richten zufolge hat vorgestern eine Schlacht bei Atlanta stattge. funden, deren Ergebniß darin bestand, daß der Südgeneral Hood in seine Befestigungen zurückgeworfcn wurde und seine Tobten und Verwundeten auf dem Schlachtfelds ließ. Sherman» nahm 4000 Mann gefangen und büßte selbst 1500 Man» ein. Gerüchtweise heißt eS, daß man eine Verschwörung entdeckt habe, welche sich über das ganze Mistsfippi-Gebiel erstrecke und die Gründung einer Konföderation im Nordwesten bezwecke. Mehrere Verschworene wurde» dem Vernehmen nach in St. Louis verhaftet.
New-Uork, 30. Juli. Sherman« zieht seine Linien um Atlanta zusammen. Lee griff Butler bei Bermuda-HnndredS an, wurde aber zurückgcschlagc». Grant ist in zwei Corps aus der Nordseite deS Jamesflnsses vorgerückt und hat sich 10 Meile» von Richmond verschanzt. Cs geht das Gerücht, er habe die Belagerung von Petersburg aufgegebcn. Die Südstaatlichen sind in Chambersburg iu Pennsylvanien cingerückt. (T. d. St.-A,)
Philadelphia, 22. Juli. Bei «nö herrscht eine Trocken- heit, wie man sie seit Jahre» nicht erlebt, und die Berichte ans verschiedenen Staaten geben ei» höchst trauriges Bild von dem Zustand der Früchte. Die Preise der Lebensmittel, die noch vor Kurzem im Fallen waren, sind in Folge der Dürre außerordentlich gestiegen. Auch die Sterblichkeit ist sehr groß. — Daß Lincoln weder die verlangten 500,000 Mann, noch die 200 Mill. Frhaltcn wird, glaubt Niemand. TaS Volk ist des Krieges müde und würde die Nachricht von Friedensnntcrhandlnii.zen hüben und drüben von Unzähligen mit Freuden begrüßt werden. Im Süden soll das Elend »och furchtbarer sei», als im Norden. — Genxral Sigel soll ganz außer Dienst gesetzt sein. Hecker ist wieder auf seiner Farm beschäftigt.
Verbrechen nnd Sühne.
(Schluß.»
Der Schlosser aber halte daS Haupt in die Hände gestützt, Thränen rannen von seinen Augen, seine Brust hob sich in lief erschüttertem Gefühle.
„Wen rührte ein solcher Anblick nicht, fuhr der Vertheidi- ger fort; erbarmt Euch der Unglücklichen. Ihr Leiden ergreift mich dergestalt, daß es mich treibt, ibre Thränen abzuwischen. — Weiter seht Ihr stehen vor Euch mit ihren Bitten Freunde und Anverwandte des arme» Mannes, seine ganze Nachbarschaft. Alles fleht Euch um Schonung und Milde an, wenn »irbt um völliges Verzeihen. Barmherzigkeit ist der Richter goldener Schmuck. Schon zu öfteren Malen haben grobe Verbrecher Gnade vor Euren Augen gefunden, wie viel mehr verdient cs nicht der Man», der vor seinem Sündenfalle keines einzigen Vergehens sich schuldig gemacht hat. Oder wer kann gegen ihn ansstehe»? rief er jetzt, sich feierlich anfrichtend. Er trete vor und strafe mich Lügen! Alle wisseu's, er befliß sich eines christlichen Wandels nnd steter Achtbarkeit, lebte mit seinen Nachbar» im Frieden und hat dem Gemeinwesen während manchen Jahren treue Dienste geleistet. In Erwägung alles dessen hat der einmal Gefallene, z» Euch Flehende. Hewiß wohl Verzeihung verdient. Doch Gott sei gelobt, sagte er nun, indem er auf die von Rührung ergriffenen Richter blickte, ich lese auf Eurem Antlitze die mildere Stimme Eurer Herzen. Ja, blicket immer auf die Gesichter der Mutter, der Kinder, der Nachbarn und Freunde! Die fallenden Thränen, deren sie sich nicht erwehren können, wenn sie auch möchten, würden selbst Herzen von Stein erweichen. Ich weiß, die Menschlichkeit und Großmnth hat gesiegt. Diesen Euch ehrenden Sieg wird die späte Nachkommenschaft Euch danke» und rühmen."
Noch lagen die Gattin und die Kinder des Angeklagten auf ihren Knien, da folgten auch die Freunde und Anverwandten dem Beispiele und einstimmig erhob sich der Ruf: „Hochherzige Richter, habt Gnade und Schonung!"
Es war ein rührender Anblick — der Richter und der Präsident, sie konnten sich der Thränen nicht erwehren.
Endlich aber faßte sich der Letztere, ließ den Angeklagten zum Gefängniß zurückführen und die Zuhörer sich entfernen, damit die Richter über ihr Urtheil berathen konnten.
Allein während mehreren Tagen harrten die unglücklichen Verwandten vergebens auf den Spruch der Richter. Wenn auch momentan von der Rührung bewältigt, wollten sie doch einen
Diebstahl am Gemeinwesen nicht ungestraft lassen. Endlich aber entschlossen sie sich zu einem Auswege. Es wurde der Schlossermeister zum warnenden Exempel für alle künftigen Zeiten zu lebenslänglichem Gewahrsam verurteilt; aber zu diesem Zwecke sollte ei» eigenes Gemach koustruirt werden zu ebener Erde, mit einem vergitterten Fenster nach der Straße, durch welches der Gefangene Sonnenlicht und Nahrung erhalten und mit den vorübergehenden »»gehindert verkehren könne.
Martha saß in banger Erwartung am Fenster in der Schlos« serwerkstatl, umgeben von ihren Kindern, als der alte Rechts- gelebrte, welcher de» unglücklichen Schlosser mit so viel Gefühl , verlheidigt hatte, e>lige» Schrittes daher kam. Martha svrang auf, um ihm die Thüre zu öffne». Jbr fragender Blick haftete aus seinem Munde, als wollte sie Glück oder Unglück von seinen Lippe» lesen.
„Ich bringe Euch eine Botschaft, die, wenn sie Euch vielleicht auch nicht vollkommen tröstet, doch noch eine glückliche genannt werden kann in unfern Zeiten strengen Gerichtswesens." Er lheilte ihr das Urtheil mit.
„Großer Gott! rief sie, ewig eingeschlossen! armer Manu! Und doch, er kann daS Sonnenlicht, er kann Menschen seben, sprechen. Ja, ja, wertper Herr, Ihr habt Recht, Eure Botschaft ist eine glückliche. Und täglich kan» er seine Kinder küssen, nicht wahr?"
„Das kan» er, darum tröstet Euch, Frau. Nur ein Gitter trennt Euch von ihm und nichts hält Euch ad. vom frühen Morgen dis zum späten Adend mit ihm zu verkehren." —
Und so gcschah's. Nach wenigen Woche» war am Spalen- thor, am Eingänge zum Gesängmß, ein Ecdgeschoßzimmer ange- baur, in das man de» Gefangenen führte, damit er cs lebend nicht mehr verlasse. Ein Gitter nur trennte id» von den Vorübergehende», die ihn stets grüßten, nicht wie einen Verbrecher, sondern wie einen lieben Bekannten.
Drüben im Eckhause batte sich seine Martha in einem Zimmer des Erdgeschosses cingewohut, dessen Fenster nach der vergitterte» Zelle deS Gefangenen ging. Sie beschäftigte sich mit Näharbeiten, welche ihr den Unterhalt für sich und die Kleine» veischassten, und sie vergaß niemals, dem Gefangenen da drüben an Sonn- und Festtagen ein besonderes Gerücht zu dringen, das die Familie auf dem Gesimse des vergitterte» Fensters gemeinschaftlich verzehrte. Eigentlich hatte Martha ihre Wohnung nur zum Schlafen; denn selbst mit ihrer Arbeit i» der Hand leistete sie dem Gefangenen Gesellschaft; die Kinder verließen kaum die Straße, den Vorplatz; nur wen» sie dem Vater Blumen suchten, da waren sie auf Augenblicke weg. Freilich störte der Winter jeweils die Freuden des Verkehrs, aber er verkürzte nur das Beisammensein.
^ Pater Marti» kam öfters, ein lieber Gast, an's Gitterfen- ! ster. Und in gleicher Weise, als in der Gerbergasse die Nachbarn ! den Schlosser lieble», so war es auch in der Spalengasse — der ^ Einsiedler war für Alle ein Freund und seine Heranwachsenden ! Kinder konnten wohl Kinder der Gemeinde genannt werden.
! Die Noch hatte aber die arme Martha gezwungen, mehr zu ! arbeiten als ihre Gesundheit ertragen konnte — sie siechte dahin j und starb nach kurzem Krankenlager im Jahre 1525 — ihr folgte ! bald der Gefangene zur ewigen Ruhe; aber er hatte den Trost mit zu Grabe genommen, daß seine fünf Kinder alle versorgt und zur Redlichkeit erzogen seien.
Sein Grabgeleite war ein reiches, ja glänzendes und noch lange, lauge nachher sprach das ganze Stadtquartier von dem „Einsiedler am Spaienthor", dessen Zelle noch gegen das Ende des 16. Jahrhunderts gestanden haben soll. Jetzt ist sie längst verschwunden, denn der Schlosser hatte keinen Nackfolger. —
Neugierige Leser wollen wohl wissen, was aus Meister Wurin- bach wurde? Sein Urtheil folgte dem des Schlossers kurz nachher. Nicht aus Rücksicht für seine sonstige gute Aufführung oder sein reumüthiges Gcstäudniß, sondern weil man davon abstand, Diebe zu hangen, veruriheilte ihn das Gericht zu einer Tracht Ruthenstreichen und verbot ihm unter Todesstrafe, die Stadt je wieder zu betreten. Er muß bald nachher verunglückt sein, denn man sah ihn auch in der Umgegend nicht wieder.
Druck und Verlag der <S. W- Zaiser 'scheu Buchhandlung. Redaktion: Hdljl«.