und ihren Delinquenten nicht gewahrten, mochten sie wohl an alles andere eher gedacht habe», als ihn in ihrer Milte gleichsam unter ihren Füßen zu glauben. Wahrscheinlicher war ihnen, daß er den Wald erreicht und dort sein Heil gesnchr.
Sie durchirrten daher einen guten Theil desselben, soweit ihren Pferden möglich war oder überhaupt ralhsam dünkte und , begaben sich dann fluchend und mißstimmig wieder auf den Rückweg. ^
An der Grube kamen wohl auch Einige vorbei, warfen aber höchstens einen gleichgültigen Blick aus dieselbe. Sie hielten eö für rein unmöglich, daß der Flüchtling einen so gewagten offenen Versteck gewählt hätte.
Das dürre hochaufgeschichtete Laub also rettete unfern Helden, indem es so gütig war, sich bei seinem Falle über ihn zu , breiten. - ' ^
Wie lange er da gelegen, wußte Heinrich natürlich nicht zu enträthseln; nur so viel war ihm gewiß, baß er sich nun beden- teud kräftiger fühlte und im Nothfalle abermals eine» kleine» Wettlauf nnlernehmen könnte. Dazu kam noch das freudige Gefühl, der dringendsten Gefahr entgangen zu sei» und sich im Schutze der freien Berge zu befinden.
Unverweilt eilte er durch die dichten B.nungruppen die Anhöhen hinan. Diese wurden immer steiler, immer wilder und au den meisten Stellen so dicht mir Buschwerk verwachse», baß eS nur mit vieler Mühe gelingen wollte, hindurch zu gelangen.
Bald war ihm auch jede Aussicht ans die Ebene benommen, wie auch der Anblick des Himmels. Nichts als Bäume, nichts als Gesträuch, das sich bei jedem Schritte an >ei»e Kleider hing, und den Eindringling an dem weiteren Borrücke» verhindern wollte — hohe Felscnmassen, über die er »ur mühsam mit Händen und Füßen kriechend gelangen konnte.
Nach einer Wanderung von mehr als einer Stunde fühlte sich Heinrich neuerdings so ermüdet, daß er sich setzen mußte, um wieder frische Kräfte zur weiteren Flucht zu sammeln — denn noch war er seinen Feinden erreichbar.
Auch gesellte sich der Hunger zu seinen Leiden; der Arme hat seit gestern Abend, wo er noch an der Seile seines Zichoa- ters und seiner Geliebten war, nichts mehr zu sich genommen.
Doch war hier an die Befriedigung dieser Anforderung der Natur nicht zu denken. Er wußte überhaupt gar nicht, wann und wo er zu Menschen gelangen dürfte, da er in diesem Theile des Pachern noch niemals gewesen, und auch keine menschliche Wohnung erwarte» konnte.
Als er sich hinlänglich erholt hatte, nahm er seine Wanderung wieder auf.
' Mittlerweile nahm die Finsterniß um ihn her mächtig zu und er konnte nur auss Gerathewohl vorwärts tasten und kriechen, bis er aus eine lichte Stelle des Gehölzes gelaugte und ihm zu seiner Ueberraschung ein Licht entgegen blitzte.
Welche Freude! er sollte zu Menschen kommen, von denen er wenigstens um sein Geld die dringendste Nahrung und ein Plätzchen unter Dach hoffen konnte. Welche Wohllhat! nach so vielen seit vierundzwanzig Stunden ausgestandencn Sorgen und Leiden sein Haupt wieder ruhig Niederlagen und eine ganze Nacht den süßen Schlaf genießen zu könne».
Frischen Mnthes eilte er, so viel ihm die Finsterniß erlaubte, über die Lichtung hinweg, nicht achtend der vielen aus der Erde hervorragenden Baumstumpfe, über die seine Füße jeden Augenblick stolperten, trotzdem er einigemal über quer in seinem Wege liegende Stämme fiel.
Als er endlich ganz nahe bei jdem Lichte war, bemerkte er, daß selbes aus der Hütte eines Holzschlägers kam, wie sie in diesem Gebirge üblich und einem Zelte ähnlich sehen, mit dem Unterschiede, daß die beiden schief auf den Boden anliegenden Dachtheile aus Brettern bestehen, sowie auch der Hinterthcil und die Vorderseite aus leichten Brettern gezimmert sind.
Durch die offen stehende Thür übersah Heinrich mit einem einzigen Blicke das ganze Innere.
Au der hintern Wand waren zwei rohe Bettgestelle mit dürrem Laube angefüllt, vorne gegen den Eingang einige Holzklötze als Sitze neben einem ans vier Pfählen ruhenden Brette, welches den Dienst eines Tisches versehen mußte. In der Mitte ans der Erde brannte ein großes Feuer, das diese menschliche Wohnung mit einem dichten Rauche erfüllte, der sich nur langsam Lurch den Ausgang in die freie Lust drängte.
An dem Feuer selbst beschäftigte sich ein junges Mädchen, mit dem Ausdrucke ländlicher Einfalt in dem stark berußten Gesichte, den Oberleib mit einem groben Leinenhemd bekleidet, während stid über die Hüften bis an die Knie hinab ein längst ver« vlichencs Röckche» seblang, nur die kräftigen mit granwollenen Strümpfen bedeckten Beine, wie auch die schweren Holzschuhe, Zockeln genannt, frei sehen zu lassen.
Die Schöne vom Walde war durch den Eintritt des fremden Gastes so verblüfft, daß sie mit ihrer Beschäftigung inne hielt, und den großen hölzernen Kochlöffel in der Hand, mit weit ansgerissenen Angen nn>er» Helden anstarrt, wobei ein Anschein von feindlichem Mißtraue» nicht zu verkennen war.
Einige» in der Wenden-Sprache ansgedrückten Worten Heinrichs jedoch gelang cs bald, sie über sein Erscheinen z» beruhige». Ec bedeutete ihr in Kürze, daß »r kaum den Händen der Franzosen entronnen, hier eine Zuflucht suche.
Noch mehr Wirkung lhaten einige Zwanziger, die er aus Slauders Geldbeutel hervorzog und ehr hinhielt mit der Bitte, ihm dafür ein Nachtessen und dann ein Plätzchen in der Hütte für diese Nacht wenignrns zu gönnen.
Wie strahlten da die Augen des Mädchens vor Freude, wie begierig streckte sie die leere Hand nach den blinkenden Geldstücken und besichtigte selbe von allen Seiten. Sie mochte wohl noch wenig davon in ihren Händen gehabt haben.
Auf einmal aber schien ein besonderer Gedanke sich ihrer zu bemächtigen. Ihr Gesicht verfinsterte sich und hastig gab sie Heinrich bas Geld zurück mit de» Worten: „Ihr dürft nicht hier bleiben. Der Vater kommt »nd er leidet niemand unter seinem Dach. Er ist gar schlimm. Ihr müßt wieder fort, oder er schlüge mich und Euch."
Zudem sic so sprach, war sie zur Thür geeilt und horchte nun in daS Freie hinaus, gleichsam als fürchte sie, der Genannte fei schon ln der Nä?e.
„Aber ich bitte Dich, sagie Heinrich, wo soll ich in der finstern Nacht hin? Dein Vater wird wohl nicht so hartherzig sein, mich unter freiem Himmel schlafen z» lasse», zumal ich ihn ja zahlen will für die kleine Störung."
„Za, ja, murmelte sie, bas Geld wäre ihm schon recht —
aber — Jyr müßt fort. Besser im Freien zu schlafen als-
aber macht fort, er kann jeden Augenblick kommen, und dann muß cs die arme Ursula büßen und Ihr obendrein."
„Fort, fort, sprach unwillig der junge Mann, .seid Ihr denn ! keine Christen? Wo soll ich denn hin?"
„Ueberall besser als da!" erwiderte Ursula kurz und bemühte ! sich,Ihn hinaus zu drängen.
i ,,Nnn gut, ich gehe schon! Gib mir wenigstens einige Eß- . waaren mit um dieses Geld, und wenn cs möglich, auch was zu ^ trinken!" meinte Heinrich, dem Mädchen neuerdings das Geld ^ hinhaltend.
Das war ihr denn auch erwünscht, die glänzenden Silbcr- ^ münzen verdienen zu können, ohne sich dem Zorne des Vaters ^ auszusetzen. Sie nickte beifällig mit dem Kopfe, eilte zum Feuer ^ und zog ans dem großen Topfe ein mächtiges Stück geselchten ! Schweinefleisches — trat dann in den Hintergrund der Hütte, holte unter dem Bette hervor eine große grüne Weinflasche, gut verstopft, um den kostbaren Inhalt nicht heraus zu lassen, und nahm dazu von einer Stellage einen kleinen Laib weißen Brobes herab.
Heinrich blickte die Gaben erstaunt an und gab ihr zu verstehen, daß er hier keine solche Sachen vcrmuthet hätte.
Das Mädchen lächelte, nahm das Geld aus seiner Hand und murmelte: „Ja, wir leben nicht schlecht."
„Wird aber Dein Vater ^nicht merken, daß ihm was abgeht?" fragte Heinrich.
„Er weiß ja noch nicht, was ich heute eingekauft habe, als ich in Lehmbach war. Er darf nichts wissen, auch von dem Gelbe nichts — ich werd es recht gut verstecken. Aber jetzt macht fort um Gotteswillen! — Morgen gegen Abend könnt Ihr wieder kommen. Da ist er nicht zu Hause und ich kann Euch wieder was geben. Aber Ihr müßt mir auch wieder so schöne Dinger bringen."
(Fortsetzung folgt.)
Druck und Berlag der G. W-Zaise r'scheu Buchhandlung. Redaktion: Lo tz l