C a p t a l.
(Fortsetzung.)
Die beiden Knaben, obgleich noch sebr jung, empfanden doch die Schönheit der Natur, die wie ein ungeheures Bilderbuch hier vor ihren Blicke» aufgeschlagen war.
„Es ist sehr hübsch hier! sagte Pierre, indem er sich um. schaute. „Hier möchte ich einen ganze» Tag bleiben, um mir alle die hohen Berge und tiefen Thäler recht genau anblickeu zu können."
„Und ich möchte viele, viele Tage hier bleiben," erwiderte Captal. „So schön ist es nicht einmal in unserem Garten, und wenn meine liebe Mutter hier wäre, so würde ich sie bitten, daß wir uns hier oben ei» Hans yinbaucn ließen."
„Ach, so schweig denn von deiner Mutter still, Captal!" sagte Pierre ein wenig heftig. „So oft du an sie denkst und von ihr sprichst, sängst du a» zu weinen und das mag ich gar nicht leiden. Siehst du wohl, da stehen dir schon wieder die Thränen in den Augen!"
„Ach laß mich doch weinen, Pierre!" bat der kleine Cap. tal mit rührender Webmnth. „Jetzt habe ich gerade Zeit dazu, weil Ella und Roller nicht da sind. Sieh, sie schlagen mich doch immer, wenn ich eine Thräne vergieße, und das macht mich osl so traurig, daß ich am liebsten gleich sterben möchte."
Der Schmerz überwältigte den Kleine». Er drückte sei» Gesicht i» das Gras hinein, und schluchzte so laut, daß es sei« nem kleinen Kameraden in der Seele wehe tbat. Doch hatte er schon bei ähnlichen Gelegenheiten bemerkt, daß Capkal sich durchaus nicht trösten ließ, sondern bei allen freundlichen und liebe
vollen Werten, die er zu ihm redete, nur »och heftiger weinte nud schluchzte. So saß er denn ganz still neben dem weinenden Cavtal und streichelte nur von Zeit zu Zeit seine weichen , blonden hocken, um ihm seine Theilnahme zu bezeigen.
„Was du für schönes, langes Haar hast, Captal!" sagte er endlich. „So schön habe ichS noch i» meinem ganzen Leben nicht gesehen."
„Ach, meine gute Mutter machte es mir aber auch immer so lockig »nd glänzend," sagte Eaptal, indem er sich ansrichtcte und bei der Erinnemng a» seine geliebte Mutter unter Thränen lächelte. „Jeden Abend setzte sie sich zu mir, oder nahm mich ans ihren Schoos, und streichelte meine Haar, wie dn, und küßte mich darauf, und liebkosete mich! Ach, meine gute, liebe Mutter, wenn ich doch nur bei ihr wäre!"
Der Knabe streckte sehnsüchtig die Arme anS, und fing dann wieder an, zn weinen, da er wohl einsah, wie vergeblich dieser sem heißer Wunsch war. Pierre dachte darüber nach, wie er wohl seinen lteinen Gefährten trösten könne, und da eben ein schöner glanzender Schmetterling vorüber flatterte, und sich nicht weit von ihm ans eine Alpenblnme setzte, so tippte er Cavtal ans die Schulter und flüsterte ihm zu: „Sieh, wie schön er ist!"
„Wer?" fragte der Knabe.
„Dort der Schmetterling! Siehst dn ihn den» nicht?
Captal wischte sich die Thränen ans de» Augen, und nach Kinderweise vergaß er über das bunte Insekt den Schmerz, der ihn »och eben so tief darnieder gebeugt hatte. —
„Den muß ich fangen, Pierre!" sagte er. „Gib nur Acht, er soll mir nicht entwischen! (Forts, s.)
Statutendes Jünglingvereins in Nagold. L863 I
tz. 1. Der Jünglingsverein in Nagold bezweckt Pflege ^ einer von christlichem Geist getragenen Geselligkeit »nd gegenseitige Förderung sowohl im Verständnis) des Wortes Gottes und in ! ander» nützlichen und bildenden Kenntnissen, als auch in christli« ^ chem Sinn und Wandel. !
tz. 2. In dieser Absicht hält er nicht blos wöchentliche Zusammenkünfte und leiht geeignete Bücher und Zeitschriften an seine Mitglieder aus, sondern sucht sich auch, soweit eS in seinen Kräften steht, in Werken thätiger Nächstenliebe z» üben.
tz. 3. Die Zusammenkünfte dcS Vereins finden in der Regel statt:
1) Sonntags nach der Abendkirche, thcils zu Besprechung eines biblischen Abschnitts, theilS zum Lesen der im VereinSlokal entfliegenden Zeitschriften und Bücher oder zur Beratbnng von Vereinsangclegenheiteu, bei schönem Wetter auch zu gemeinsame» Spaziergängen:
2) Mittwoch Abends zur Beschäftigung mit anderem belehrenden und unterhaltende» Stoff;
3) Freitag Abends zu einer Bibelstunde;
4) Samstag Abends zu Gesangübungen, — wobei jedoch spätere Veränderungen Vorbehalten bleiben.
Zur Belebung der Vcreinssache wird ferner ein Jahresfest gefeiert, zu welchem außer den Freunden des Vereins auch benachbarte JüuglingSvereine eingcladen werden.
tz. 4. Die Mitglieder sind verpflichtet, nicht blos die vom Verein dargebotenc» Gelegenheiten, zumal seine Zusammenkünfte, so regelmäßig als möglich zu nützen und der Vereinssache besonders auch durch Heranziehung neuer Mitglieder zu dienen, sondern auch außerhalb des Vereins die kirchlichen Ordnungen einzuhalten, sich eines ehrbaren Wandels zu befleißen und in ihrem Stand und Beruf treu und gewissenhaft zu sein.
tz. 5- Zur Bestreitung der nöthigen Ausgaben zahlt jedes Mitglied beim Eintritt 12 kr., sodann als regelmäßigen Monats« beitrag 6 kr. Mitglieder unter 18 Jahren sind zu keiner Zahlung verbunden.
tz. 6. Beitreten kann jeder konfirmirte Jüngling, der obige Verbindlichkeiten übernimmt. Stimmberechtigt jedoch find nur solche Mitglieder, zdie das 18- Lebensjahr erreicht haben, sowie diejenigen unter 18 Jahren, die mindestens seit einem Jahr dem Vereine angehören.
tz. 7. Freunde des Vereins, die in irgend einer Weise zur
Förderung desselben beitrage» und sich gleichwohl nicht förmlich an ibm betheiligen können, betrachtet der Verein als außerordentliche Mitglieder, die als solche z» seinen regelmäßigen Zusammenkünfte» Zutritt haben.
tz. 8. Der Verein wählt alljährlich aus seinen außerordent- lichcn Mitgliedern einen Vorstand, einen Stellvertreter desselben, eine» Schriftführer, der zugleich die Bücher auSleiht. und einen Cassier; ebenso ans der Milte seiner außerordentlichen Mitglieder einen Ehrenoorstand. Sie bilden zusammen de» leitenden Ausschuß, der je »ach Bedürfnis) vom Vorstand berufen wird.
tz. 9. Die Ausnahme in den Verein geschieht nach vorau- gegangener Anmeldung beim Vorstand und nach einer Probezeit, welche bei Jünglingen nnier 18 Jahre» 8, bei älteren 4 Wochen beträgt. Bei der Absttnunnng darüber müssen mindestens zwei Drittel der Mitglieder auwesend sein, wobei die Mehrheit ent- scheidet. Der Ansgeiivmmeue unterzeichnet die Statuten, empfängt ein Exemplar derselbe» und wird vom Vorstand mit Ansprache und Handschlag begrüßt.
tz. 10. Der Ausschluß erfolgt ebenfalls durch Mehrheitsbeschluß, wenn ein Mitglied »ach mehrmaliger Ermahnung und Warnung den Verein vernachläßigk oder sonst den Statuten nicht entspricht. — Der freiwillige Austritt ist dem Vorstand anziizei- gcn. Hat derselbe in einer Orksverändcrug seinen Grund, so erhält der Abgehcnde zum Zweck seines Eintritts in auswärtige Jünglingsvereine ein Zeugniß.
tz. 11. Der Jünglingsverei» beschränkt sich jedoch nicht ans Nagold, sonder» dcbnt sich auch auf den Bezirk aus. Die Jünglinge der umliegende» Ortschaften, welche gleiche Bestrebungen haben, verbinden sich mit ihm aus Grund seiner Statuten, auch wenn ihre örtliche Einrichtung je nach Zahl und Verhältnissen eine andere ist. — Der brüderliche Verband im ganzen Bezirk wird thcils durch gelegentliche gegenseitige Besuche, thcilS durch regelmäßige Bczirksversammlungcn, welche jeden andern Monat stattfinde», unterhalten.
K 12. Zugleich betrachtet sich der Verein als Glied des gcsammten vaterländischen JünglingsbundeS, mit welchem er durch Korrespondenz, durch Theilnahme an den Bundesfesten und durch Besuche einzelner auswärtiger Vereine in Verbindung steht, wie überhaupt als ein Glied an dem ganzen Leibe der Gemeinde des Herrn, an welchem er heranwachsen möchte zu dem vollkommenen Manncsalter Christi und auch Andern Handreichung thun in der Liebe.
Lrick »»» Bert«, de» Ä. W. Z» is« r'sche» P»chh«»dl»»>. üed»e»i»»: Hllzl«.