„Herr Präsident," sagte ne mit schwacher stimme, aber inil einer Entschlossenheit, welche deutlich bewies, daß sie de» Sinrm übcrstaudeu habe, — „Herr Präsident, ich zweifle jetzt nicht mebr, daß Sie genaue Kunde vom Schicksale meines theu- ren. geliebte» Lohnes haben. Ich bitte Sie, ich flehe Sie an, verhehlen Sie mir nichts mehr und nennen Sie mir den Ort, wo er sich befindet, damit ich zu ihm fliegen, ihn Wiedersehen, in meine Arme schließen kann."
„Aber wurde» Sie ihn auch erkennen, Frau Gräfin?" fragte der Präsident lächelnd. „Er ist nicht mebr der kleine Knabe von fünf Iabre», sonder» mittlerweile ein hübscher, starker Jüngling geworden."
„O mein Gott, so haben Sie ihn gesehen!" rief die Gräfin außer sich.
„Ja, und wenn Sie sich stark genug dazu fühlen, so sollen Sie ihn auch sebcn."
„O, ich bi» stark!" rief die Gräfin, indem ihre Wangen glühten und ihr Auge »mherroüle, als ob sie alle Winkel dcS Gemaches durchforschen wollte. „Ich bin stark wie eine Löwin. Wo, wo ist mein Kind, mein Captal?"
Der Präsident begab sich an die Thür, welche wir kennen, öffnete sie, und Captal, das schöne Gesicht von Thränen über- strömt, stürzte bcrvor und mit einem Freudenschrei der beseligten Mutter zu Füßen. Diese bob ihn ans, betrachtete mir fliegenden blicken sein Auge, seine Züge, seine blonden Locken, zog ihn an die Brust, drückte ihn an sich, weuile, schluchzte, stammelte abgerissene Worte, bis sie endlich, vor Freude erschöpft, halb ohnmächtig in die Arme ihres Sodnes fiel.
Die Augen des Präsidenten wurden feucht, als er dieß rührende Schauspiel betrachtete. „Komm," sagte er zu Pierre, der sprachlos neben ihm stand, und wie er das Glück der Mutter und des Sohnes in seiner Seele fühlte, „komm, wir haben hier weiter nichts zu ihnn und die beiden da werden auch lieber allein ihre Gefühle anslanschen wollen. Komm, komm, wir wolle» ans diesem Himmel der Gerechten in die Hölle der Sünder hinabsteige», deren Herzen nicht so freudig schlagen werden, wie die Herzen von diesen hier!"
Ter Präsident begab sich in GerichtSstnbe zurück und befahl, daß ohne Zögern der Graf Darville vorgesnhrt werde. Er kam und wurde blaß wie der Kalk an der Wand, als er de» Zigeuner, den Zeugen seiner Schändlichkeiten, erblickte, welcher ihn mit dem frohlockenden Auge der befriedigten Rache durchbohrte. Der Präsident begann sogleich das Verhör, und der Verbrecher verwickelte sich bei seiner Verwirrung i» so viele Widersprüche, daß er endlich seine abscheulichen Thalen ohne Rückhalt eingestehen mußte. Hierauf wurde er sowohl wie sein Todfeind, der Zigeuner, gefangen abgesührt, um in den nächste» Tagen ihr Urtbeil anS den Hände» des Königs zu empfangen. (Schluß f.)
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^ ^ Sages-Neuigkciten.
Tübingen, 4. April. (Schwurgericht.) Im NagolLthale, wo die Straße von Calw nach Pforzheim führt, ist das sogenannte Lcitcrsbach. thal und bildet cs eine Strecke weit eine enge, mit bewachsenen Abhängen begrenzte Schlucht. Hier bcmcrlte der Straßenwart «chroekh von Hohenwart im Amtsbezirk Pforzhcun und sein Sohn, welche auf einem Holzabfuhrwege liefen, einen innerhalb mit Blut besudelten Mantel. Bel weiterem Nachsuchen fanden sic cimgc Schritte davon in einem dichten Tannengcbüsch versteckt den .eichnam eines älteren Mannes. Der Sohn ging fort und machte Anzeige, so daß bald das Gericht aus Pforcheim zum Augenschein hcrbcikam. Die Leiche lag am Abhänge auf dem Rücken, der Kopf nach unten, die Füße aufwärts und das Gesicht mit Blut bedeckt. Oben am Rande des Abhangs in der Nähe des F ißwegcs von dem bad. Ort Huchenfeld nach Unterreichenbach war eine trockene Blutlache. Die Kleider an der Leiche waren von gutem Tuche; Kopfbedeckung, Stiefel und Socken fehlten. Am Goldfinger der linlcn Hand war ein massiver goldener Ring, auf dessen Platte 6. 8. und auf der innern Seite: „den 25. Juli 1827" cingravirt war. Auf ein m Papicrstück in der Rocktasche stand: an Schultheiß Schöllhammer in Altbulach. Bei der Leichenschau ergab sich, daß namentlich am Kopfe viele Wunden waren. Nach Ablösung der Ko: (schwarte zeigten sich bedeutende Blutergüsse, das Stirnbein war zersprungen, das linke Schläfenbein, sowie das rechte, war in größere und kleinere Stücke zertrümmert u. s. w., so daß die bad. Gerichtsärzte dieser Zertrümmerung des Schädels und der dadurch erfolgten Gc- hirnlähmung einzig und allein den Tod zuschricben. Die Zertrümmerung geschah mit einem massigen, eckigen, mit großer Gewalt geführten Werkzeug. Die Vermuthung, daß der Erschlagene Schulih. Schöllhammer sei, wurde durch dessen hcrbeigerufcncn Verwandten bestätigt. Er zählte 62 Jahre. Er war in Gemeindeangelegenheiten in Stuttgart, von wo
er am !». Dez. vor. I. mir rer Eisenbahn nach Pforzheim fuhr, um von da zu Fuß heimzugehcn. Auf dem Wege nach Huchenfeld und Unterreichcn- bach wurde er in Begleitung eines jungen, schlecht gekleideten Burschen geiehcn, welcher nachher allein in Unterreichcnbach ankani. Es ergab sich, daß dieser Mensch der A. Ehr. Fr. Kull von Neusatz war, den man am 15. Dez. dann daselbst verhaftete. Er ist der Sohn eines Zimnieimanns. Nach seiner Confirmation erlernte er in Neuenbürg die Flößerei. Er wurde gut gehalten und soll er namentlich viel Geld in die Hand bekommen haben. Schon in Neuenbürg, wie auch beim Militär, zu dem er im Jahr 1861 kam, mußte er wegen Trunkenheit, groben Benehmens re. bestraft werden; doch führte er sich im Allgemeinen ordentlich auf, sowie er aucb thätig war. Gegen Ende des vor. I. ging aber eine sehr unglückliche Umwandlung mit ihm vor: er ergab sich dem Leichtsinn, der Faulheit und dem Wirthsbausbesuchc. Da er wegen Schulden mit Ere- kution bedroht werde, so nadm er seine Zuflucht zum Verbrechen, womit er am 2. Dez. v. I. Nachts begann. Er glaubte, der alt Adlerwirth Mceh in Neuenbürg, der allein wohnte, habe Geld. Er versuchte, denselben vom Hause wcgzulocken, um ihn dann mit einem bereitgehaltencn Steine todtzuschlagkn, damit er nachher in dessen Haus stehlen könne. Es ging aber nicht; von hier aus ging er sogleich zum Haus des Obersteigers Jungk, der mit seiner Fra» etwas außerhalb ecr Stadt wohnte, um es ebenso zu machen. Er rief demselben von der Straße aus zu: er solle ins Schiff gehen, da ein Herr auf ihn warte. Während nun Jungk deß- wegen das Haus »erließ und auf dem Trottoir am Ufer der Enz hinging, schlug ihn der A. meuchlings mit einem schweren Stein an die Schläfe, um ihn zu tödten. Jungk stürzte betäubt nieder, stieß aber zugleich einen heftigen Schrei aus, so daß der Thäter schnell davon sprang, zumal Jungk sich wieder aufrafftc. Dies Mißlingen schreckte den A. nicht ab, sondern bestärkte ihn gleichsam noch in der Mord- und Raubsucht und er trieb sich zu diesem Zweck in der Gegend von Pforzdeim und Neuenbürg umher. Am 7. Dez. gegen Abend wollte er wieder nach Neusatz und auf dem Wege dahin von Schwann aus stieß er auf den Juden Löb Mapcr von Malsch und dessen Sohn, welche vom Pforzhcimer Markt kamen und zwei Stück Vieh trieben; der A. gesellte sich zu ihnen und hoffte hier aus reiche Beute. Als man durch einen Wald kam, blieb der A. etwas zurück, bewaffnete sich mit einem faustgroßen Stein, lief dann wieder mit Maper und versetzte ihm unversebens einen Streich an den Kopf, um ihn zu erschlagen. Der Getroffene stürzte za Boden, worauf der Thäter auf den umgc» Maper lcsspraug. Dieser suchte ihn mit seinem Stecken abzuwehren und nun kam auch der alte Maper, der sich wieder avfgcrafft hatte, herbei und scklug nach dem Angreifer, welcher jetzt in den'Wald daeon sprangt (Schluß folgt.)
Tübingen, 6. April. (Schwurgericht.) Heute wurde der Kaufmann Job. Beruh. Steinbilder von Bodelshausen wegen betrügerischen BankerottS zu 3jährigen, Arbeitshaus verurtheilt.
Aus dein Oberamt Frendcnstadl 3. April. Im Holzhandel immer noch totale Stille, dagegen ist der Abgang von Hopfenstangen nach Rheinprcnßen und Frankreich viel bedeutender als in irgend einem der vorigen Jahre.
In Freudenstadt wurden am ll. April 3 Stadtthore, das Stuttgarter, Loßburger und Hirschkopfthor auf den Abbruch verkauft.
Pforzheim, 5. April. Am Samstag schlug während eines Gewitters der Blitz in den hintersten Personenwagen des von Karlsruhe kommenden Eisenbahnzugs. Der in demselben befindliche Wagenwärter war eine Zeitlang bewußtlos; die Passagiere kamen mit dem Schrecke» davon.
München, 4. April. Unsere Stadt ist gegenwärtig der DurchzngSpnnkt der flüchtigen Polen. Die Schaaren dieser Männer und Jünglinge sind seit einigen Tagen im Wachsen begriffen. Gestern kamen hier 500 Mann an, während ebenso viele wieder unsere Stabt verlasse» mußten. Nach Mittheilungen aus Polen werden 5 — 6000 Flüchtlinge Bayerns Boden berühren.
Vor 21 Jahren wanderte der Sohn einer armen Wäscherin in H a n n o v e r nach Australien ans, schrieb noch einmal und ließ seitdem nichts wieder hören. Am Gründonnerstag kam bei der Mutter ein Brief an, der ihr mittheilte, daß ihr Sohn gestorben sei und sie und ihre Tochter zu Erbe» seines Vermögens testa- menklich eingesetzt habe. Das Vermögen beträgt 5—600,000 Thaler.
Frankreich. Selbstmorde wurden im Jahr 1862 nicht weniger als 4770 ermittelt fl316 mehr als im Vorjahre), nämlich 3764 von Männern und 1003 von Frauen. Auf jeden Tag kommen durchschnittlich über 13 Selbstmorde.
Der Sultan ist neulich auf der Jagd dicht vor den Thoren Constantinopels von Räubern rein ausgeplündert worden; da sein Gefolge weit voraus war, so mußte er Flinte, Uhr, Gold und Ring hergeben. Ich bin der Sultan! rief er wülhend aus. Die Räuber lachten ihn aus: warum sichst Du nicht besser aus Recht und Ordnung!
Auslösung der Charade in Nr. 29:
_ _ D e g c n s p itz e. __
Druck un: Perlag der <8- W. Laiser'schen Buchhandlung. Redaktion: Hol jl«.