ganze Reihe von Revolutionen auf Befehl der Negierung, denen sich Adel nnd Geistlichkeit gehorsam unterworfen haben. In Petersburg war einige Wochen lang fast alles Silber verschwun­den »nd nur Papicrrubel sichtbar. In den Ostseeprovinze» herrscht vielfache Roth, welche durch die erhöhten Abgaben nock gesteigert wird. Biele Gutsbesitzer überlassen ihre Güter dem Staat, weil sic, den Steuer- und Nothverhältnissen gegenüber, doch in kurzer Zeit würden aufge»irthschaftet haben. Der gleiche Fall findet in Lttthauen statt. In Prenßisch-Pvlen und im Kö­nigsberger Rcgicrungskreise stehen bei 70 größere Landgüter aus dem Gantverzeichniß. Es fanden dort viele Güterankäufe aus Credit statt. Ein paar Jahre ging das so ziemlich. Hillein die letzten zwei Nolhjahre haben diese Mauchctteubanern völlig zn Grunde gerichtet. Ter Luxus i» sämmtlichen Ostsceländern ist bei alledem im stetigen Wachsen begriffen. Es ist, als ob die Leute den letzten Tropfen des glänzenden Scheins und Schwin­dels bis auf die Hefe genießen wollten. An Fortschritt in In­dustrie und Handel ist dabei nicht zn denken. Es ist vielmehr ein höchst unsolider Leichtsinn, verbunden mit einem großen Mangel an Vertrauen auf die Beständigkeit der gegenwärtigen politischen Verhältnisse.

Buenos Apres, 26. Tez. Die hier erscheinende deutsche Zeitung schreibt: Eine Glntbhitzc, wie wir nnd die ältesten Leute am La Plata sie nicht erlebt, ist mit dem Ausgang des Früh­lings und dem Beginn des Sommers über uns gekommen. Seit Monaten hat eS nicht ordentlich geregnet, das Feld ist verbrannt und dürr, die Bäche ausgelrocknet, kein Tropfen Wasser zn sehen, und selbst die so üppigen Ricsendisteln stehen vertrocknet da. Wir hatten in der letzten Zeit täglich 90 bis 98 Grab Fahren­heit; ans den Straßen ist es in der Mittagszeit kaum auszuhalten und in den Häusern ist es möglichst noch wärmer. Das ist un­ser Wcihnachtssest; denn am Wejhnachtstage schreiben mir diese Zeilen. Drüben in der Heimat sammelt fick Astes um den war­me» Ofen, fürchtet sich beinahe, die Nase zum Fenster hinaus zn stecken. Wir aber möchten uns gern für einige Stunden in Schnee nnd Eis vergraben, um ein wenig Kühlung in dieser versengenden Gluth rn finden. Es ist Weihnachten, aber die alte herzliche Feier des schönen Festes kennt man hier nicht: nur ein alter Gebrauch ist am Weihnachtsabend, daß Jungen nnd Pöbel Skandal an den HanSthürcn machen, was die Polizei jährlich verbietet. In deutschen nnd theilweise den engli­schen Häusern allein läßt man nicht von der schönen ehrwürdi­gen Sitte der Weihnachtsfeier ab; man zündet auch hier vielfach den Wcibuachlsbanm an nnd eine fröhliche Kinderschaac tummelt sich um denselben herum.

Zum Heirathen gehören Zwei.

(Fortsetzung.)

Während Julius lachend in die Worte ansbrach:Na! das fehlte noch," sagte auch die Pfarrerin beistimmend:Ja Ju­lius, da hat er Recht, der Herr Förster. Du keuust halt uns're Burschen nicht."

,,Na! Ich danke recht sehr, Marie! Deine Namens­schwester ist ein nettes Mädel, aber wenn ich sie auch niemals wieder sehe werde ich wohl ertragen! Schatz! Die und Schatz! Das fehlte noch!"

Da jetzt das Pfarrhaus erreicht war, schüttelte Julius die Hand des wackeren Forstmannes und Marie flüsterte demselben noch den herzlichsten Dank für seine Freundlichkclt und rechtzeitige Warnung zu.

Beim etwas späten Frühstück am nächsten Morgen gab Ju­lius zum Ergötzen des Bruders eine launige Schilderung seiner gestrigen Erlebnisse, nnd wiederholte einen Theil seiner Unter­haltungen mit dem Mareile und ihre oft drolligen Antworten.

Da trat Judikha, das Dienstmädchen ein, und meldete den Dobelmattenbaucr.Das ist MareiliS Vater," lachte die Pfarrcrin, nnd setzte neckend hinzu:wenn Du etwa nmS Ma- rcile werben willst, kannst Du gleich Dein Wort anbringen, Julius."

Ach nein! ich danke sehr!"

Der Dobelmattenbaner ist aber grausam reich! uud's Ma> reile ist sein einziges Kind!" svottete Marie.

Und wenn sie bis an den Hals im Golde saß', müßte ich Lock danken!" tagte Julius, während der Bruder über de» Flur dcS Hauses in seine Studicrstube ging.

Beim Eintritt in dieselbe trat ihm der reiche Bauer mit dem Zurufe:Grüß Gott! Herr Pfar!" entgegen, den sich der Pfarrer mit:Grüß Goit! Herr Nachbar, Schön willkommen und was bringt Ihr?" zn erwidern beeilte, indem er dem Be­sucher Hut »nd Stock abnahm, nnd ihn zum Litzen nokhigio.

Ein Blick auf den SonntagSanzng des Alten belehrte den Pfarrer, daß jener nicht bloß zu einem fcenndnackbarlichen Be­suche gekommen sei, sondern irgend ein wichtiges Anliegen abzu­machen habe.

Nach der üblichen Silke rückte der Besucher jedoch nicht gleich damit heraus, obwohl der Pfarrer seine Frage wiederholte.

Nun, Nachbar Christian, was verschafft mir denn das Vergnügen?"

Ohne die geringste Beachtung dieser Frage, begann der Dobelmatkencbriste mii ruhigem Behagen vom Wetter zn reden, von den Holz- und Kornpreisen, vom Stande der jungen Saa­ten »nd der zu erhoffenden Ernte n. s. w. Endlich fand der Pfarrer Gelegenheit, eine Frage nach des Besuchers Frau und Tochter einznschiebe», und wie Ihnen das gestrige Fest bekommen sei.

Drum Hab' ich halt fragen woll'n, is 's Lina und der Julius verlobt?"

DaS Lina war nämlich eine nnvorheirathete Schwester der Pfarrerin, die ab nnd zn ans längere Zeit zum Besuch kam.

Ei!" cntgegnetc der Pfarrer verwundert,wie kommt Ihr, Nachbar Christian, zu der Frage? Uebrigens ist die Lina allerdings verlobt, aber nicht mit dem Julius, sondern drunten mit einem Fabrikanten."

So, so!" murmelte der Dobelmattcnchriste das Haupt wie­gend und die Finger au die Nase legend dann sagte er mit schlauem Aufblicke:Drum Hab' ich halt g'meint ich und mein Weib, wir wollten ihm das Marei gebe."

Ja, Nachbar!" antwortete der Pfarrer auf's Acnßcrste überrascht und verwundert, indem er mühsam ein Lächeln unter­drückte.Ja, der Julius ist nur »och sehr jung und ich

weiß nicht, ob er daran denken mag, sich schon fürs ganze Le­

ben zu binden."

Unbeirrt fuhr der Christo aber fort:Drum iS es hall so Brauch bei uns, wenn sv'n junger Bursch so'n Maidli will zum Narre habe, daß man"

Aber lieber Nachbar!" unterbrach ihn der Pfarrer,Ihr wißt ja selbst, wenn so ein Bürschle jung und lustig ist, und ein Maidli gefällt ihm mal, da schwätzt er halt mit ihr und

tanzt auch ein paar mal aber es fällt ihm nicht ein, auS

Heirathen zn denken, vollends wenn er noch gar so jung ist."

I schätz halt just!" ließ sich der Alte wieder vernehmen, wenn so'ne Bnb von der Schule kommt, so soll er halt froh sein, wenn er an noch e ordentlich Maidli haben könnt drum Hab ich g'dacht ick »nd mein Weib, wir wollten ihm das Marei gebe!"

Mein lieber Nachbar!" sagte nun begütigend der Pfarrer.

Ich weiß Eure Güte zn schätzen, und erkenne, was bas für '»e Auszeichnung für meinen Bruder wäre, in so eine reiche nnd angesehene Familie zn kommen aber denkt nur, er ist doch gar zn jung nnd das kann ja noch viele, viele Jahre dauern, bis er im Stande ist, sich einen eigenen Herb zn grün­den. Er hat noch nicht einmal sein Examen gemacht, dann muß er LikariuS werden und nachher etliche Jahre Pfarrverweser

das kann noch lange dauern."

Ja, Her Pfar, wir wollten halt gern noch 6 oder 9 Jahr warten! wenn wir halt nur denken können, in so'ne Familie zu kommen!"

Aber, lieber Christian," wiederholte der Pfarrer etwas un­geduldig,es kann noch lange dauern über 10 oder l2 Jahre."

Macht nichts! Her Pfar," versicherte hartnäckig der Alte anfstehend,'S Marei ist jung nnd wartet gern noch 1012 Jahre."

Nun, lieber Nachbar!" schloß der Pfarrer das Gespräch, sich auch erhebend.Ich danke Euch im Namen meines Bruders für die Ehre nnd den guten Willen aber ich meine, die Aus­führung Eures Vorschlages hat doch zn viel Hindernisse nnd da mich ich erst mit dem Julius selber reden und seine Ansicht hören."

(Fortsetzung folgt.) __

Redattion, Druck unv Vertag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.