Minuten nach der Rettung ist auch das Emdcr Dampfschiff zur Stelle gewesen. Man versetze sich in die schreckliche Lage dieser Menschen! Fünf Nächte und fast sechs Tage, ohne Schutz und Nahrung, in so kalter Jahreszeit und in solch stürmischem Wetter zuzubringen! So lauge cS ihre Kräfte uud die Beweglichkeit der Glieder gestattet haben, sind sie zur Ebbezcit auf'S Wrack hinab und zur Fluthzeit wiede« in die Maste» hinanfgesticgcn; der Hunger und die Hoffnung aus Rettung habe» sie endlich ge< trieben, sich von dem Fleisch eines ihrer Schicksalsgenossen, den der Tod befreit, zn ernähren. Als cs endlich geregnet, haben sie das Wasser aus ihre» Kleider» gesogen und in ihre» Süd­western auszufangen gesucht, um ihren Durst zu löschen; Hände und Füge sind ihnen so geschwollen gewesen, dag man die Klei­dungsstücke ausschnciden mußte. Ein Arzt aus Norden ist be­reits dort.

Im russischen Theile des nördlichen Amerika sind bei den Vorbereitungen zur großen Telegraphenlcitung Goldlager entdeckt worden, die noch reichhaltiger zu sein scheinen, als die calisornischcn.

Die Drangsale einer Frau.

Ein Lebensbild aus Schweden, von Emilie Fl vgare Carlen.

1. Was die vornehme Dame sah und hörte.

An einem Vormittage im Februar des Jahres 1854 ereig­nete sich ans einer der entlegensten Straßen von LadugardSlan- det in der Nähe des Zolles folgender Austritt. Einige Schritte von der Thür eines niedrigen und unscheinbaren Hauses stand ein prächtiggedeckter Schlitten, bespannt mit einem schonen Pserde- paar, stattlich bedeckt mit dem weißen Schljttennetze. Ter Kut­scher war abgcstiegen, um die Thür offen zu halten, denn es war kein Bedienter da, um diesen Dienst zu leisten. Als die Uhr eben zwölfe schlug der Kutscher hatte schon eine ganze Viertelstunde in den Schnee gestampft erschien in der Haus­thür, aus dem Hanse kommend, eine junge Dame, gekleidet in dem ganze» Reichkhnme eines schönen nordischen Wintercostümes, nämlich schwarzer Seide mit kostbarem Pelzwerk. Um das Ge­sicht wölbte sich ein kleiner Hut von schwarzem Sammet, geziert mit einer wiegenden Feder und einem Spitzenschleier, welcher das Gesicht zum Theil verbarg. Was von diesem zn sehen war, zeugte von einer fast allzu blaffen Farbe und von einem Angcn- paar von unbestimmtem Farbenton, der zwischen dem tiefsten Blau und dem lichtesten Schwarz schillerte. Doch der Ausdruck in Liesen Augen bildete ihre beste Schönheit: dieser war so, daß ein Fremdling, der sic eben jetzt angesehen hätte, sogleich ge­ahnt haben würde, daß sie eben von einem jener Besuche käme, an denen gewöhnlich nur daS Herz Theil nimmt.

Als sie aus die Straße beransgekommen war, fiel ihr Blick aus eine weibliche Person ans dein Volke, die vor Kälte zitternd mit einem kleine» Kinde aus dem Arme in geringer Entfernung vorwärts schritt. Die vornehme Dame blieb unbeweglich an der Schlittcnthür stehen, als die Weibsperson mit den, Kinde stehen blieb, »m aus die Anrede eines Begegnenden Antwort zn geben.

,,Ja leider, guter Herr!" sagte sie in erregtem Tone.Ich bin gewiß unglücklich ans alle Weise. Mein Mann hat sechs Wochen im kalten Fieber gelegen, und meine beiden anderen Kinder sind »och allzu klein, um nach diesem armen Wichte se­hen zu können; daher muß ich ihn mitnehmen, wenn ich in die Stadt gehe, um mit Gottes und guter Leute Hilfe ein wenig zum Mittagessen zusammen zu schaffen. Heute habe ich nicht viel Glück gehabt, und um des Kleinen willen wage ich nicht län­ger in der Kälte an den Straßenecken zu stehe».

Arme Frau!" Der wohlgesinnte Samariter, der eine Art Künstler zu sein schien, zog sein Portemonnaie hervor, und schwankend zwischen zwölf Schillingen und einem ganzen Nejchs- thal.r, sichtlich bekümmert, daß er nichts dazwischen hatte, gab er ihr endlich den Rcichsthaler und verschwand mit der glücklichen Miene cineö Mensche», der lieber nur eine einzige Portion zu Mittag ißt, als sich das Bewußksein'einer guten Handlung versagt.

Andcrsson!" sagte die junge Dame zn dem Knischer, und stieg leicht i» de» Schlitten;sichst Du diese Frau? Fahre ihr sachte nach und halte still, wenn Du ein kleines Stück Weges entfernt bist von dem Hause, in welches sie hincingeht!"

- , Der Kutscher nahm seinen Platz ein und setzte den Schlit­ten in Gang. Endlich stand sie still an dem Ende eines Ge­länders, das einen Thorweg und eine kleinere Thüre hatte. Sie

ging hinein durch die kleinere, welche offen stand, und begab sich in eines der beiden kleinen Häuser auf dem Hose. Der Schlitten hielt in einiger Entfernung, und die vornehme Dame stieg io eilfertig hinaus, daß sie noch den letzten Zipfel des Klei­des der Fra» in der Thür über einer kurzen steilen Treppe ver­schwinden sah.

Ohne sich zu besinnen, ging die Besitzerin deS Schlitten eben diesen Weg, und schon lag ihre feine behandschuhte Hand ans der Klinke der Thür, als sie von einer wahrscheinlich be­kannten Stimme zurückgehalten wurde, welche iu rohem Tone ries:Hier Madam Thnngren. werfe ich den Jungen ins Belt nun mag ihn wer da will zum Betteln leihen! Ich habe keinen guten Markt gemacht, aber ich will dennoch die zwei Stun­den bezahlen, wie wir verabredet haben . . . hier sind achtzehn Schillinge!"

Du Scklampe, Du!" antwortete eine noch schärfere weib­liche Stimme.Hast ja den Junge» drilkhalb, ja beinah drei Stunden gehabt! Wenigstens sollst Du mir noch vier und einen halben Schilling bezahlen."

Nein, das Ihn' ich bestimmt nicht, denn da hätte ich ja nichts für die ganze Geschichte. Und dann so habe ich ihm ein Mandelbrvd gekauft! Laß ihn bis morgen sich wieder erho­len, so nchm' ich ihn wieder."

Bemühe Dich nicht er ist schon vermielhet."

Oho, Madame Luudgren! Ich weiß, wo das Mädchen dient, von der Tu das Kind hast. Cie soll wahrhaftig erfah­ren, wie das Kind hier behandelt wird!"

Pfui, Lotia! Schäme Dich vor so gemeiner Rede! Das arme Mädchen kann nur sieben Thaler im Monate geben, und damit käme ich nicht aus, wenn ich nicht mit beitrage» könnte!"

Mit frechem Lachen antwortete Lotta:Ich meine, der Junge selbst muß beitragen! . . . Nun, bekomme ich ihn morgen?"

Nein übermorgen . . ."

Tie Dame, welche das Gespräch Wort für Wort gehört hatte, war eine Minute lang unentschlossen. Darauf zog sie sich zurück, indem sie zn sich selbst sagte:Wie abscheulich!. . . doch sie wohnt hier nicht ich will sie hier im Schlitten erwarten." Sie trat wieder hinaus ans die Straße. In dem Angenhlicke, da sie mit dein Schleier vor dem Gesiebte wieder ans den Fuß. tritt stieg, stieß sie einen leichten Nnf ans, in welchem sich so viele Lestandlheile vereinigten, daß man nicht sagen konnte, ob Freude, Erstaunen oder Schrecken am vorherrschendsten war.

Ei» junger Mann saß in dem verdeckien Schlitten, streckte ihr lächelnd die Hand entgegen, und rief mit der leicht erkenn­baren Liimme LeS Herr» kurz:Die kleine Promenade um den Thiergarten!"

2. Zwischen Mann und Frau.

Welche Ueberraschnng, mein Lieber! Ich glaubte . . ." Die junge Dame sah sich um durch bas Fenster, vermnlhlich nach der Weibsperson, die sie Halle erwarten wollen.

Aber was ists denn, liede Amalie? Haben Dich vielleicht schöne Lumpen bezaubert? Wende Dich her zn mir, damit ich sehe, ob Du nicht voller Conspirativuen steckst!"

Sie wendete sich um. und als nun der Flor von derselben gefällige» Hand, der ihr neulich heim Einsteigen behülflich gewe­sen war, anfgeboben wurde, konnte man sie bei dem klaren Son­nenschein, der durch die Scheiben hineinlenchtete, ganz ohne Hin­dernis; betrachten. Das Gesicht besaß keine Schönheit in Rosen »nd Lilien: es war vielmehr eine tropische, blaßgelbe Schönheit, und die wunderbar schönen sebwarzblancn Angen mit ihren schwar­ze» gewölbten Bogen und ihrer verschleierten Glukh besaßen über dieser einen Ausdruck von so hinreißender Sanskmuth, daß es verzeihlich gewesen wäre, wenn ein Dichter eder Liebhaber diesen Ausdruckgöttlich" genannt hätte. lForts. f.)

2*«. Daß sie die Perle wägt, Vas macht die Muschel krank;

Dem Himmel sag' für Schmerz, der Dich vcrevelt. Dank. (Nückert.) Jeder dumme Teufel ist zugleich ein Besessener, von der Idee nämlich, er sei kein Dummer. (Benzel-S ternau.)

Menschcnantlitz ist ein offen Buch,

Irre Micn' darin ein Schriftcnzng.

Der verdiente wahrtich großen Lohn,

Der hier schrieb ein gültig Lexikon.

E. M- Arndt.

Redaktion, Druck und Vortag der G. W. Zaiscr''chon Buchhandlung.