, r "V:
2 >
.c
acht, eS war neun Uhr und endlich selbst zehn Uhr geworden. Er kam noch immer nicht.
Bon dem Verbrechen des Schlossers vermied die treue Martha zu sprechen, die Kirche hatte es vergeben, sollte sie strenger sei»? Sie, für welche der Gatte znm Verbrecher wurde? Und wenn ihre Gedanken immer wieder aus die Thal znrückkamen, so blickre sie nach oben und faltete ihre Hände, i»> leisen Gebete z» dem Allmächtigen, und sie dachte auch wieder, das; kein Blut mehr unschuldig in der Folterkammer für ihren Gatten vergossen werde.
„Sollte ihm etwas begegnet sei»? sagte der Schlosser ängstlich. Sollte der Rath den ehrwürdigen Vater znrückhalten, damit er —"
„O sie tbun eS nicht, die Rälhe, tröstete seine Martha. Ein gesalbtes Haupt."
Aber trotz diesem Tröste hatte» sie doch keine Ruhe, als sic sich spät in der Nacht zur Ruhe begaben. Aber der folgende, der zweite und der dritte Tag brachte» ebensowenig Nachricht. Vergebens fragte der Meister Kilian im Kloster nach, eine heilige Scheu hielt ihn ab, auf dem Stadthause zn fragen. ^
Allein die Nachricht sollte für ihn und seine Familie nicht l ausbleiben. Den vierten Tag kamen Gerichtsdiener und holten j den unglücklichen Schlosser ab. Sein Weib hatte ihn umschlun- l gen, als sie eintraten, die Diener des Gesetzes. !
„Gott hat es gewollt, liebes Weib; dem Gesetze sein Recht, l dem Verbrecher die Sühne. Gott hat mir vergeben, aber die ! Menschen haben es noch nicht." I
Er drückte auf ihre Stirne den Abschiedsknß, er umarmte seine Kinder und ließ sich sodann znm Gesängniß führen. Dran- I ßen standen die Nachbarn, nicht neugierig gaffend, sondern voll ^ Mitleid, der Schlosser war beliebt. Im Gefängnisse suchte ihn schon in der nächsten Stunde der Pater Marlin ans. !
„Unglücklicher, sagte er, ich mußte dich vcrrathen, der Bi- I schof, dem ich Gehorsam schulde, hat es mir geboten, nachdem ich vier volle Tage im Gesängniß zugebracht, bis der Befehl anlangke."
Er sagte nicht, daß der Rath diese Erlanbniß mit schwerem Golde erkauft.
7 .
Während der ersten Tage der Haft des Schlossers war es seinem armen Weibe nicht gestattet, ihn zu besuchen. Sie saß recht traurig in der verödeten Werkstatt, ohne Hoffnung auf einen günstigen Ausgang der Sache. Allerdings stand nach dem damaligen Gesetze auf diesem doppelten Verbrechen des Diebstahls am öffentlichen Eigenthum und dem Mißbrauche des höchsten Vertrauens unbedingt die Todesstrafe; allein Pater Marlin hatte der Verlassenen Hoffnung gemacht auf das Barmherzigkeitsgefühl der Richter und des RatheS, und in der Thal ließ auch das Milleiden der ganzen Nachbarschaft, die sich des Verhafteten annahm und eine Deputatschaft an den Ratb schickte, ein milderes Urtheil erwarten.
Der Gefangene hatte schon im ersten Verhöre seine That zugestanden, so daß der Prozeß nicht viel Zeit in Anspruch zu nehmen brauchte. Selbst die Angaben des Hansirers konnten anf die Sache selbst kein neues Licht werfen und derselbe war schon zwei Tage nach seiner Verhaftung aus dem Gefängnisse entlassen worben, mit der Weisung, den Rath nicht mehr bei seinen Untersuchungen zu belästigen.
Sein Begehren um eine Gratifikation wurde zwar abgewiesen; aber er tröstete sich mit dem Gedanken, daß der Schlosser Kilian in Haft gebracht worden und wahrscheinlich nicht mehr lebend das Gesängniß verlassen werde.
„Wollen sehen, was die schöne Wittib macht, lachte er vor sich hin, haben zwar in der Mohrenschenke den unnökhigen Gemahl und später die kleine Schlossersbrut auf die Seite schaffen wollen, s'ist aber bequemer und auch billiger, wenn der hohe Rath die Sache in Ordnung bringt. Aber der Teufel hole die Gewissenhaftigkeit des Schlossers; hätte mir wohl sagen können, wie er in die Schatzkammer gekommen.
Er kam zur Schlosserwerkstatt und trat, ohne lange zu klopfen, ein. — „Seid gegrüßt, Gevatterin, sagte er mit einer möglichst mitleidigen Miene. Ich nehme den größten Antheil au Eurem Schicksal und Ihr habt nur über mich zu befehlen."
„Danke, Meister."
„Ihr wäret mir böse, daß ich Eurem Gesponsen zur Flucht ffeth. Und seht nun doch, es wäre gut gewesen."
„Aber nicht recht, die Unschuld hätte leiden müssen."
Wurmbach zuckte die Achseln. — „Ihr möget Recht haben, sagte er; aber ich meinte es gut mit ihm und Euch und fürchtete, daß er schuldig sei."
„Ihr!" ries Martha.
„Freilich, Gevatterin, ich weiß ja, daß er mit dem fremden Räuber — Ihr wißt ja — schon die Flucht adgeredet hatte — daß ec für die Schatzkammer die Schlösser anlegte; ich konnte mir gleich denken, daß nur er allein aus so geschickte Weise in die Schatzkammer gedrungen sein konnte, die Noch halte ihn freilich dazu gebracht; aber seht Ihr, der Rath muß ihn vernrtheilen, es wird Nicht lange mehr gehen, daun seid Ihr Wiltwe; ja, ja, weint nur, Gevatterin, weint und macht Euch darauf gefaßt. Denkt aber auch an Eure Kinder, Ihr und sie tönnten nicht hier vleiven, man verachtet die Kinder der Gerichteten."
„Schrecklich! rief das unglückliche Weit', schweigt mir davon; ist das Euer Trost?"
„Was Hilst hier Trost, Martha, sagte Wurmbach mit dem süßesten Tone, dessen er fähig war. Da ist nichts zn ändern und Ihr mnßr Euch in das Schicksal fügen und entweder, wenn Ihr hier bleibt, mit Fingern ans Euch deuten lassen, ans Euch und Eure Kinder, denen man bis an ihr Lebensende ins Gesicht schreien wird, daß ihr Vater als ein Dieb anf dem Richtplatz gefallen sei, oder Ihr verlaßt Bettel »nd gebt den Kindern einen andern Vater. Martha wollte sich unwillig wegwenden. Ihr werdet wieder böse, Martha, Ihr wißt, was ich sage» will; aber Ihr mißkennt meinen Antrag. Ja, ich liebe Euch, eS ist wahr, ich liebte Euch schon lange, allein ich bin auch Kilians Freund und möchte der Vater seiner Kinder sein, wenn er nicht mehr ist. ich möchte ihre Zukunft sichern und Euch ein gesichertes LvoS bieten."
Martha hatte den Worten des Hansirers mit wettselnden Gefühlen zugehört; allein es ichien ihr doch, trog ihrem natürlichen Widerwillen gegen ihn, daß er nicht io schlecht sei. als er ihr geschienen. Sie reichte ihm deßhalb »ich! ohne Herzlichkeit die Hand.
„Gevatter, sagte sie, verzeiht, wenn ich Euch mißkannt; aber dringt nicht in mich. Noch steht sein Schicksal in Gottes Hand und es wäre Sünde, zu verzweifeln. Wen» Gottes Naihschluß das Schreckliche geschehen läßt, so wird er mich erleuchten."
„Ja, Martha, Ihr müßt so handeln, wie ich Euch gesagt, denkt drum an meinen Vorschlag! Nochmals faßte ec ihre Hand und de» Arm um ihre Hüfte legend, flüsterte er: Und denk' an deinen Freund!"
„Laßt mich! laßt mich!" erwiderte Martha, indem sie seine Hand und seinen Arm von sich schleuderte und den Hanfirer mit strengem Blicke maß, doch aber ohne Zorn.
Wnrmbach faßte sich. — „Verzeiht, Gevatterin, verzeiht meine Liebe und lebt wohl!"
Er verließ die Werkstatt, allein ein höhnisches, selbstzufriedenes Lächeln umspielte seine Lippe». — „Die spröde Schöne, sagte er zu sich, hat sich doch sangen lassen. Baumelt erst der Herr Gevatter, so wird sie schon mit mir ziehen und für die Würmchen ist der Rhein ja tief."
Martha war indessen nach einigen Tagen zu ihrem Galten gelassen worden. Die Untersuchung war geschlossen. Das Ge- ständniß des Schlossers hatte sie beschleunigt. Schon war der Gerichtstag bestimmt. Dank der Sorge des greisen Pater Martin waren der Schlosser und sein Weib Martha auf Alles gefaßt. Auch sie sprachen von dem traurigen Schicksal der fünf Kinder, wenn sie durch den Endspruch der Richter vaterlos werden sollten. Allein die Thcilnahme der Nachbarn Martha's, welche bei ihren Hülfeleistungen, bei ihren Unterstützungen so recht Alles zu vermeiden wußten, was das arme Weib verletzen und schmerzen konnte, und immer noch die Hoffnung auf die Milde der Richter — das Alles flößte Trost ein. (Forts, f.)
— Dummköpfen und Narren gegenüber gibt eS nur einen Weg, seinen Verstand an den Tag zu legen und der ist, daß man mit ihnen nicht redet. Freilich wird alsdann in der Gesellschaft Manchem bisweilen zu Muthe sein wie einem Tänzer, der auf einen Ball gekommen, wo er lauter Lahme anträfe! mit wem soll er tanzen? (Schopenhauer.)
Druck und Verlag der G. W. Zaiser 'scheu Buchhandlung. Redaktion: Hölzl <