Caffier und Lehrling.

(Fortsetzung.)

Sichtlich gestärkt erhob sich die Frau mit den Kleinen und ging muthig daran, ihre trostlose Lage zu überdenken.Ohne Verschulden arm zu werden, ist keine Schande", tröstete sie sich selbst und setzte entschlossen beiWir wandern ins Armenbaus."

Und wieder heraus!" ergänzte Anton.Mir kamen im Gebete allerlei Einfälle und ganz herrliche Pläne. Ich mache mich sofort auf den Weg und suche Arbeit bei einem Bauern. Ich werde doch täglich einige Kreuzer heimbringen, und was die Hauptsache ist, die Mutter verliert einen Kostgänger. Die Mäd­chen gehen in das Holz, warten den kleinen Ludwig und helfen für die Leute spinnen und stricken. So werden wir unser Brod verdienen, und wenn Gott will, wieder aus dem Armenhause kommen."

Vergeblich suchte Anton nach seiner Mütze. Mit jugendli­chem Gleichmuthe ertrug er den Verlust und verließ bas Zimmer.

Voll zuversichtlicher Hoffnung und mit der ganzen Unerfahren­heit der Jugend «änderte der Knabe direkt auf den nächsten Bauern, den reichen Besitzer deS AuhofeS, zu. Wohl trug er keine Bittgesuche in der Tasche, aber sein ganzes Anliegen stand so klar, so lebendig in seinem Herzen geschrieben, daß er fest glaubte, bei jedem Arbeit und Hülse finden zu müssen.So o!" ries Auhofbauer gedehnt, nachdem der kleine Suplikant, erst schüchtern und verzagt, dann beredt, und immer beredter seine Bitte vor­getragen,so naseweißeS Bürschchen! Möchtest wohl auch schon treiben, wie dein Vater! noch keine zwei Jahre sind's her, daß ich ihn zum Heumähen bestellen ließ. Weißt du, was er mir sagen ließ? Er wolle zuvor sein Heu einthun und werde dann sogleich kommen. Sein Heu seine Handvoll Heu! Ich kenne das schon: arbeiten ist Eure starke Seile nicht. Beiteln und Her­umlungern geht freilich leichter. He, Bürschchen?

Anton mußte im Geschwindschritt den Hos verlassen, um nicht ernstlichen Unbilden ausgcsetzt zu sein. Der reiche Mann konnte eS nicht verwinden, daß ein armer die eigene Habe vor der sei- nigen inS Trockene gebracht.

Bedeutend herabgestimmt und tief verletzt im Herzen, ob der seinem Vater selig widerfahrenen Beschimpfung, setzte der Knabe seinen Rundgang fort und gelangte zunächst zum Schlossers Franz, einem Mittelbauern, der keine Kinder hatte und demnach zu jeder Arbeit fremde Leute herbeiziehen mußte. Der würdige Mann saß gerade mit seiner Frau beim Mittagessen, machte mit dem Löffel unterwegs halt und hörte dem Kleinen geduldig zu.Richtig!" sagte er zuletzt, als dieser geendetdu willst die Feldarbeit lernen. Hab' nichts dagegen und kannst schon morgen früh mit dem Vieh­hüten anfangen. Bezahlung will ich keine fordern, weil ihr arme Schlucker seid, für die Beköstigung natürlich mußt du halt selber sorgen." Noch einmal setzte Anton an, um dem Bauern, der sich stellte, als habe er kein Wörtchen von seiner Bitte verstanden, solche wiederholt und deutlich zu erklären. Da zeigte dieser streng und ernst mit der Hand nach der Thüre, mit der andern setzte er den pausirenden Löffel wieder in Bewegung und war nicht weiter zu sprechen.

Damals blühte überhaupt den Arbeitern und Taglöhneru selten eine gute Stunde. Der Strom der Auswanderung hatte sich nach Ungarn, Australien und insbesondere Amerika ohne daß wir letzterer das Wort reden wollen noch keine so mächtige Bahn gebrochen, wie gegenwärtig. Dem Bauern standen Arbeits­kräfte im Ueberflusse zu Diensten und so kam es, daß er den armen Tagwerker manchmal nicht viel besser und oft noch schlechter behandelte als sein Vieh. Anton machte noch manchen vergeb­lichen Schritt. Der Eine bedurfte keine Beihülfe, Andere moch­ten oder wollten nicht, Andere verspotteten den Jungen und wieder Andere zeigten nicht gerade sonderlich freundlich zum Ab­marsche auf die Thüre, zu der er hereingekommen. Nach zwei Stunden trat er aus dem letzten Hause, ganz mit demselben Re­sultate, wie aus allen früheren, und überlegte traurig, was uu.i beginnen? Noch blühte ihm eine Hoffnung. Hinaus ging« auf die Landstraße, von da auf einem Seitenpfade eine gute Stunde in den Wald hinein, durch Büsche und Hecken auf die Waldmühle zu. Ihr Besitzer galt allgemein für einen reichen und nicht unebenen Mann, der außer der Mahl- und Schneidemühle noch ein schönes, geschloffenes Gut besaß und sicherlich einen Arbeiter verwenden konnte. Der Müller, eine mehr als wohl­genährte Natur, dem größten seiner glotzenden, vollgepropsten Mehlsäck« nicht unähnlich, saß im Hofe, schmauchte behaglich sein

Pfeifchen und beschäftigte sich mit NichtSthun. Bei dieser Arbeit half ihm sein Sohn, ein junger Aufschößling, der schon mehr auf das väterliche Erbe dachte und pochte als nöthig.

Du suchst also Arbeit," meinte der Müller phlegmatisch, nachdem er den kleinen Bittsteller angehört.Ganz recht! daran soll nicht fehlen. Du kannst jeden Morgen herauskommen und Abends wieder heimgehen. Mittags fällt schon immer so viel vom Tische ab, daß du dich tüchtig damit sättigen kannst."

Gebt mir auch einige Kreuzer Lohn, Herr Müller, ich bitte inständig darum um Gotteswillen!" flehte der Knabe mit Thränen im Auge.Ich muß meine Mutter, meine Geschwister, chen damit ernähren."

Sonst nichts?" rief der Jungmüller und ließ seinem lauten spöttischen Lachen freien Lauf.Die Hand her! eingeschlage»! Heute nach zehn Jahren um dieselbe Stunde sprichst du wieder vor und dann gilt der Accord. Jetzt mach' und such das Weite, sonst hels' ich Dir laufen."

Der Knabe weinte laut vor sich hin und verließ die Mühle. An der Hofthüre stand die Müllerin mit ihrer kleinen Tochter und fütterte bas Geflügel. Als Anton vorbeiging, reichte ihm das Kind, welches das Gespräch mitangehi'U haben mochte, unbemerkt sein Butterbrod und lies in das Haus

Wie fröhlich war sonst Auton, an der Hand seines Vaters, durch den Forst geeilt! Damals achtete er auf die Bienlein, wie sie emsig sammelnd von Blüthc zu Blüthe über die duftende Heide hinsummten; damals lauschte er begierig dem Hellen, kräftigen Schlage der Amseln und Drosseln, welche bei ihrem schmetternden Wettgesange munter von Zweige zu Zweige hüpften; dai-nls folgte er mit freudestrahlenden Blicken den flinken Eichhörnlein, wie sie schnurrend und pustend die Bäume hiuaufklettertcn und behend von Ast zu Ast sprangen. Heute nickt. Das Auge zu Boden gesenkt und kaum eines Gedankens mächtig, «änderte der Junge durch das grüne Gehege und gelangte an den Ausgang des Waldes, er wußte selbst nicht, wie? Je näher er aber dem Saume des schattigen Blätterdaches kam, desto mehr zögerte sein Tritt, desto trüber und ängstlicher stierte sein thränenschwereS Auge, desto gewaltiger schlug und zuckte sein Herz unter der Wucht deS Schmerzes, der ihn darnieder beugte. Sollte er hinailstreten auf das freie Feld, wo das heimarhliche Dach ihm von Ferne ent­gegenschimmerte? Sollte er heimkehreu ohne jeden Erfolg, ohne ein Fünkchen Trost und Hoffnung, ohne jegliche Aussicht auf die Zukunft? Nein! Unwillkürlich verließ er den Hauptweg und bog in einen Seitenpfad, der sich zwischen hohen Eichen und Buchen in den Wald verlor. Sein jugendlicher, aber sonst so willensstarker Geist drohte zu erliegen, und den durch Leiden und Elend, durch Hunger und Müdigkeit geschwächten Körper nicht länger zu stützen. An einem Baumstämme, den der Sturmwind gefällt und guer über den Pfad geschleudert, kniete der Knabe sich nieder, stützte die Arme auf und hlickte nach dem Vater aller Wittwen und Waisen.O Gott, betete er mit schwacher Simme, verlaß uns nicht!" Du hast unfern Vater hinweggenommen und wirst seine Kinder nicht verhungern lassen. Und du, o heiliger Antonius, mein Namenspatron, bitte für uns am Throne des Allerheiligsten! Nicht für mich ich will gerne darben und leiden nur für meine arme Mutter, für meine Geschwisterchen. Dein Gebet wird immer erhört... Der Knabe ließ erschöpft das Haupt auf die Hände sinken, nur seine Lippen bewegten sich fort und fort im stillen Gebete.

(Fortsetzung folgt.)

Allerlei.

Es gibt immer neue Arten, seine Gedanken öffentlich mit- zutheilen. Kürzlich hat bei Frankfurt ein in Amerika reich gewor­dener Jude nach längerem Besuche von seinem Heimathdorfe durch die Ortsschelle Abschied genommen und öffentlich Lebewohl und Dank seinen Freunden und Verwandtenzurufen" lassen.

Silbenräthsel.

Einst hat der größte der Propheten Die Erste oft und gern genannt.

Als Bild der Duldung und der Sanftmut- Ist sie dem Christen wohlbekannt.

Ein Bild von Gottes reichstem Segen Erscheint uns in den andern Zwei.

Das Ganze wächst an grünen Wegen

Und -eilt als gute Arzenct._

Druck und Verlag der G. W. Ä a i s r r's»r>> -vuckihiiiidlun,, «rr-Ni-u: H S tzl«.