrschaftlichen Landgutes, welches dicht am Fuße eines hohen, waldigen Gebirgszuges lag, waren an einem schönen, heiteren Jnniabend zwei Diener mit der Herrichtnng eines Reisewagcns beschäftigt. Der Eine — ein schneeweißer, gebeugter Man», wischte eben mit pedantischer Genauigkeit jedes Staubfleckchen von den glänzenden Speichen eines Hinterrades, während der Andere, ein junger, rüstiger Knecht, einen Reisekosser auf das Hintcrbrctt befestigte. Dem alten mochte die Arbeit keine angenehme sein. Er dielt bisweilen inne, warf einen sorgenvollen Blick nach der Hausthüre und setzte dann sein Geschäft unter beständigem Kopsschütteln fort, dabei halblaut vor sich hin- sprechend. „Muß ich noch so etwas in meinen alten Tagen erleben," jagte er nach einiger Zeit zu dem Andern, „jetzt reist er wieder ab und ist erst vor vierzehn Tagen heim gekommen! Und wie er kam, da war er so ruhig und heiter, daß ich glaubte, er werde für immer da bleiben. Jetzt ist alles vorbei."
„Wenn man ein vornehmer Herr ist, der nichts zu lbun hat," sagte der Andere, da kriegt man jeden Augenblick andere Gedanken."
„Du mein Gott," seufzte der Alte, das ist gerade sein Unglück, daß er keine anderen Gedanken bekommt und das Fräulein drüben im Schloß immer noch nicht vergessen kann. Als er ankam, sagte er zu mir: „Jakob, jetzt habe ich ansgetobl und werbe nicht mehr reisen." Sic haben Recht, gnädiger Herr, sagte ich, daß Sie sich das Fräulein ans dem Sinne geschlagen haben, sie verdient eS nicht anders. Im Geheimen hatte ich aber doch Angst, daß es nicht Stand hält, wenn er sic wieder sieht — und ich hatte Recht! Gleich in den ersten Tagen Hab ichs ihm angesehen."
„Was kümmcrts Euch? Laßt ihn thun, was er will, für Euch ist gesorgt!"
„So magst du reden, der du kaum ein paar Jahre hier bist. Wenn man aber wie Unsereiner an die fünfzig Jahre in einem Hause gelebt hat, wächst einem zuletzt alles a»S Herz, als ob man für sich selber gar nicht da wäre, sondern immer nur für seinen Herrn sorgen und denken müßte. Er war immer ein so guter Junge, als er »och klein war: nur ei» wenig wild und heftig. Ich Hab ihn aus den Armen herumgetragen."
„Ich bab mirs gleich gedacht, daß etwas los ist." meinte der Andere »ach einer Pause. „Als ich gestern Abend mit meiner Pfeife auf dem Weg draußen stand, kam er ans dem Sckloß- thore drüben und ging mit untcrgeschlagenen Armen den Waldweg hinaus. Ich dachte anfangs, er wolle seinen gewöhnlichen Abendspaziergang auf den Berg hinauf machen; es wurde aber stockfinster, und als er hcimkam und ich ihm im Hose begegnete, da sah sein Gesicht aus wie eine Wetterwolke, aus der's jeden Augenblick einznschlagcn droht. Dann gab er mir heute Mittag einen Brief an das gnädige Fräulein drüben, und als ich zn- rückkam, hieß cs: mache den Wagen zurecht, morgen früh vor Tagesanbruch reise ich ab."
„Weiß der Himmel, was es da wieder zwischen ihnen gegeben hat", sagte der Alte, „da ist Eins so heftig wie das Andere und namentlich sie. Ich Hab auch mein Lebtag noch kein solches Frauenzimmer gesehen! Lebt da fortwährend wie ein Menschen- feind ans dem einsamen Schlosse und vertreibt sich die meiste Zeit damit, auf ihrem wilden Pferde im Gebirge droben herum- zureitc». Sie hat es wahrlich nicht verdient, daß wir uns so viel Kummer wegen ihr machen! Auch soll ihre Mutter, die vor ein paar Jahren starb, früher ganz die Nämliche gewesen sein."
„Aber schön ist sie", bemerkte der Andere, „und stolz auch. Ansehen kann sie Einen, als wollte sie sagen: „du bist ein Knecht, zieh die Mütze ab." Ich thatS aber noch nie."
„Ja, stolz ist sie und hart," eiferte der Alte, „nicht einmal von ihrem eigenen Later wollte sic etwas wissen."
„Lebt er noch?"
„Nein, er starb noch vor dem Later unseres gnädigen Herrn. Als unser alter Herr noch lebte, da kam jener häufig aus der Residenz zu uns herüber, worauf die beiden Herrn sich immer einschloße» und lange mit einander redeten. Der Herr ans der Residenz sah sehr finster und melancholisch aus und wollte immer seine Tochter sehen, aber sie ließ ihn nicht vor sich, wie sie denn auch Niemand ins Schloß ließ, mit Ausnahme unseres gnädigen
Herrn, der sich immer z» Pferde mit ihr hcrnmtnmmelte. So oft er sie aber bereden wollte, ihren Baker zu sehen, wies sie ihn heftig ab. Als ihre Mutter starb, ließ sie sogar das Schloß, thor verrammeln, damit ihr Later, der eilig aus der Residenz gekommen war, nicht hinein konnte, »m seine tobte Gemahlin zu sehen. Ich konnte es kaum ansehen, wie der vornehme Herr kreidebleich am Thvre lehnte und vor sich hinsah, als wollten ihm die Augen aus dem Gesichte fallen. Erst nach langem Zurede» gab sie zu. daß er eine Stunde bei der Tobten verweilen dürfe. In dem Augenblicke aber, als er ins Scbloßlhor cinkrat. ritt sie Hinte» zum Gartenkhor hinaus und kam nicht eher wieder! als bis die Stunde vorüber und er fort war. Die Tobte wurde dann im Schloßgarten beerdigt."
„Was mag sie nur gegen ihren Later gehabt haben?"
„Das kann ich nickt genau sagen," erwiderte der Alle, nur so viel weiß ich, baß ihre Eltern geschieden lebten, und zwar hatte ihre Mutter die Bedingung gestellt, daß ihr Gatte sie nie- mals wieder zu sehen verlange — er hatte dann eine andere Frau gehcirathel."
Unter der Hausthüre erschien ein hoher, schlanker, etwas bleicher Mann, der sich in der ersten Blüthe der Manncsjahre befinden mochte. Ter Alte brach sofort das Gespräch ab und beide Diener arbeiteten ruhig weiter. Als der junge Mann in ihre Nähe gekommen war, blieb er einen Augenblick stehen und sagte: „Ich werde bald znrücksein, Jakob. Ich gehe aus den Berg." Nach diesen Worten schritt er vollends über den Hof und verließ das Thor.
Er wandcrtc langsam ans dem Wege dahin, der sich eine Zeit lang dicht am Fuße des Gebirgs hinzog, bei dem unweit gelegene» Schlosse eine Biegung machte und ans der Ebene zur Stadt hinüber führte. Zur Rechten des Wanderers lagen in anmnthiger Abwechslung grüne, saftige Wiesen und üppige Kornfelder, und vor ihm ragte der moderne, elegante Bau des Schlosses empor, dessen Scheiben in der golbnen Abendsonne weitbin glühten und blitzten. Zur linken stieg bas Gebirge hinan, welches unten mit mächtigen bemoosten FelSblocken und wildem Gestrüpp, oben aber mit einem Prächtige» Eichenwald bedeckt war, ans dessen vollen dichten Wipfeln die letzten Strahlen der Sonne allmählig leise verglühten. Dabei lagen Berg und Ebene in tiefster abendlicher Ruhe, Frösche und Heimchen hielten ihr unermüdliches Konzert und zuweilen sang ei» verspäteter Vogel im nächsten Gebüsch noch einige leise, schläfrige Laute vor sich hin.
Als der junge Mann in der Nähe des Schlosses angelangt war, bog er abseits und betrat einen breiten, sandigen Fahrweg, welcher in schräger Richtung zu den waldigen Höhen des Gebirgs hinansübrlc. Doch blieb er schon nach wenigen Schritten stehen und zog die Uhr. „Ick würde ihr jetzt begegnen." sagte er halblaut vor sich hi», „und hätte doch seit gestern Ursache genug, es zu vermeiden... Ich Haffe Sic!" Ihre Augen funkelte» und der schöne Mund bebte, als sie dies sagte. Der Abend w<k tvdlenstill und der Blnmenduft drang süß und betäubend in den dämmrigen Raum. Und was halte ich ihr gethan? Nichts, als daß ich mich von dem Zauber des Augenblicks hinreißen ließ, zn ihren Füße» sank und ibr Gebot überschritt: niemals von Liebe zn ihr z» sprechen." Er sah einen Augenblick stumm vor sich nieder. „Nein," rief er dann laut und heftig: „Ich bin ei» Mann!" und schritt auf dem Waldwege vorwärts.
(Fortsetzung folgt.)
— (Militärische Zartheit.) Seit 14 Tagen haben die Miliiär-Tambours i» Wien zn ihren Hebungen, sowie die Tambour-Eleven zum Lernen eine kleine Trommel in Gestalt eines Tambonrin, und wird ans derselben bas Trommeln so leise anSgeführk, daß man cs kaum aus drei Schritte weil hört. Hiedurch entfällt für die Tambours die Nothwendigkeit, täglich eine Stunde weit aus den Kasernen zur Uebnng iin Trommeln vor die Linien Wiens zu maschiren, und was die Hauptsache ist, die benachbarten Bewohner der bisherigen Trommel-Ucbungsplätze haben sich nicht mehr zn beklage».
— Die Wiener müsse» ei» eigenthümliches Gefühl von dem habe», was ihnen Blsmack anthut: denn sie sagen: ich bin gebiSmarkt worden, statt — ich habe eine Ohrfeige bekommen.^
Redaktion, Druck und Berlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.