T »l g e s - U e n i g k e i t e n. !
Stuttgart. (8S. Sitzung. Schluß.) Bezüglich der Verfügung ^ des Finanzmimstcriinns vom 5. ptovembcr 1862, vie TrauspvrtorLuung j für den Güterverkehr auf den würtlcmbergtschen Eisenbahnen betreffend, ! beantragt bic Mehrheit der Commission, dieselbe nicht zu beanstanden und " einfach zur Tagesordnung überzugehen. Die Minderheit (Duvernop, Höl- ! der, Probst) stellt beim Anfang der Debatte, während deren sich schwere i Klagen über die bestehende Lranspvrtordnung erheben, zwar ebenfalls den ! Antrag auf Uebcrgang zur Tagesordnung, aber unicr ausdrücklicher Be- j zugnahine auf die gestern von der Kammer beschlossene Verwahrung der ständischen Zustimmung. Minister Frhr. v. Varnbüler erklärt, daß demnächst eine Revision der Transportordnung vorgenommen werde, was den Abg. Fetzer veranlaßt, ihn zu fragen, ob hiebei auf den gestrigen Beschluß der Kammer Rücksicht genommen werde. Der Minister entgegnet, daß die Regierung dielen Beschluß prüfen werde, die Entscheidung könne er natürlich nicht Vorhersagen. Schließlich wird die von der Minorität beantragte modificirte Tagesordnung mit 4L gegen 32 Stimmen angenommen. Die Tagesordnung geht nun auf die Berathuug des Berichts der Ablösungskommission über den Gesetzesentwurf, betreffend die Ablösung xrivatrechtlicher Leistungen für öffentliche Zwecke, gewöhnlich Komplcrta- stengcsctz genannt, über. Art. 1 bezeichnet die Art der Leistungen, auf welche das Gesetz Anwendung findet und bezeichnet die Ausnahmen, welche nicht unter das Gesetz fallen. Die Commission beantragt, unter die letzteren auch die Leistungen für öffentliche Zwecke zu zähUu, welche >:i dem " Realgewerbeverband ihren Grund haben. Die Mindcrhei rer Commission, welche hicmit und im Allgemeinen mit dem Art. überhaupt einverstanden ist, stellt den Antrag, statt „privatrechtliche Leistungen" zu setzen: „Leistungen, welche nicht in den heutigen staatsrechtlichen Verhältnisse» begründet sind", was auch die Kammer mit großer Mehrheit annimmi. Austerrem beantragt die Commission, die Regierung um Einbringung eines Gesetzes- entwurfs behufs der Abfindung der aus dem Gcineinrcrathsverband hcr- vorgegangcntn bleibenden Leistungen für öffentliche Zwecke zu ersuchen. Die Kammer stimmt mit L2 gegen 27 Stimmen bei, womit die Satzung schließt.
Bibcrach. (.Schwurgericht. Schluß der Anklagefache gegen Lan- zcnberger.) Der Bursche ergriff die "Flucht, wurde aber von Denzlcr mit Hilfe einiger andern Bauern, welche in der Nähe waren, cingcfangen; derselbe stellte nun zwar den Bauern vor: ,cr müsse in den Wald, er bleibe immer im Freien über Nacht, er reise aus Gesundheitsrückfichte»," allein seine Worte fanden kein Gehör, er wurde vielmehr einem Landjäger, welcher zufällig vorüberkam, übergebe» und von diesem dem Oberamtsgericht Tettnang. Der eingefangenc Bursche war der Aug. Alois Lanzenberger. Die gegen ihn eingclcitete Untersuchung ergab dringende Berdachtsgründc dafür, daß er der Mörder des Stanouskommandante» Sohler wäre. Der Ang. läugnctc Anfangs längere Zeit durchaus; als idm aber einmal vom Unrcrsuchungsrichicr die vorliegenden Verdachtsgründe eindringlich vorgehalteu wurden, erwiderte er: „Er sei unschuldig, es sei aber gleichgiltig, was er angcbe, man glaube ihm roch nicht, bei ihm gehe es halt um den Kopf." Allein schließlich legte er wenigstens theil- weise ein Bckcnntniß seiner Verbrechen ab. Bezüglich der Verwundung des Stationskommandanten lauteten die Angaben des Ang., welche derselbe in der gerichtlichen Voruntersuchung machte, wörtlich folgendermaßen: „Am Montag (18. Juli) saß ich Abends gerade in diesem Verstecke rm Büchelhölzle bei den gestohlenen Sachen und habe Butter und Schnaps genossen, da sah ich wilde Tauben vorbcifliegen; ich habe nun einen Lauf meines Doppelgewehrs, dessen beide Läufe geladen waren, nach den Tauben abgeschlossen, und wollte dann den losgcschoffcnen Lauf wieder laden, auf einmal sah ich einen Landjäger 8 —10 Schritte entfernt, außen vor dem Gebüsch stehen; er rief: Was machen Sic dad Weil nun alle meine Sachen, Pulver L>chrot, Rcisesack rc. herumlagcn, habe ich gedacht: wenn man das findet, wird cs ausgeschrieben und cs kommt dann alles heraus, und da habe ich halt in der Augst und tu der Verzweiflung, ohne zu zielen, zum Gebüsch hingeschoffen, ich habe den Landjäger nicht treffen ! wollen, ich dachte, er werde durch den Schuß abgeschreckt, näher »achzusuchcn z und vorerst fortgehen, und ich könne dann unterdessen mich und meine Sachen flüchten. Gleich nach dem Sckuß bin ich fortgespruugen, er hat mir uachgcschoffen, aber ohne mich zu treffen. Ob Sohler getroffen worden war, wußte ich nicht, ich wollte ihn nicht treffen, so kaltblütig kann ich nicht sei», ich. bin weichherzig, zum Stehlen habe ich einen Hang, das ist wahr, aber Rauben und Morden ist nicht meine Sache." Der Ang. erzählt dann vor Gericht weiter: „Nach der That habe er sich in den Wald Oberaspach begeben, dort seine Kleider, namentlich seinen Tirolerhut, welchen er seither getragen, abgelegt und sei dann in andern Kleidern in die Gegend, wo er die That verübt, zurückgekehrt, um sein Gewehr, welches er aus der Flucht im Wald versteckt habe, zu suchen, er sei aber sodann von den Bauern cingefangen worden." Auf diesen Angaben bc- harrte der Ang. in der Voruntersuchung wie beim Hauptversahren. Während seiner Haft machte er mehrere Versuche, aus dem Gefängnisse zu entkommen. Am 6. August entdeckte der Gcrichtsdiener, daß der Ang. mit einem aus seiner Pritsche gezogenen eisernen Kloben die Fußkctte fast ^ ganz durchfcilt hatte. Er wurde mit einer stärkeren Kette gefesselt und ^ Nachts zu wiederholten Malen visitirt; allein schon am 27. August fand § man, daß er mit einem ans dem Fußboden gezogenen Nagel seine Kette ' wieder beinahe dnrchseilt hatte. Am 30. Sept. fand man, daß Lanzcn- berger ein Loch tn die Thüre gebohrt hatte. In ein anderes Arrcfilokal gebracht, machte er ähnliche Versuche/ Am 4. Dez., als ihm der Gerichtsdiener Abends das Essen brachte, saß er anscheinend gefesselt auf seiner Pritsche und bat den Gerichtsdiener, nach dem Fenster des Gefängnisses zu sehen, da dieses nicht schließe. Der Gcrichtsdiener ließ sich bereden, da sprang Lanzcnberger plötzlich, auf, warf der Magd des Genchtsdicners, welche unter der Gesängnißthüre stund, ein Hemd über den Kopf, sprang
aus dem Arrest hinaus und eilte die Treppe hinab. Nur durch die Besonnenheit der Tochter des GerichtSdicuers, welche das Geschrei der Magd Höne und schnell die unten an der Treppe angebrachte Thüre Verriegelte, wurde diese Flucht verhindert und Lanzenbergcr wieder ins Gesän'Mß zurückgcbracht. „Jetzt ist cs vorbei, jetzt ist mir auch mein letzter Versuch mißlungen." Schon am Tage darauf aber zerriß er auch die ihm angelegte neue Kette und bot sie dem Gcrichtsdiener mit den Worten zum Schieber tcr Gesängnißthüre hinaus: „Hier habe er auch ein Christpräsent!" Nach den: Schluß der Beweisaufnahme fanden am 5. Jan. die Parthei« vonrägc statt. Der Staatsanwalt hielt die Anklage wegen Mords und gewerbsmäßigen Stehlens aufrecht. Der Berthcidiger, Rechtskonsulent Dopfer von RicdUngcn, machte geltend, daß der Ang. bei der Verwundung des L-tationskommandanten Sohler nicht mit Vorbedacht gehandelt une ebenso wenig die Absicht zu tövien gehabt habe, daß ihm vielmehr nur vorsätzliche, aber im Affekt verübte Körperverletzung und dadurch fahrlässig verschuldete Tödtung zur Last falle. Am 6. Jan. wurde der Ang. einer im Affekt beschlossenen und ausgeführten Tödtung, somit eines Todtschlags für schuldig erklärt und, wie schon gemeldet, zu 20 Jahre» Zuchthaus vcrurtheilr.
Bon Strauß wird ein neues Buch erscheinen: „Der Christus des Glaubens und der CbristnS der Geschichte."
Der Magistrat zu Nürnberg hat beschlossen, zum Wiederaufbau des abgebrannten Lhurmes der Lo reu z erkir che 25,000 fl. aus städtischen Mitteln beizusteuern. Mau schlägt die Kosten beiläufig auf 50,000 fl. an. Au freiwilligen Beisteuern, wozu aufgesorbert ist, wird es in Nürnberg nicht fehlen.
Dem Domcapikel in Cölu wills mit der Wahleines Erzbischofs nicht glücken. Bon fünf ausgestellten Kandidaten war keiner der tönigllchen Commission genehm. Man spricht davon, der Bischof in Culm, v. d. Marwitz, werde wohl gewählt werden. Der Bischof war in diesen Tagen in Berlin und stellte sich dem König vor.
In Preußen will die Abgeordnetenkammer von einer Adresse absieben, aber eine Deklaration der Rechte des Landes erlassen. Es wird also ein »euer parlamentarischer Kampf kommen müssen, da Bismark feine absolutistischen Tendenzen mehr als je offenbart, wie der Depeschenwechsel mit Oestreich zeigt.
Die preußische Abgeordnetenkammer rührt sich nach Kräften. Die Grabow'sche Antrittsrede, der Adrcßentwurf Reichcnsperger zünden bereits. Der preußische Despotismus trotzt natürlich und pocht ans seine Siege, aber er wird mit der Zeit durch fortwährendes Anstürmen aus den Schienen gecathen. Die preußische Kammer und das preußische Volk werden beweisen, daß sie deutsch sind, und im Kamps um die Freiheit, so gut wie um die Einheit voranschreiten. Die undeutschen Ausfälle der kleinstaatlichen demokratische» Presse, die, wie Mazzini in Italien, ins Blaue auf eine deutsche Republik losarbeiken, die keinen Sinn und keinen Bobcn hat, wird daran zerstieben. — Grabow sagte in seiner Antrittsrede: „Bei der Trennung im verflossenen Jahre habe man ans Verständigung gehofft; seildem seien aber cinge- lreten Verfolgungen der liberalen Presse, Disciplinirungen der liberale» MagistratSbchörden, Verunglimpfungen der liberalen Staatsbürger, die liberale Gesinnung ist in den Bann gethan, die Ueverzengungstreue, jene allpreußische Tugend des preußischen VeamlenlhumS, in die neupreußische Acht erklärt. Die Axt ist an den Baum mit den schönsten Früchten für Gemeinsinn und Gemeinwohl, wie Beides durch die Verfassung von 1808 empor- gewachsen, gelegt, um die dreimal erprobte öffentliche Meinung Angesichts ruhmvoller Kriegserfolge zu unterdrücken, das Abgeordnetenhaus zur Unterwerfung zu zwingen und der Verfassung die Lebensader zu unterbinden." Weiter fährt er fort: „DaS Gewissen des preußischen Volkes und seiner Vertreter, welche vor Gott und dem König die Heilighaltung der Verfassung beschworen, werde man nicht beugen. DaS königliche Wort: „Nur wer sich ans den Felsen des Rechtes stelle, steht auf dem Felde des Sieges," sei der Wahlspruch des Hauses. Unter diesem Banner hoffe man zur Verständigung zu gelangen, um die Verfassung nicht preiszugeben. „Möge die königliche Regierung einen solchen Weg betreten zum Wohle des Volkes und des Vaterlandes, dessen Wohlfahrt und Ehre wir zu allen Zeiten in treuen Preußenherzen hoch und heilig Hallen!"
In Oestreich verweigert der Kaiser die Aufhebung des Jesuiten-Jnstiluts zu Feldkirch. Man sieht nun nirgends deutlicher, wie der Wind in Wien weht.
Oestreich hat endlich entdeckt, wohin sein Silber kommt! Die Photographen verbrauchen cs. Es wird ihnen ü -n die Wahl gelassen, künftig entweder nur salpetersaures Uran-Ö^ps zu ihren Bildern zu nehmen oder ihrer Kunst für die nächste'» yun»