C a p 1 a l.

(Schluß.)

Während dies im Gerichtssaale geschah, erzählte Captal sei­ner Mutter die Begebenheiten seines Lebens, zeigte ihr das Bild­lich seines Vaters, welches die Gräfin auf de» ersten Blick er­kannte, und wollte eben von seiner Ankunft in Paris berichten, als der Präsident mit Pierre zu den Glücklichen zurückkehrte.

Dieser, theure Mutter," sprach Captal, indem er auf den jungen Zigeuner deutete,dieser ist Pierre, der so treulich zu mir gehaltrn und mich immer so geliebt hat, daß ich mich nie­mals wieder von ihm trennen werde. Du mußt ihn lieben, wie ich, denn ohne seine Hilfe hätten wir uns vielleicht niemals wie­der gefunden."

Er sprang auf, eilte auf Pierre los, umschlang ihn mit dem Arme und führte ihn mit freudestrahlendem Gesicht zu der Mut­ter, welche mit herzlichen Worten dem Jünglinge ihren Dank aussprach. Dieser aber wies ihn lächelnd zurück, indem er meinte, daß er Captal mehr Dank schuldig sei, als dieser ihm.Wenn ich ihn nicht fand, so wäre ich gewiß ein recht nichtsnutziger und unverbesserlicher Taugenichts geworden," sagte er.So aber hat er mich durch seine Lehre und sein Beispiel schon zu einem leiblichen Menschen gemacht, und ich hoffe, es wird ihm mit Gottes Hilfe gelingen, mich noch ganz und gar ans den Schlin­gen des Bösen zu reißen!"

Aber nun erzählt mir nur," sagte die Gräfin,wie Gott Euch endlich auf die rechte Spur geleitet hat, so daß Ihr mich fandet und mich dadurch so glücklich machtet."

Das Wiedersehen," nahm der Präsident das Wort,ist ohne Zweifel der Lohn für Captals redliche Tugend. Gott hat Alles wunderbar gefügt!"

Und nun erzählte er, wie Captal unschuldig gefangen ge­nommen und in bas Gefängniß geworfen worden sei, wie er es verschmähet habe, mit den übrigen Gefangenen zu entfliehen und wie dadurch seine, des Präsidenten, Theilnahmc so lebhaft auf den Knaben hingelenkt worden wäre, daß er sich für das Schick­sal Captals auf das Angelegentlichste iutercssirt hätte.

Wenn Captal mit den übrigen die Flucht ergriff, wenn er nicht Gott vor Augen und im Herzen hatte und in keine Sünde willigte, so würde er, nach menschlicher Einsicht wenigstens, nie­mals seine Mutter wiedergefuuden haben. Er batte Paris für immer verlassen müssen, und einmal abgewicheu vom Pfade der Tugend, wäre er vielleicht, ja wahrscheinlich, niemals wieder auf denselben zurückgekehrt. Denn nur zu oft habe ich das Spruch- wort wahr gefunden, das da lautet:Hai dich der Teufel, d. h. die Sünde, nur erst bei eine», Haare, so hat er dich bald auch ganz." So aber, da Captal standhaft duldete, und lieber Un­recht leiden als Unrecht thuu wollte, hat Gott ihn mit der himm­lischen Freude begnadigt, daß er seine Mutter, und mit ihr ein hohes irdisches Glück fand."

Und ihm, dem Datei über den Wolken, sei Lob, Preis

und Dank dafür dargebracht in Ewigkeit!" sagte die Gräfin, in­

dem sie von Neuem ihren guten Sohn in die Arme schloß und eine Thräne der Freude auf sein Haupt weinte.

Ja, ihm, dem gerechten Richter müssen wir in Dcmuth lobsingen," sagte der Präsident mit einem Blick nach oben.Er entlarvte den Verbrecher und ließ die Sünde ihren eigene» Herrn strafen; erzog das Verborgene an bas Licht; er zeigte uns Allen den Weg zur Freude und belohnte den Guten und Frommen mit der Fülle der höchsten Glückseligkeit! Beugen wir uns nieder in den Staub und beten ihn an, den allmächtigen Vater, der alle

Dinge mit großer Weisheit zu dem besten Ende führt."

* *

Während die beglückte Mutter und ihr nicht minder glückli­cher Sohn in stiller Freude ihre Seligkeit genossen, ereilte die Verbrecher das Loos ihrer Thaten. Graf Cecil wurde seiner Güter, welche der Gräfin Darville und Captal als Eigenthum zugesprochen wurden, verlustig erklärt und er selber ward auf zeitlebens z» den Galeere» verurtheilt. Rollet aber kam mit einer gelinderen Strafe davon, indem er nur auf drei Jahre iu die Festung gesperrt wurde, wo er Zeit genug hatte, seine Sün­den zu bereuen. Captal unterstützte ihn während seiner Gefan­genschaft auf alle mögliche Weise, und verlieh ihm später, da er unverkennbare Zeichen von Besserung gegeben hatte, die einträg­liche Stelle eines ForstaussehcrS auf einem seiner vielen Güter.

Das Eigenthum des Grasen Cecil nahm Graf Captal zwar an, schenkte cs aber gleich darauf dem Sohne des Verbrechers, welcher an den Thaten seines Vaters keine Schuld hatte.

Pierre durfte sich nicht wieder von seinem jungen Freunde trennen und erhielt sich nicht nur die Liebe CaptalS, sondern er­warb sich auch durch sein »»ausgeseßt treffliches Betragen die Achtung und Liebe der Gräfin Darville. Captal setzte ihm einen reichen Jahrgehalt aus n»d Pierre vergalt ihm das Geschenk, in­dem er mit vielem Geschick den Hausverwalter des jungen Gra­fen spielte und den Ertrag der Güter desselben auf alle mögliche Weise zu erhöhen suchte. Dies gelang ihm auch recht gut, da er keine Mühe scheute, sich die iiothige» Kenntnisse zu diesem End­zwecke zu erwerben.

Als die häuslichen Angelegenheiten zwilchen Captal und Pierre auf solche Weise einigermaßen geordnet waren, säumte Graf Captal keinen Augenblick länger, den Zoll der Dankbarkeit auch denen abzntrageu, welche ihn gewiß am meiste» verdienten. Ei» bequemer Neisewage» wurde zu einem ziemlich weiten Aus­fluge zurecht gemacht und an einem heiteren Svmmectagc setzten sich die Gräfin, Cavtal und Pierre hinein, »m sich in die Hoch­gebirge von Savvve» zu begebe». So weit es gebahnte Straßen gab, wurde die Reise m Wagen fortgesetzt; als aber die steilen und engen Gebirgspsade anhubcu, bestieg die Gräfin eine Sänfte, welche von Saumthieren getragen ward, und die beide» Jüng­linge schwangen sich auf mnthige Rosse, welche sie bald u, die Gegend trugen, wo das würdige Häuschen Vater Girouds, deS Savoyarden und seiner wackeren Frau Jeauuette iu seiner Ein­samkeit auf den Berger, thronte.

Welche Freude gab es, als das würdige Eh.vaar de» ge­liebten Pflegesohn wieder sah und vernahm, mit welchem Glücke Gott ihn gesegnet hatte! Vater Giroud lachte und Mutter Jean­nette weinte vor Wonne und lange dauerte cs, bis die einfachen treuen Leute mit Ruhe die Erzählung Capkais von seinen Schick­salen anhören konnten.

Als sie aber Alles vernommen hatten, da lobten und priesen sie Gott und dankte» ihm, baß er Alles zu einem so guten Ende geführt habe.

Der Herr hat dich gesegnet, Cavtal, weil du seine Gebote befolgt und treulich am Guten nub Rechten festgehalte» hast," sagte Vater Giroud.Laß es dir zur Lehre bienen und weise jede Versuchung zur Sünde von dir, welche dir, obgleich du jetzt reich und mächtig bist, gewiß nicht ferne bleiben wird. Der Reichthum Hai seine Gefahren wie die Arrnuth und mau vermei­det sie nur, werin man immer zu dem emvorblicki, von dem aller Segen und alles Heil ans die Welt hernieberströmt!"

Captal versprach dem alten treuen Manne, seine Lehre nicht zu vergessen, und verlebte mit seiner Mutter und seinem Freunde Pierre einige glückliche Tage bei den geliebten Pslegeeliern. Er suchte sie zu überreden, ihm nach Frankreich zu folgen. Da aber die alten Leute sich nicht von ihrer Heimat trennen konnten, so kaufte er ihnen ein schönes Gut, welches nicht weit von ihrem Häuschen lag, und schenkte es ihnen beim Abschiede.

Vater Giroud weigerte sich zwar, die reiche Liebesgabe all­zunehmen, aber Captal und seine Mutter bestanden so herzlich >und liebevoll auf ihrem Entschlüsse, daß der alte am Ende wohl joder übel nachgeben mußte.

Die Trennung erfolgte endlich, und obwohl es dabei nicht an Thränen fehlte, so waren es doch nur Thränen der Wehmutb und nicht des Schmerzes, welche den Augen entflossen. Captal versprach den guten Pflegceltern, sie alljährlich wenigstens einmal auf enr paar Wochen zu besuchen, und dies diente nicht wenig zur Sänftigung aller der bitteren Gefühle, welche immer den Ab­schied von geliebten Freunden zu begleiten pflegen.

Der junge Graf hielt Wort. So oft der Sommer wieder­kehrte, flog er in die Gebirge von Savoyen und freute sich des Wiedersehens derer, die ihn in seiner zarten Jugend ausgenom­men und gepflegt hatten.

Die Lehren des alten wackeren Giroud vergaß er nimmer, und so lange er lebte, gedachte er des Spruches, der da lautet:

Habe Gott vorAugen und im Herzen dein Lebc- lang, unbhüte dick, daßdu in keiueSünde willigest noch thuest wider Gottes Gebote."

Druck und Verlag der G. W. Zaiser 'scheu Buchhandlung- Redaktion: Holzte.