Der gute Vater Max, wie die Baiern ihren erste» König wegen seiner Herzensgute n»d wegen seines blühenden Familienlehens nannten, war ein großer Freund der Natur und alles Natürlichen. Er durchwandert jeden Morgen mit raschen Schritten die reizenden Partien des Schloßgarkens; denn die Leibärzte, welche dem Anwachsen des königlichen EmponpointS begegne» sollten, wußten ihrem gesnndeu Patienten, der sich von dem reichlichen Genüsse der Tafelfreuden nicht abhalte» ließ, keinen andern Rath zu geben, als daß er sich häufige und lebhafte Be- wegiing in freier Luft mache.
Es war vier Nhr geworden, und man ging z» Tafel. Graf Seefeld, ein alter, sehr bevorzugter Freund des Königs, Truchseß und Ceremonicnineifter, war heute zu Tafel geladen worden, und der König freute sich schon auf die pikanten Nettigkeiten, welche der Graf gewöhnlich milzubringe» und bei Tische preiSzn- geben pflegte. — Nachdem er manche Geschichten erzählt, die zum Theil für den lachenden Monarchen componirl sein mochten, kam daS Gespräch auf des Grafen letzte Abwesenheit von München, und der König fragte, ob er die Zeit auf seine» Gütern zugc- brachl habe.
„Zum Theil, Majestät!" erwiderte der Graf, einige Wochen lang aber durchstöberte ich mit meinem beiden Söhnen das baie- rische Hochgebirge, und wir ließen es uns gut gehen in Niederaudorf bei dem Prälaten, da wir im dortigen Kloster unser Absteigequartier genommen hatten und fast jeden Abend wieder dahin zurückkehrten."
„Die geistlichen Herren zu Niederaudorf," meinte General Graf Haller, der mit an der Tafel speiste, „haben vortrefflichen alten Wein und eine ausgesuchte Küche."
„Doch wohl nur für Besuchende," fügte der Erzbischof Baron Gebsattel bei. der ein häufiger Gast z» Npmphenbnrg war — „denn für ihren Tisch haben sie Mäßigkeit und Einfachheit gelobt, und ich glaube —"
„Nun. was mich betrifft," fiel der General lachend ein, „so muß ich Eminenz widersprechen, denn ich vermuthe, baß die geistlichen Herrn wohl so vernünftig sind, die vortreffliche» Got- tesgabe», die ihnen dort wachsen und gedeihen und gleichsam in den Mund hinein hängen, nicht ungenofle» zu laßen — im Ge- gentheil halte ich sie für geübte Feinschmecker und tapfere Weinvertilger."
Die Königin, welche jetzt fürchtete, daß die Herren das für den Erzbischof peinliche und am Ende ihrer eigenen Würbe unzuträgliche Gespräch noch steigern möchte», um so mehr, als der König selbst ein Wohlgefallen an ausschweifenden Späßen hakte, stieß ihren Gemahl leise mit dem Ellbogen an, worauf dieser, solchen Winken stets gehorsam, die Unterhaltung rasch auf ein anderes Gebiet lenkte. Er fragte den Grafen Seefeld, was er denn für Ausbeute von seiner Reise mitgebracht habe.
„Für die Wissenschaft, Majestät, nichts von Interesse," erwiderte der Graf. „Unsere Reise galt nur dem Vergnügen; unsere Naturforscher, Entomologen, Mineralogen und wie sie alle heiße», die gelehrten Forscher und Grübler, haben ja das Innere unserer Berge schon genugsam durchwühlt und anderen Christenkindern keine Entdeckungen mehr zu machen übrig gelassen. Aber eine Merkwürdigkeit haben wir dennoch —"
„Endeckt!" fragte der König mit etwas sarkastischer Miene, denn er mochte seinem Ceremonienmeister keine sonderlichen Ent- deckungsgaben zutrauen.
„Nein, Majestät!" saqte dieser etwas vikirt, ich gebe mich nicht mit Entdeckungen ab, man kommt dabei oft auf gar verdrießliche Dinge. Was ich Eurer Majestät als eine Merkwürdigkeit bezeichne, ist etwas in der dortigen Gegend sehr Bekanntes, für uns aber ein Phänomen, nämlich: die gröbste Frau im Königreich Baier», vielleicht in ganz Deutschland."
„Parbleu!" rief Graf Haller, „die Person muß grob, kolossal grob sein, um solches Prädikat zu rechtfertigen, denn an groben Leuten ist unser gesegnetes Heimathland wahrlich nicht arm."
„Und wer ist denn dieses wenig anziehende Weib?" fragte die Königin.
„Sie ist die Wirthin zu Fischbach," erwiderte Graf Seefeld, einem hübschen, am Fuße der Hochgebirge gelegenen Kirchendorfe "
„O, ich kenne den Ort," versetzte der Erzbischof. „Er liegt gegenüber Windshauscn, der Inn zieht sein Silberband durch das liebliche Thal?'
„Ganz recht," bestätigte Seefeld, „und eben ans dem Inn bezieht die Wirtbin von Fischbach die delikaten Hechte und Karpfen, in deren Zubereitung sie eine so große Virtuosität besitzt, baß man von weit und breit herkommt, um ein seltenes Fischgericht, gewürzt mit den originellen Grobheiten der Wirthin, zu genießen."
„Und habe» Sie selbst Proben von dieser sonst unfchmack- haftcn Zuthat erhalten?" fragte die Königin.
„Allerdings, Majestät, und die Grobheiten waren so ursprünglicher Nainr —"
„Erzählen Sie, rief man von mehreren Seiten.
„Ich muß bedauern, erwiderte Seefcld, „in Gegenwart Ihrer Majestät und der Damen überhaupt nickt mit den Ein- zeliiheiteit metner gemachte» Erfahrungen dienen zu können — die Ausdrücke dieser Frau sind lakonisch aber unzweideutig gewesen, und jedenfalls derber als ick deren gehört.
„Abscheulich!" murmelten die Damen.
„Das Weib muß ich kenn-ii lernen," versicherte General Haller.
„UebrigenS," fuhr Seefeld fori, „soll sie Tage haben, a» denen sie weniger wortkarg, sogar gesprächig, aber darum nicht minder grob ich Ihre Antworten sind oft geistreich, schlagend und voll Salz."
„Prächtig!" rief der König, „diese Frau inkeressirt mich. Ich will eine Probe von ihrer berühmten Grobheit haben. Schon längst bitten mich die Geistlichen vom Kloster Andorf um einen Besuch, der Prälat hat sogar mein Versprechen."
„Dann müssen Majestät auch Wort halten, drängte der General.
„So jsts, und werde daher in den nächsten Tagen eine Excursion nach Kloster Audorf macke» und in Fischbach Hechte essen — "
„Und uns Grobheiten holen!" ergänzte der General; „denn Eure Majestät werden wohl erlauben, daß ich im Gefolge sei?"
„Natürlich!" lackte der König, „und ich hoffe, daß die Wirthin an meinem Haudegen ihren Mann findet."
„Soll sich in Acht nehmen!" drohte der General.
„Aber, lieber Max." warf die Königin ei», „Du wirst doch nicht im Ernste —"
„Nach Fischbach reisen und mir Grobheiten holen, meinst D», liebe Karoline? Gewiß, ich brenne darnach, dieses merkwürdige Exemplar von einer Wirthin zu sehen."
„Aber doch jedenfalls wirst Du die Reise incognito machen?"
„Wo läge denn die Pointe? Nein, liebe Karoline, die Fra» muß wissen, wer ich bin, und gerade dann wird es sich zeigen, ob ihre grobe Laune naturwüchsig ist oder nur ein angenommene» Wesen, vielleicht Spekulation, um Neugierige anzuziehen."
„Urweltlick, Majestät!" «es Seefeld. „Vorsünbfluthlich! und ick wette Hab und Gut, daß sie zwischen Eurer Majestät und dem ersten besten Gaste, der ein Glas Bier verlangt, nicht den geringsten Unterschied zu machen Belieben tragen wird."
„Desto besser," erwiderte König Max, dann ists eine Or- ginalität, und solche inieresstrt mich, wo ich sie immer finde. Es bleibt dabei, meine Herren, ich reise nach Kloster Audorf und mache einen Halt in Fischbach."
Ein leichtes Achselzucken der Königin zeigte, daß sie das Vorhaben ihres Gattin mißbillige; sie hoffte jedoch, ihn unter vier Angen anderen Sinnes machen zu können. Aber rießmal gelang es ihr nicht wie sonst — die beschlossene Reise wurde ausgeführt. _ (Forts, s.)
— Bei einer Trauung sagte der Pastor, der mehrere Paare zu trauen hatte, nachdem er an den Altar getreten war: „Alle diejenigen, welche sich zu verheirathen wünschen, belieben aufzustehen." Darauf erhoben sich alle anwesenden ledigen Frauen von ihren Sitzen.
Räthsel.
Lieber Freund! o hör' mir zu:
Ich bin ich, und ich bin du.
Ich bin er, und ich bin sie.
Aber etwas bin ich nie.
Ich bin mein, und ich bin dein.
Ich bin ihr, und ich bin sein.
Aber niemals allgemein,
Rathe nun, was kann ich sein?
Druck u»d Verlag der G. W- Zaiser 'scheu Buchhandlung- Redaktion: Hölzle-