trnant. Heute Vormittag blieb es ruhig und die Magazine wa- ren geöffnet. Eine vom LpndicuS der Residenz erlassene Prok- lamation ermahnt die Bevölkerung zur Ruhe und cs steht zu Hof» sen, daß die Unordnungen sich nicht mehr erneuern. Die Börse ist geschlossen.

Der Diebsbairuer.

lFvrlsetziing.)

Diese, die kleinsten Einzelnheiten berührende Frage brachte eine plötzliche Umwandlung in der Haltung Bellin's hervor. Er schien einznsehen, daß es geralhener sei, wenn er ein offenes nnd ehrliches Bekenntniß ablege, und so erwiderte er denn »ach einer Pause, zu allen Anwesenden gewendet:

Ich bin zwar ein sehr leichtsinniger Mensch, aber wer da glaubt, daß ich jemals fähig wäre, einen Diebstahl zu begehe», der kennt mich nicht im Geringsten und cs freut mich, daß Lassow ausdrücklich gesagt bat, ec beschuldige mich dieses Verbrechens nicht. Es ist vollkommen wahr, daß ich die Ohrringe heimlich von der Fensterbank in Wenzin'S HauS weggenommen habe, es geschah aber einzig nnd allein in der Absicht, Lassow um sein Ansehen zu bringen und lächerlich zu machen, we'l er seinen Bru­der bestimmt halte, mich mit meiner Bewerbung um dessen Toch­ter Dorothea abzuweisen, wie mir die letztere, die das Gespräch belauscht, selbst erzählte. Da ich Wenzin'S Haus am besten von Allen im Dvrse kannte und daher dort am leichtesten irgend eine Sache unbemerkt stipitzen konnte, so theilte ich dem alten Johann meinen Plan mit und bewog ihn durch ein Geschenk, mir zur Ausführung desselben behilflich zu sein. Hatte ich meinen Zweck erreicht, halte Lassow erklärt, er könne die Ohrringe nicht wieder schaffen, weil deijenige, welcher sie gestohlen, nicht im Dorfe wohne, so wollte ich sie der Tochter Wenzin'S vor allen Leuten wieder znstellen nnd den alten Johann als Zeuge» ansrnsen, in welcher Absicht ich dieselben weggenommen. Der letztere verstand sich auch nach einigen Bedenken dazu, mir behilflich zu sei», und als er an jenem Nachmittag allein auf der Hausflur arbeitete, schlüpfte ich rasch durch die G-ulenthnr in die Kammer, steckte die Ohrringe ein, und ging dann in aller Ruhe, ohne von je­manden bemerkt zu weiten, nach der Schenke, mit dem Vorsatz, dort so bald als möglich eine Wette zu dem obengenannten Zwecke einzugehen. Wie es gekommen ist. daß Lassow die Wahrheit entdeckt hat, weiß ich nicht; auf welche Art es aber auch gesche- Heu sein mag, ich habe die gerechte Strafe für mein« Rachsucht nnd meinen Leichtsinn empfangen. Sollte dieser und jener meine Erklärung des Thatbestandcs nicht für wahr halten, so kann ich nichts weiter thun, als mich mit meinem guten Gewissen tröste», da der Einzige, welcher weiß, wie die Sache zusamnienhängt, todt ist. Die zehn Thaler, welche Tu gewonnen hast, Drewitz, werde ich Dir morgen in aller Frühe bringen."

Als er dies gesagt, verließ er raschen Schrittes das Zimmer, um nicht Zeuge von hem Triumph des alten Hirten sein zu müs­sen und den Spvttcrcicn .und Sticheleien seiner Feinde und Freunde zu entgehen. -

Tie Darlegung Bellin's war so natürlich und mit solcher Unbefangenheit und Sicherheit gegeben, daß fast alle derselben Glauben schenkten. Nur einige ließen Zweifel daran laut werden nnd meinten, es sei doch etwas verdächtig, daß gerade der Ein­zige, der außer Bellin Aufklärung über die Sache solle geben können, so plötzlich gestorben sei.

Lassow. hatte während der Rede Bellin's durch keinen Blick und keine Miene verratheii, was in seiner Seele vorging und auch jetzt saß er so ruhig da, als ob ihn die ganze Begebenheit nicht im Geringsten kümmere. Daß er nicht »erreichen werde, auf welche Weise er hinter die Wahrheit gekommen, wußte Jedermann, und daher machte auch keiner den Versuch, ihn auszufragen.

Das wilde Durcheinanderschreien der aufgeregten Gäste schien ihm jedoch beschwerlich zu fallen, denn nach Verlauf von fünfzehn bis zwanzig Minuten erhob er sich, wünschte Allen eine gute Nacht und begab .sich auf den Heimweg.

Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, wandte sich das Gespräch, das sich bis dahin ausschließlich um den leichtsinnigen Streich Bellin's und dessen Strafbarkeit gedreht, sogleich auf ihn selber und seine Kunst, die hier wieder einen großen Triumph gefeiert hatte. Außer dem korpulenten Wirlhe, der seinen Ver« stand durchaus nicht gefangen geben wollte wie er sagte, waren

Alle fest davon überzeugt, daß Lassow im Besitz geheimnißvoller Mittel sei, und sprachen dies auch ganz offen aus. Tie hitzigen Debatten über die Frage, welche Mittel der alte Hirt anweude, kamen einzig und allein dem ungläubigen Tolbitz zu Gute, da seine Gäste in Folge derselben einen uugewöbnlichen Durst ver­spürten, doppelt so viel tranken als sonst und erst um die Mit- tcrnaLtSstnnde beimgingen.

Der Vorfall batte das Ansehen Lassow's im Dorf und in der Umgegend ungemein erhöht und den Glauben an seine Zau- bermiltel bei allen befestigt. Hätten die Leute ihre Hauslhüren bei Nacht offen gelassen, selbst der Venvegenste würde cs nicht gewagt haben, jemanden irgend etwas zu entwenden ans Furcht, aus der Stelle von Lassow entdeckt z» werden.

Bellin dagegen nabm sich die Sache sehr zu Herzen. Ob­gleich er ei» gutes Gewissen hatte und ihm von de» meisten Dorf­bewohnern die Versicherung gegeben war, daß sie seiner Erzählung von dem Hergang vollkommen Glauben schenkten, so peinigte ihn dennoch der Gedanke, d-ch dieser oder jener heimlich Mißtrauen oder Verdacht gegen ihn hegen könne. Eine ganze Woche ging er wie ein Vernrtbeilter »mber, mied alle Menschen nnd sah so bleich und gramvoll a»S, daß jedermann Mitleid mit ihm suhlte.

Da erschien eines Abends der Pfarrer in Bellin's Hause, reichte dem Bekümmerten die Hand nnd sagte nach freundlichem Gruß:

Ich weiß Alles, was vorgefallen ist, Bellin, und komme jetzt, um Euch etwas mitzutheile», was Euch gewiß erfreuen wird. Es wird Euch sicherlich bekannt sein, daß ick einige Stunden vor dem Tode des alten Johann zu diesem gerufen wurde, um ihm das heilige Abendmahl zu reichen. Gleich nach meiner An- knnst ersuchte er alle, mich mit ihm allein zu lassen, erzählte mir, bei welchem Streich er Euch behilflich gewesen und bat mich in« ständigst, seinen Herrn von dem, was ec mir vertraut, später in Kennt riß zu setzen, damit nicht ein Unschuldiger in Verdacht komme oder ein böser Verdacht ans Euch falle. Ich versprach ihm dies auch; als ich aber von dem Ansgang der Wette und von Eurer Niedergeschlagenheit hörte, glanbie ich, es könne nicht schaden, wenn Ihr für Euren unbesonnenen Sireich ein bischen gestraft würdet, und schwieg bis heule. Laßt Euch diese» widri­gen Vorfall eine heilsame Lehre sein und legt Euren Leichtsinn ab dann kan» noch Alles gut werden. Ich bin auf dem Wege zu Wciizi», um diesen, die Aussage des alten Johann mitzuthei- len und ihn zu bitten, sie überall z» erzählen, damit jeder Arg­wohn gegen Euch a»S den Herzen der Leute vcischwindel."

Hocherfreut über den glücklichen Ansgang eines Handels, der ihm schlimm hätte zn stehen kommen können, gelobte Bellin dem Pfarrer feierlich, von jetzt an ein neues Lebe» zn beginne», und begab sich auf den Wunsch des letztere» auch zu dem alten Hirten und bat diesen wegen seines rachsüchtigen Benehmens um Ver­zeihung, die ihm Lassow denn auch von ganzem Herzen angedei­hen ließ, ohne ihm jedoch irgend eine Aufklärung darüber zu ge,, den, wie er seine Schlicke enldeckt hatte.

Der Greis that jedoch noch mehr. Da der seinem Bruder crtheiltc Rach die Veranlassung zu Bellin's unüberlegtem Streich gewesen war und der alte Hirt die Hoffnung hegte, Bellin werde das dem Pfarrer und ihm gegebene Versprechen gewissenhaft c,. füllen, so ging er zu seinem Bruder, dem Anbauer, und stimmte ihn nnd dessen Frau wieder so günstig für Bellin, daß sie ein- willigten, diesem ihre Dorothea zu geben, falls er eine PrüfungS- zeit von sechs Monaten gut bestanden habe.

Die Hoffnung des Greises ging in Erfüllung. Aus dem leichtsinnigen Müßiggänger ward nach und nach ein thätigcr, fleißiger Arbeiter, der hinter Keinem im Dorfe znrückblieb, und als die sechs Monate verflossen waren, ging Lassow selbst zu ihm, führte ihn zu seinem Bruder und trat bei diesem als Freiwerber führ ihn auf, indem er scherzend sagte:

Ich denke, wir können die Sache auch ohne den Schneider Glabbatz abmachen. Der kieine Kerl wird täglich unverschämter und habgieriger."

Der Anbauer nnd seine Frau waren derselben Ansicht, und »och in derselben Stunde ward die Berlodung zwischen ihrer Tochter und Bellin geschlossen.

(Schluß folgt.)

Druck «ud Verlag der G. W. Z » l se r 'scheu Buchhandlung. Kedalii»»: H » l z l «'