Ein preußischer Offizier berichtet vom 20. März: Die Da- i nen haben die Gefangenen schändlicker Weise zum Schanzcnban! im heftigsten Feuer verwandt. Gestern entwischten 8 Oestreicher und 2 rothe Husaren durch die Scharte, davon wurden 7 Oestrei- chern durch nachgeschickte Kugeln ereilt, der 8te und die beiden Husaren entkamen glücklich. Auch viele dänische Krankenträger sind zu uns übergegangen und bringen die Verwundete» vom Felde zu uns herüber, statt in die Schanzen.
Auch in der Schweiz haben die Deutschen am Ostermontag Versammlungen wegen Schleswig-Holstein gehalten, so namentlich zu Zürich. Es wurden daselbst die vom LecbSnnddreißiger- AuSschuß empfohlenen Resolutionen mit überwiegender Mehrheit angenommen, während einzelne Redner eine Verschärfung derselben gewünscht hätten.
Paris, 30. März. Ter Assisenhvs hat in seiner heutigen Sitzung Mazzini wegen Theilnahme an dem Eomvtott Grecv's und Genossen in contumaciam zur Deportation verurtheilt.
Turin, 26. März. Die Reise Garibaldi's gibt fortwährend zu den verschiedenartigsten Vcrmuthnngen Anlaß. Man glaubt, ihr Zweck sei neben der Wiederauffrischung der britischen Sympathien für Italien hauptsächlich dahin gerichtet, die finanziellen Mittel für irgend eine Expedition aufzubringen. — Neuerdings werden Klagen laut, daß die römische Kurie die Anwerbung von Räubern, die dann ins Neapolitanische geschafft werden, begünstige.
C a p 1 a l.
(Fortsetzung.)
Aber auch dieser Wuthansaü dauerle nicht lange. Rollet erinnerte sich, daß er ein starkes Messer in seiner Tasche habe, und zog es heraus, um sich mit diesem einen Ansgang ans dem Gewölbe zu bahnen. Mit zitternden Hände» tappte er an der Wand herum, in welcher das Fenster befindlich war, und suchte nach den Fugen zwischen den Steinen. Hier kratzte er mit dem Messer und seinen Nägel» den Kalk heraus, der von der Feuchtigkeit durchweicht, ihm keinen großen Widerstand darbot. Selbst einzelne Stücke von den Steinen brach er mit verzweifelter Anstrengung los, und machte auf solche Weise mehrere Löcher, vermittelst denen er, mit Hand und Fuß sich anklammernd, die Mauer erklimmen konnte. Weiter aber ging die Arbeit freilich schwerer von Statten, da er nur eine Hand dazu gebrauchen konnte, indem er sich mit der andern fest halte» mußte. Aber sein Rachedurst und die fürchterliche Angst vor dem Hnngcrtode, den er vor Augen sah, gab ihm Kraft, bas schwierige Werk zu vollenden. In wenig mehr als einer Stunde war es geschehen, und mit der katzengleichen Gewandtheit, die in der Regel den Zigeunern eigen ist, klimmte er bis zu dem Fenster hinauf. Er schlug die blinden Scheiben i» Stücke und schaute hinaus, in's Freie. Sein Blick fiel auf einen weite», mit tausend kleinen Hügeln besäeten Platz, der ringsum von einer ziemlich hohe» Mauer umgeben war. Dem Fenster schräg gegenüber befand sich eine verschlossene Thür, und ihr ganzes Aussehen zeigte, daß sie seit langer Zeit nicht geöffnet worden war. Rollet schaute auf einen verlassenen, unbenutzt liegenden Begräbnißplatz, und die Hoffnung, Laß sein Geschrei ihm Hilfe und Rettung verschossen würde, verschwand. Ueber diesen weiten Raum hinweg drang seine Stimme nicht; und selbst, wenn es der Fall gewesen wäre, was würde es ihm geholfen haben? In diese öde Gegend kam gewiß oft in Wochen kein Mensch, und Rollet sah ein, daß er dem Hungcr- tode nicht entgehen würde, wenn es ihm nicht gelang, die eisenen Stäbe zu erbrechen, wie er die Fensterscheiben zerbrochen halte. Er rüttelte daran, aber sie schienen unbeweglich, und die Stangen waren fast einen Halden Zoll dick. Schon wollte er verzweifelnd i» das Gewölbe zurückspringen, als er sich noch zur rechten Zeit seines Messers erinnerte und den Versuch machte, den Kalk losznbröckeln, in welchen die Stäbe eingefugt waren. Es gelang, und besser, als er zu hoffen wagte. Der Kalk war morsch, verwittert, von Feuchtigkeit durchdrungen, und ließ sich schneiden, wie nasser Thon. Rollet arbeitete mit Hast und suchte sich einen Ausweg aus seinem Gefängnisse zu bahnen, wie eine Maus, die in der Falle gefangen ist und mit den Zähnen ihren Käfig zernagt. Tie Eisenstäbc wankte», er bog sic hinüber und herüber; endlich sielen sie und jauchzend vor Freude zwängte sich Rollet dnrch die Oeffnung. Sie war freilich nur eng und schmal; aber
der Zigeuner achtete nicht der geschundenen Haut, der zerrissenen Kleider. Er schlüpfte hindurch, flog mit Windeseile über die schon zum Theil eingesunkenen Gräber hinweg, überkletterte mit leichter Mühe die Kirchhosmauer und sah sich nun glücklich im Freien. —
„Jetzt, Gras Darville, zittere.'".sagte er mit dem Ausdrucke unauslöschlichen Haffes und im Vorgefühle der befriedigte» Rache. „Hast du mich verrathen, so will auch ich dich verrathen, nnd das Blutgerüst soll der Lohn deiner Schändlichkeiten sein!"
Mit flüchtigen Schritten eilte er davon und war bald in dem Schatten eines nahen Gehölzes verschwunden, baS ihn hinter seinen grünen Zweigen verbarg.
Während die erzählten Begebenheiten sich im Palaste des Grafen Darville zutrugen, saßen Captal und Pierre daheim in ihrem Kämmerlein und plauderten von den Hoffnungen, die immer glänzender nnd lichter sich vor Captats Augen auöbreileken.
„Wenn ich meine Mutter wiedcrsinde, Pierre," sagte er, „so darfst du dich nie wieder von mir trennen, sondern mußt mein glänzendes LooS mit mir theilen, wie du deine Armuth und Niedrigkeit mit mir kheilst. Wir werden treue Freunde sein."
„Gewiß," erwiderte Pierre, „wenigstens was mich angeht. Veränderte Verhältnisse verändern aber manchmal auch den Menschen, und wer weiß, ob du dich »och um mich, um Pierre, den armen Zigeuner kümmern wirst, wenn du ein reicher Graf geworden bist, und a»stalt in einer Kellerwohnung in den glänzenden Zimmern eines prächtigen Palastes wohnst."
„Pierre!" rief Captal hestig ans, „Pierre, wie magst du nur so sprechen! Wirklich, du kränkst mich tiefer als du glaubst! Nein, nein, Captal wird immer Capkal bleiben, mag er in einer Hütte ober in einem schönen Schlosse wohnen."
„Nun ja, ereifere dich nur nicht gleich," erwiderte Pierre lachend. „Wer weiß, wie lange wir noch bei einander wohnen! Die letzten Tage wollen wir nicht in Unfrieden verleben! Laß uns nicht mehr von der Sache reden! Heute Abend wird es sich ja entscheiden, nicht wahr, ob tu ein Graf wirst oder ein armer Mnrmelthicrführer bleibst."
„Ich hoffe cs!" cntgegneie Captal. „Rollet versprach, Punkt zehn Uhr meiner an der Kirche zu harren."
„Sv? Nun wir wollen das Beste hoffen!" sprach Pierre. „Aber höre, ich muß eben jetzt einen Ausgang machen und weiß nicht, wann ich znrnckkchrcn werde."
„Wohin willst du gehen?" fragte Captal.
„Zu einem Freunde, der nnS vielleicht gute Dienste thnt," antwortete Pierre lächelnd, indem er mit hurtigem Schritte davon eilte, um den weiteren Fragen des Knabe» auszuweichen.
Captal sah ihm ein wenig verwundert nach, griff dann »ach seinem Mnrmelihierkasten nnd ging auch davon, um sich in dem Getümmel der Menschen ein wenig die Zeit zu vertreibe».
Pierre schlug den Weg nach dem Hause des Polizei-Präsidenten ein, ließ sich bei ihm melden und wurde sogleich vorgelassen.
„Wir haben den Vogel," sagte er. „Rollet ist gefunden, und wenn Euer Gnaden sich seiner bemächtigen wollen, so bedarf eS nur weniger Anstalten dazu."
„Und wo können wir ihn finden?" fragte der Präsident lebhaft. „Ich nehme so viel Theil an dem Schicksale deS armen Knabe», der auf eine so bübische Weise um sein Glück betrogen worden ist, daß ich alles Mögliche anflücten werde, um ihn seiner unglücklichen Mutter znrückzngeben."
„Ich will Alles sagen, Herr Präsident, aber nur unter der Bedingung, daß Ihr nicht zu scharf gegen Rollet verfahrt," sagte Pierre. „Er ist nicht so strafbar, wie sein Verführer, und überdies gehört er zu meinem Stamme und nahm sich einst meiner an, als meine Eltern nicht mehr lebten und ich ein hilfloser Junge war."
„Seine Strafe wird nicht so strenge anssallen, da er nur einen Raub, nicht aber den Mord beging, zu welchem man ihn, wie es scheint, einst gedungen hat," erwiderte der Präsident. „Uebcrdieß wird die Strafe noch gemildert, wenn er ein offenes Bekenntniß abgibt, und es wirb ihm also auf keinen Fall an das Leben gehen." - - -.- (Forts, f.)
Auflösung der Charade in Nro. 27:
Fußvolk.
Druck und -Verlag der G- W. Lc> ise r'schen Vuchhaurlnust. Nedacli'o»: Hol zle.