Sprunge über den Straßengraben, und fort hinein in den Wald — während die Soldaten noch unbewußt, was eigentlich vorgegangen, unter einander schrieen, hin nnd her sprengen und selbst nicht wissen, was sie thun solle».
„Ich war bereits wieder auf freiem Felde, als ich auf einmal ein Pferd auf mich zu galoppireu hörte. Ich konnte natürlich nichts anderes glauben, als es sei einer meiner Verfolger. Schnell leg ich mich regungslos auf die Erde, Bielleichl übersieht er mich und sprengt davon.
„Zu meinem Schrecken aber bleibt es kaum drei Schrille neben mir stehen. Nun adieu Well! mit dir ists aus!
„Wie jedoch einige Minuten vergehen und ich noch immer nichts anders hörte, als das gewaltige Schnaufe» eines scheu gewordenen Pferdes, erhob ich ein wenig meinen Kopf von der Erde und gewahrte zu meiner unaussprechlichen Freude nur ein leeres Pferd. Sollte es das des Offiziers sein? — Mir gleich! mag es gehören, wem es will. Es ist euimal da und für mich ein Fingerzeig des Himmels.
„Ich erhob mich leichteren Herzens, streckte unter liebkosenden Worten meine Rechte nach dem Pferde aus und es war so liebenswürdig, sich ruhig fassen zu lassen. Wahrscheinlich hat der Schreck auf das arme Thier so eingewirkr, daß es nicht die fremde Hand erkannte.
„Im Nu war ich aus seinem Rücken und fort ging cs im tollen Ritt, wie ihn kaum der wilde Jäger macht, bis ich vor den Thoren meines lieben Marburgs war.
„Nachdem ich unserem Bürgermeister Herrn Ferliug meine Papiere übergeben, eilte ich gleich hieher, wo ich wußte, meine guten Freunde zu treffe». Ihr könnt euch übrigens vorstelle», daß ich nach solchen Affairen auch Hunger und Durst habe. Also, Herr Leber, schnell, was noch zu haben."
Alle Anwesenden waren mit denn größte» Interesse der Erzählung gefolgt und konnte» jetzt dem jungen Manne, der von jeher aller Liebling war, nicht genug Glück wünschen zu dem Entkommen vor dem Tode eines Spions.
In der eine» Ecke des Schankzimmers aber saß ein Mann, der zwar auch mit steigender Neugier de» Worte» Heinrich« lauschte, mit dem Schlüße jedoch gar nickt zufrieden schien. Es war ein großer hagerer Mann in stark abgenützten Kleibern, von außerordentlich kräftigem Körperbau, ei» paar cisenfesten Arme», rothem struppigen Haupthaar und einem Gesichte, auf dem sich alle bösen Leidenschaften abdrückten.
Die grauen Augen dieses Mannes waren die ganze Zeit wie magnetisch auf Heinrich gerichtet und blitzten ordentlich vor höllischer Freude bei Erwähnung der Gefahre». Aber über dem glücklichen Ausgange verfinsterte sich sein Gesicht immer mehr und ward furchtbar drohend, als einer der ältere» Gäste Heinrich aufmerksam machte, wie gefährlich sich die Sache für ihn gestalten möchte, wenn der Offizier vielleicht todt ist.
„Ach was," rief Stander, „es war ja finster und Heinrich in Verkleidung. Wie sollte» ihn die Franzose» erkennen. Und wenn auch, so bat unser Kunz noch immer so gute Freunde, die jederzeit bereit sind, ihn auch mit Aufopferung ihres eigenen Lebens aus der Mitte der Franzosen herausznreißen. Nehmt also Eure Gläser zur Hand und stoßt an zur freudigen Wiederkehr unseres gemeinschaftlichen Freundes!"
Ein jubelndes „Hoch, Hemrich Kunz" erscholl durch das große Zimmer nnd alle leerten ihre Gläser, selbst den finsteren Rolhhaarigen inbegriffen.
Niemand jedoch gewahrte dabei dessen Gesicht, sowie das höhnische Lachen, als er sich aus der Stube entfernte.
Um die zehnte Vormittagsstunde des darauf folgenden Tags rückten die ersten Abtheilungen der französischen Armee durch das Kärntnerthor in die Stadt und schon nach zwei Stunden faßten Marburgs Mauern mehr als zehntausend dieser ungebetenen Gäste.
Der erste Befehl des Generals Granchy war: längstens bis Abends sechs eine Kontribution von 30,000 Gulden zu erlegen.
Um diesem Befehle mehr Nachdruck zu geben, wurden der Bürgermeister Ferliug und die Räthe Forstner und Hold auf dem Ratbhause, woselbst der feindliche Kommandant sein Hauptquartier aufschlug, als Geißeln festgehalte», bis die Summe voll- emacht sei.
Das war keine leichte Aufgabe für die Marburger. Sie waren schon mehrmal bei den früheren Invasionen ans diese Art mitgenommen. Es galt nicht nur ihre ersten drei Männer auszulösen, sonder» auch die Stadt vor noch größerem Unglücke zu bewahren.
Ueberdieß mußten alle Borräthe von Schlachtvieh, Wein, Brod nnd Mehl an die Franzosen ansgeliefcrt werden. Wer nicht freiwillig bergab, dem wurde ohne weiteres genommen. Tie Häuser waren vollgepfropft von feindlicher Einquartierung, welche es sich gut geschehen ließ — während die armen Bürger mit betrübten Miene» und kummervollen Herzens herumschlichen — sie wußte» nicht, woher die nächsten Tage den großen Bedarf für die Fremden zu nehmen.
Auch in einem großen, schönen jHause in der Viktringhofgasse herrschte maßlose Verwirrung. Der Besitzer desselben, der Gold- schmid Hold, ward wie gesagt, auf dem Nachhause festgehalte», das Hans voller Franzosen und seine achtzehnjährige Toä'ter über die Gefangennahme ihres Vaters so erschrocken, daß sie zn den vielen Sorgen, die jetzt auf ihr lasteten, unfähig gewesen wäre, wenn nicht Heinrich ihr den gröhien Theil davon abgenommen hätte.
Er hatte den Rest der Nacht bei seinem Freunde Stander zngebracht »nd war am frühen Morgen schon zu seinem Ziehvater Hold gekommen, bevor dieser auf bas Rathhans gegangen war.
Gegen fünf Uhr Abends war Heinrich mit seinen Verrichtungen und mit der Versorgung der Einqnartirnng zu Ende. Er begab sich in den ersten Stock, wo er in einem Zimmer das Mädchen in Thränen fand.
Da lehnte sie am Fenster und starrte mit den großen blauen Augen auf die Gasse hi mb. Die blonden Haare waren aufgelöst — während die Helle» Tbränentropfen wie Krystallperlen auf den blassen Wange» erzitterte».
Der junge Man» trat leise heran, drückte sie in seine Arme und küßte die nasse» Tropfen von ihrem Gesichtchcn weg.
„Ach, Heinrich," seufzte Marie, sich leicht der Liebkosungen wehrend, „was wird aus meinem Vater werben?"
„Sei ruhig, Geliebte!" tröstete er, „die Marbnrger lassen ihre Mitbürger nicht sitzen. Sie werden sie sicher auslösen und bald wirb der gute Vater wieder da sein."
„Ja, ja, Du kannst leicht tröste», Dich leicht beruhigen — Du weißt ja nicht, was e§ beißt um einen Vater zu zittern."
„Marie!" rief vorwurfsvoll Heinrich, sie anslassend, „ist er nicht auch mein Vater? — Was wäre aus mir geworden, wie ich als zweijähriges Kind meine armen Eltern verlor. Hat nicht er mich wie seinen Sohn geliebt, darnach aufgezogen und mich in sein Geschäft ausgenommen? Und ich sollte ihn nicht wie eine» Vater lieben! Ihm nicht wie ein braver Sohn mit Leib und Seele zugethan sein?
„Verzeih — o verzeih", untcrbrch ihn das Mädchen und warf sich mit einem unendlich liebevollen Blicke au seine Brust, „ich weiß ja nicht, was ich spreche. Nu», sei nur nicht böse — runzle nicht so furchtbar Deine Stirne — Du weißt ja doch, daß Du nebst meinem Vater mein Alles bist."
Allerlei.
— Verfahren, um den Obstmost zu vermehren, sowie besser, billiger und haltbarer zu machen. Man verwende zn einem Württemberg. Eimer: 2 Säcke Obst und 25 bis 30 Pfd. besten weißen Traubenzucker. Letzteren zerschneide man in kleine Stücke, löse ihn in circa 10 Maas heißem Wasser auf, gieße dieses Zuckerwasser lau (40 Grad Reanmur) dem Moste vor der Gährung zu und behandle den Most alsdann wie gewöhnlich.
— Mittel gegen Kopfschmerzen. Der französische Arzt vr. Guyon hat an die Pariser Akademie der Wissenschaften eine Denkschrift gerichtet, worin er behauptet, die heftigsten Kopfschmerzen durch einen Druck auf die zu den Schläfen gehörigen Schlagadern beseitigen zu könne». Er habe diese Entdeckung in Indien bei Kranken gemacht, die vom gelben Fieber befallen waren. Diese neue Behandlung sei mit keinerlei Übeln Folgen für das Gehirn verknüpft.
Druck und Gering der G. W. Zaiser 'scheu Buchhandlung. Redaktion: Ha lzle.