7. Der Schlüssel steckt wieder in der Thüre.
Das Bekenn tn iß.
ES war ein einem Abende gegen Ende Februars im Jahr 1856. Amelie halte eine von jenen lange» Opern, die bis gegen elf Uhr bauern, gehört oder sie war vielmehr dort gewesen, um dieselbe zu hören. Tiefe Stunde Halle auch wirklich schon geschlagen, als sie, nachdem sie eine Freundin, in deren Gesellschaft sie die Oper besucht, nach Hanse gebracht hatte, in ihre eigene Wohnung trat und sogleich sraglc, ob der Baron zu Hanse wäre, und ob er sonpirl Halle. Sie erhielt zur Antwort, der Baron sei schon vor nenn Uhr von dem Tiner, zu welchem er geladen gewesen war, nach Haute gekommen und sogleich z» Belle gegangen.
Amelie trank in aller Eile eine Tasse Tbee und eilte dann in ihre Zimmer, wo sic ihre Kammerjnngser unter irgend einem Voiwandc bald wegschickke und allein blieb.
Sie hatte nicht vergessen, was für ein Tag der heutige war. Der zweite Jahrestag »ach jenem Balle . . . Man Halle zwar auch späterhin Bälle gehabt, doch diese waren nicht merkwürdig.
„Endlich," sagte die junge Frau z» sich selbst, indem sie eher aus das Sopha sank alS sich darauf setzte, „endlich sind diese schreckensvollen Jahre abgelanse» und auch dieser schreckenS- volle Tag ist zu Ende, trotzdem daß ich glaube, eS wurde niemals Abend werden! . . . Allein wie wird eS morgen sein? Wird er mir etwas jagen, wird er schreiben, wird er . . .? Ach, vielleicht khnt er von Allem nichts! Habe ich wohl bei ihm eine einzige sanfte Bewegung, während dieser beiden Ewigkeiten spüren können? Haben wir nicht in einem und demselben Wagen gesessen, wenn wir ans- oder nach Hause gefahren sind, ohne das; ec etwas Anderes geäußert hat, als Kleinigkeiten, und zwar noch dazu in einem so ruhigen Tone, daß sein Inneres jetzt ein Abbild seines Aenßern zu sein scheint. — Vielleicht erfahre ich durch seine Mutter . . . O nein, das kann er nicht wollen! — Unmöglich! ja, unmöglich; Dann trotz allem liebt er mich immer noch."
Sie stand aus und nahte leise der Thüre, um, wie so oft zuvor, an dieser Schwelle ein stummes Gebet zu svrechen; aber
— „Großer Gott!" (beinahe wäre ihr dieser AnSrns laut entfahren) — der Schlüssel steckte ja in der Thüre an ihrer Seite!
— Wie brannte» ihre Wangen, wie flog ihr Herz! — Was be-
deutete diese stumme Botschaft? Ganz gewiß, daß sie, wie vor zwei Jahren, den unglückseligen Brief hineingelragen nnv ans den Tisch legen sollte. Ja, ohne Zweifel war cs so... Und ec würde schlafen, sich den Anschein geben, als schliefe er, und sie nickt sehen. (Forts, s.)
Allerlei.
— Wir lesen in der „^bo.illo meckiealv" folgendes: „Der Negimenksarzt Tives in Verdun (Frankreich) batte bemerkt, daß die Schweine mit sehr vieler Begierde Steinkohlen fressen; er ließ tcßhalb einigen Schweinen Steinkohle unter die Nahrung mischen. Tie so oft gefütterten Tbiere zeichneten sich durch ihr munteres Wesen, ihre Freßlnst und ihr schnelles Wachsihum und Fettwerden ans. Dieser öfters wiederholte Versuch brachte ihm die Uederzeuanng bei, daß für die meiste» Schweine die Steinkohle ein besseres Mitte! zur Beförderung der Verdauung und die Gesundbcit zu erhalte», ist, als das Kochsalz; daß die Steinkohle ferner vor Magen- und Eingcweidekrankheitcn, Koliken und namentlich vor solchen Krankheiten schützt, welche aus Blntar« mnlh und Verschlechterung desselben entstehen. Es kan» also daraus geschlossen werden, daß die Steinkohle von wohllhätigcm Einfluß ans die Thäiigkeil der Leber, der Milz und der Magen- drüsc ist. Dr. Tives zögerte nun nicht, an UnterleibSbeschwerden leidende Personen mit Steinkohle z» behandeln; er wählte zu diesem Zwecke den Autbracit vom PieSberg, de» man in großer Menge in der Nähe von Osnabrück findet. Er erreichte immer und sehr schnell die schönsten Resultate mit dieser Behandlnugs- weisc, die er niemals von nachlheiijge» Folgen begleitet sah. Er bemerkte sogar, daß bet mehreren Personen die Steinkohle Würmer vertrieb, in zweien Fällen sogar den Bandwurm, den man nicht in diese» Personen vermuthele. Dies veranlaßte ihn, die Steinkohle auch gegen die Eingeweidewüruiec und zwar mit günstigem Erfolge anznwenden. Man bekämpft bekanntlich schon seit Langem eine große Anzahl chronischer Hautkrankheiten mit
Steinkohlcntbeer; Dr. Dives versichert, daß in diesen Krankheiten der innere Gebrauch der Steinkohle ebenso wirksam sei. Während einer zweijährigen Anwendung deS Anthraciks in einer Menge von Unterleibsbeschwerden ist der Herr Doktor zu so be- meekenswerthen Resultaten gekommen, daß er diese Substanz bei verschiedenen Krankheiten des Unterleibes, des Magens, der Haut ic. nicht genug empfehlen kann. Tie Steinkohle selbst gibt Dr. DlveS als Pulver, in Pillen, als Körner ic."
— Stuttgart, 10. März. „G. Werner, Besitzer deS zoologischen Gartens in Stuttgart, 5 Sekunden im Löwenrachen. Von ibm selbst geschrieben." Unter dieser Uebersebrift bringt die „Bnrger-Zkg." folgenden Artikel: „Am 22. Dez. 1865 trat ich während der NachmiltagS-Fütternng meiner Thierc in die Nähe des Löwenkäfigs, welcher von Zuschauern umstellt war. Der Löwe nickte bei meinem Erscheinen mehrere Male mit gerunzelter Stirne bösartig gegen mich, welches ich als sein längst bekannter Bändiger nicht ertragen konnte; ich trat trotz der gefährlichen Stimmung des Löwe», mir Peitsche versehen, in seinen großen Käfig. Dressnrgcmäß sprang derselbe mir schon viele hnn- derl Mal, während ich mich ans eine dazu errichtete kleine Bank setzte, über meinen Nacken. Diesmal kam es anders, anstatt auch nur eine» gehorsamen Sprung zu machen, kam der Löwe ans seinem Eckplatz hervorgesprungcn. faßte mich so energisch bei dem Nacken von oben herab am rechten Schulterblatt, lüpfte mich in die Höhe bis in die Mitte des Käfigs, schüttelte mich gleich eitler Ratte bis ans de» Boden nieder. wo er mich, ohne de» ersten Biß loszulaffen, mit der rechten Vordertatze zwischen die Schultern tief einschlng, die linke Tatze setzte er ans meinen rechte» Schenkel. Der Löwe, nun seiner Beute sicher, biß mein Schulterblatt in Stücke, welches Kracken mir den Glauben machte, daß keinerlei Rettung mehr möglich sein könne, als den Versuch zu machen, meinen Kopf zwischen dem Rache» und der rechten Tatze in meiner ans dem Gesicht liegenden Stellung dnrckzudräugc», um sein rechtes, mir noch nächststehendes Auge zu erreichen, waS mir mit Lebensgefahr gelang. Ang an A»g schrie ich ihm sein bekanntes Kommandvwort (Mustapha) in das Gesicht, in dem Augenblick klinken ein paar Scheiben, welche meine Tochter Alma einschlug, die Dressurpeitsche in der Hand, schreckten dieses wütbende Thür von mir weg, welchem ick alsbald die verdienten Peitschenhiebe dafür anSbezahlte. Ich verließ nun den Käfig und fand sogleich, baß dieses wahrscheinlich mein letztes so gewagtes Znmuihcn, einen Löwen mir über den Nacken springen zu lassen, sein wird. Die unvergeßlichste Erinnerung bleibt mir die lebensrettende Bewegung durch daS Durch- zwingcn meines Kopfes zwischen dem Rachen und der rechten Vordertatzc des Löwen. Die Hauptwiinden waren durch die 4 großen Fangzäbue »nd durch den Tatzenschlag zwischen der Schulter nebst dem doppelten Schullcrbrnch."
— vr. Richard so n in London wendet den Aether auf eine neue und eigenthümliche Weise an, um irgend einen Körperteil empfindungslos zu machen. Er bespritzt nämlich de» Thcil, de» er operireu will, mit reinem Aether in der Form eines außerordentlich feinen Regens. Das betreffende Jstrument besteht in einer Röhre, welche an dem einen Ende mit außerordentlich feinen Löchern versehen mit einem kleinen Blasrohr in Verbindung ist Und in eine Flasche mit Aether gestellt wird. Sobald das Blasrohr angewendec wird, spritzt der Aether ill haarfeinen Strahle» in Entfernung von etwa l'/s Zoll aus die Fkeischtbeile. In etwa 5—50 Secunden wird der Körpertheil schneeweiß und gefühlos und nun können tiefe Einlchnilke gemacht werden, ohne daß der Patient ein Gefühl von der Thä- tigkeit des Messers hat. Nach der Operation kehrt das Gefühl rasch wieder. Dieses neue schmerzstillende Mittel soll die so oft bedenkliche Anwendung deö Chloroform bei Operationen ersetzen.
— Alexander Werl erzählt, daß er eines Tages Heinrich Herne dabei überraschte, wie er sein Testament abfaßtc. „Weißt Du, wie mein erster Wunsw lautet, den ich hier nicderschrcibed" sagte der Poet zu dem früheren Rabbiner. „Wie soll ich das wissend" „Nun ich befehle meiner Frau, sich an, Tage nach meinem Tode wieder zu vcrheiratbcn." „Aber warum denn?" „Weil ick wünsche, daß es einen Mann gebe, der jeden Tag bedauert, daß ich gestorben bin." So boshaft war er selbst gegen seine sonst so geliebte und gerühmte Mathilde.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zarscr'schen Buchhandlung.