thätig wirkenden Maßregel, wenn sie in Ausführung kommt, und Herr Fould thut sein Möglichstes, um fie in Ausführung z» bringen. — Napoleon soll sich in ungewöhnlich lebhafter Weise in Berlin Aufklärung über das Vorgehen der preußischen Politik in Schleswig-Holstein erbeten haben. So berichtet die „D. A. Z."
Paris, 9. Dez. Der Cabinetschef des Kaisers, Hr. Moc- quart, ist heute Nacht gestorben. (Fr. I )
Ter BunbeSgencral Sherman» in Amerika trägt in der einen Hand das Schwert, in der andern die Brandfackel; er rückt in zwei Colonncn gegen Augusta und Maco» vor und verbrennt alle Städte aus seinem Wege und verwüstet das Land. Sein Gegner General Beauregard ist nach Georgia geeilt, um Hülse zu holen.
Messina, 5. Dez. Ein neuer Sturm hat die Ostküste von Ostindien verheert. Er forderte mehrere tausend Opfer. Die Stadt Masulipatam szwischen den Mündungen der Flüsse Krischna und Godomeri) ist überschwemmt. — Afghanistan ist in vollem Aufstand. — Tie Russen haben neuerdings de» Chan von Kokhand geschlagen, der 6000 Mann verloren hat und dazu noch 18 Städte eingeäschcrt.
Verlust und Gewinn
Erzählung von Ludwig Habicht.
In einem gepolsterten Lehnstuhle saß traurig ein Mann mit gebleichtem Haar und sorgevollem Antlitz. Vor ihm stand seine Tochter, ein blühendes, junges Mädchen, und schmiegte sich tröstend und bittend an den Vater, der, das Haupt in die zitternde Hand gestützt, mit thräuenschwerein Blicke hinaus in's Weite schaute. ... Es klopfte. Ein Gerichtsbote trat herein. Es war ein wohlbeleibter, behäbiger Mann, mit einem gutmü- thigen Gesicht, das verrieth, wie die Ausübung seiner Pflicht ihm oft recht schwer fallen mochte. Er halte, wie üblich vor acht Tagen seinen Auftrag schon angekündigr und kam heute ihn zu vollstrecken.
„Sie kommen nach dem, was ich vor acht Tagen nicht habe — nach Geld —, nur meine Person steht zu ihrer Verfügung!" So sprach bekümmert der Schuldner. '
„Ich habe vorerst den Buchstaben meines Auftrags »ächz», kommen und bitte Sie, mir Ihren Schrank und alle Behältnisse aufzuschließen'" entgegncte der Gerichtsbote.
Tie Behältnisse waren leer.
„Dann müssen wir zu dem Mobiliar übergeben," sagte der Exekutor mit mitleidigem Achselzucken. Er schanie sich um und das zwar freundlich, aber dennoch nur dürftig ausgeschmückte Stübchen eines kleine» Landstädtchens bot für den exequirenden Blick wenig Anhaltspunkte. Ein paar Tische und Stühle, ein Schrank, die beiden Betten suchten, geschickt geordnet, das Stübchen zu füllen. Nur einige Blumentöpfe am Fenster bildeten den einzigen Luxus.
„Mein erster Auftrag wäre beendigt", sagte der Gerichtsbote laut und fügte leise hinzu, damit es das junge Mädchen nicht höre, „meinen zweiten kennen .Sie. Ich hoffe, daß sie meine Rücksicht nicht mißbrauchen werden."
„Mein Gott — nein," flüsterte der Angeredete zurück, o mein Kind, mein Kind!"
Clärchen weinte. Der Vater hatte sich als Fabrikant versucht, Unglück gehabt und zog verschuldet in ein kleines Städtchen, nm nicht ganz zusammenzubrechen. Seine Gläubiger verfolgten ihn. Er sowohl, wie seine Tocher wußten, daß ihn eine Forderung von 800 Thalern, die er nicht berichtigen konnte, ins Gefängniß führen mußte.
Der Exekutor schickte sich zum Gehen an. Nochmals wandte er sich und wie um den peinlichen Eindruck zu verscheuchen, sagte er scherzend: „Da hätte ich mir beinahe das Beste entgehen lassen. Welch ein schöner Sessel mit goldenen Nägeln und noch strammer Lehne! Den muß ich mit Beschlag belegen!"
„Wie?" rief Clärchen, die bis jetzt lautlos zitternd dagestanden und von der Ruhe, ja Behaglichkeit, wie das unglückliche Geschäft abgemacht wurde, tiefschmerzlich berührt worden war; „w'-?" ries sie und stürzte bei diesen Worten auf den Stuhl, als wollte sie ihn mit Gewalt vcrtheidigcn, „dies letzte. Lies einzige Stück, das können, das dürfen Sie uns nicht rauben! ES ist des Vaters Sorgenstuhl, hier athmct er so ruhig, vergißt alle Schmerzen, wie's auch auf der Erde trüb und traurig aus
sieht, hier ist Friede. Sie nehmen uns das letzte Kleinod nicht!"
„Ja!" sagte auch der Vater, „eS ist mir ein liebes, thenres Stück, das ich als werthes Andenken an eine» Genossen meitter Familie, der bei uns starb, aus de» Trümmern früheren Glanzes rettete. Der Vetter hielt den Stuhl besonders werth, machte darin sein Mittagsschläfchen und ich bi» seiner Neigung gefolgt — es würde mich schmerzen, den Stuhl opfern zu müssen."
„Na! Na!" sagte der Gerichtsbote. „Sitzen sie nur bis Abend noch darin und behalten Sic ihn überhaupt ganz! Gegen 800 Thaler kommt er nicht auf, er würde nicht einmal die Auk- tiouskosten tragen."
Der Exekutor verabschiedete sich mit einem letzten, bedeutungsvollen Blicke auf den Vater und ging.
Das arme Mädchen alhmete freier auf, doch ihr Glück war nur kurz, der Abend nahte, ihr Vater mußte sei» Wort lösen. Er suchte vergeblich nach Worten, um seinem geliebten Kinde die Trennung weniger schwer z» machen. „Nicht wahr," sagte er, „Du wirst stark sei», wirst es beweise», daß Dich die Schule der Noth groß gezogen hat und wirst ertragen, wen» ich von dir scheiden muß?" .. Das junge Mädchen war einer Ohnmacht nahe; ihr ganzes Herz zuckte krampfhaft zusammen, als wollte es in einem einzigen, großen Schmerze vergehen , aber die Liebe zu ihrem Vater gab ihr Kraft. Sollte das tiefe Wehe, das durch ihre Brust zitterte, mit seiner ganzen Schwere auch den Vater Niederdrücke»? Nein, sie durste ihm diese Stunde nicht noch verzweiflungsschwerer machen, und ihm mit neu entflammtem Seelenmutbe ins Auge blickend, enkgegnete sie fest: „Vater, Gott wird mir Mulh geben, es zu ertragen. Er bürdet uns nichts auf, was über unsere Kräfte geht und wenn wir ihm nur recht vertrauen, dann kommt die Hilfe gewiß."
Der Vater nmarmie sein Kind und küßte es, dann aber eilte er hinaus, seiner Tbräne» nicht mehr mächtig.
Er saß im Gefängniß. . . . Als sich die Wellen des ersten, heftigen Schmerzes gelegt hatten, begann die Tochter tagelang über die Mittel zur Befreiung des thenren Gefangene» nackzu- stnneii. „Mit der Schuldhaft kann den Leuten nichts gedient sein," dachte sie'! „ich will ja von meinem Verdienste abzahlen, so viel ich kau». . . . Und nach acht Tagen kam sic, ohne ihrem Vater, den sie besuchen durste, davon zu erzählen, zu einem Entschlüsse. Sie ergriff die Feder und klaute in warmen, rührenden Worten dem klägerischen Handlungshause, das den Vater hatte festietzeu lassen, ihre unglückliche Lage. „Ich weiß," sagte sie am Schlüsse dieses Briefes, „daß mein redlicher Wille nicht genügen kann und daß ich niemals im Stande bin, unsere Schuld ganz zu tilge»; aber vielleicht schlagt in Jbnen »och ein fühlendes Herz, baß Sie nicht kalt und gransam einen Vater von seinem Kinde trenne», wenn Ihnen diese Trennung niemals Vortheil, nur neue Opfer kostet. Sie sind gewiß durch Erfahrung zu der Ueberzengnng gekommen, daß dies harte Mittel das einzige ist, nm böse, noch zahlungsfähige Schuldner zahlbar zu machen und dann wird auch meine Bitte an Ihrem Ohre verhallen; aber den wahrhaft Armen und Unglücklichen drängt diese Art zum Abgrund der Verzweiflung, dann ist er nicht gerecht, dann ist er gransam und vergiftet das Herz, wie das höhnische Lächeln über de» letzten Athemzügen eines Sterbenden. O, mit meinem Herzblut möchte ich die Freiheit meines Vaters erkaufen, jedoch Blut und Thränen haben keinen Werth. Ich biete Ihnen ja, was ich vermag und wenn dieses ihnen zu unbedeutend ist, dann bewege Sie der Gedanke, daß es eine edle, barmherzige Thal ist, einem Vater sein Kind, einem Kinde seinen geliebten Vater wiedergegeben zu haben."
Als Clara diesen Brief geschrieben und eiligst auf die Post getragen hatte, wurde ihr leichter; sie athmcte von neuem auf, die Hoffnung, dieser glückliche Traumschatz der Jugend, hob ihre Brust. Sie hatte jeden Tag, so ost es ihr die Arbeit erlaubte, ihren Vater besucht und ihn stets ruhig und mit Geduld sein Unglück tragend, gefunden, als sie ihm aber heute in die Arme eilte, da strahlte ihr Auge so boffnungswarm, daß sich dieser Zauber unwillkürlich auf das Gemüth des Gefangenen ausdehnte. „Du bist so glücklich heute, mein Kind", sprach er, ich freue mich, daß Du Dich vom Unglück nicht ganz kdar- niederbeugen lässest." (Forts, f.)
Druck und Verlag der Ä. W. Z aiser ',a er 8 Uli I nl dtrng. I.ltatti'rn: Hdlzle.