280
blicke später hing seine Leiche an einem Aste, und der Pöbel zerstreute sich, Gott dankend, daß Gedera von einem gefährlichen Spion befreit worden war. Stumm und trockenen AngeS nahm der Vater die Leiche seines ermordeten Kindes herab nnd brachte sie nach dem Kirchhofe, wo der Priester erst nach vielen Bitten sie mit dem Segen der Kirche versah und in geweihte Erde bestattete. Bald darauf war Gusman Castro verschwunden,
selbst sein Weib wußte nicht wohin.
* *
* .
In einem der Thälcr von Gmpuzcoa lagerte auf weiter
grüner Matte eine Abtheilnng christinischcr Reiter, wilde, kräftige Gestalten mit Hellem Haar und Bart, denen man leicht ansah, daß sie nicht Spaniens Kinder, sondern ans allen Ländern Europas zusammengewürfelt waren. Auf den Berghohen standen einige Vedetten, um die Niederungen zu überwachen, denn nur wenige Stunden entfernt wußte man Zumalacarreguy's Hauptkorps, und die Bevölkerung hielt cs mit Do» Carlos, welchen die biscayischen Provinzen bereits als König anerkannten. Die bestäubte», dampfenden Weichen der Pferde vcrric- then, daß sie einen weiten Ritt ausgehalten, nnd ringsum im Grase lagerten die Reiter, Cigaritkos dampfend und die durstigen Kehlen aus den ledernen Feldflaschen netzend.
Eben begann die Sonnenschcibe hinter dem Zackengipfel einer Felsmasse zu verschwinden, als sich ein hoher, rüstig dahinschreitender Mann dem Lager näherte. Die nächste Vedctte spannte den Karabiner nnd ries den Fremdling an.
„kvivL Llrristiim!" antwortete dieser. „Wo ist der Capitano?"
„Du bist der richtige Mann!" sagte die Schildwache, den Hahn des Gewehrs in Ruhe setzend. „Geh nur gerade den Berg hinunter, und Du kannst in fünf Minuten aus Don Jo- se's Flasche trinken."
Der Capital» saß mit seinen beiden Lieutenants unter einem Baume. Bei der Annäherung des Fremden stand er hastig auf und ging diesem entgegen. Schweigend reichte der Ankömmling dem Offizier ein zusammengefaltetcS Papier.
Der Capitain überflog aufmerksam bas dargebotene Schreiben, dann legte er cs sorgfältig zusammen und verwahrte cs in der Brnsttaschc seiner Uniform.
„Die Nackrichten sind wichtig, Gusman Castro. Die Zahl der Karlistcn, die Gott verdammen möge, ist eben so genau angegeben, wie der Bestand ihrer Artillerie und der Depots. Wo zum Henker habt ihr diese Neuigkeiten aufgetrieben? General Cordova wird dieses Papier mit Goldstücken bedecken."
„Ich mag keinen Lohn," antwortete düster der Hidalgo, „sondern verlange nur Rache. Habt Ihr keine weitere Instruction, Capitain, als mit Euren Leuten in diesem Thale zu rauchen und Cognac zu trinken?"
„Wir gedenken heute Nacht auf den Trümmern Gederas zu bivouakiren!" brummte der Offizier.
„Gott schütze den General tausend Jahre lang, er hält sein Wort!" sagte GuSman, die tigerhaft funkelnden Augen nach dem Himmel richtend. Befolgt streng Eure Obre! Außer den Leuten in dem Ackerhofe, vor dessen Thür drei Pinien wachsen, soll kein Mensch in Gedera Gnade finden. Hört Ihr, Capitain? Sie müssen Alle sterben?"
„Ihr seid ein furchtbarer Feind in Eurem Haß, Gusman Castro!" sagte der Reitcrosstzier- „Gott mag mirs vergeben, daß ich den Befehl des Generals gebührend vollziehe! Am Ende freilich schadet cS auch nichts, wenn einige Hunderte dieser verrätherischen Karlisten todtgcschlagen werden, ich denke, sie müssen Euch stark beleidigt haben, Mann!"
„Meinen Sohn, meinen Pepo haben sie aufgehenkt wie einen Hund!" keuchte der Hidalgo. „O, Capitain, die Wunde brennt mir ins Herz, uud kann bloß durch das Blut der Mörder geheilt werde». Für jedes Haar meines armen unschuldigen Kindes verlange ich das Leben eines Karlisten, hört Ihr, Capitain? Es müssen Viele sterben!"
Der rauhe Soldat wandte sich schaudernd ab und gab das Zeichen zum Aufsitzen. Die Vedetten zogen sich heran, und noch glühten die letzten Sonnenstrahlen auf den höchsten Felsspitzen, als der Reiterzug unter Gusman's Führung sich in Marsch setzte.
Zn Gedera hatte Niemand eine Ahnung, welche Wetterwolke über die unglückliche Staat heranzog. ' Vor dem Rath- Hanse, wo sich das Depot befand, wunderte in eingebildeter Sicherheit eine Säsilbwache und harrte sehnlich der AblösnngS- stnnde. Plötzlich blieb der Milizmann aufmerksam stehen, er glaubte das Getrappel einer großen Anzahl von Pferden zu vernehmen.
„Ouel xonto!" rief den Hahn spannend die Schildwache, als einige Reiter um die Ecke des Platzes bogen.
„bll lliublo!" antwortete eine tiefe Stimme, und in dem Augenblick sank der Guerrillero von einer Kugel getroffen zu Boden.
Auf den Schuß kam die Wache ans dem Gebäude, aber ehe »och die Milizen einen Ueberfall ahnten, hieben bereits die christinischen Reiter auf sie ein. Die stille, sternenhelle Nacht wiedcrhalltc vom Geschrei der Kämpfer und dem knatternden Feuer der Musketen und Pistolen, vom Thnrme heulte die Sturmglocke, nnd aus den Häusern stürzten erschrockene Einwohner mit Waffen in den Händen, entschlossen zn tapferer Gegenwehr. Aber bald sahen die Ueberfallenen die Fruchtlosigkeit ihres mnthigen Widerstandes ein. An mehreren Orten lodert« zugleich die Flamme empor, und jetzt warf Alles die Waffen von sich, um zu flüchten oder daheim zu retten. Bald stand das ganze Städtchen in Hellen Flammen, und die ChristinoS zerstreuten sich zu Mord und Plünderung, auf dem Marktplatze aber blieb eine Abtheilnng derselben als Posten und zur Obhut der zusammengekoppelten Pferde. Dieses sogenannte Hauptquartier bestand ans etwa dreißig Mann nnd den Offizieren, alle übrigen benutzten die bewilligte Stunde zur Plnndernng.
Der Markt des Städtchens war von einem Bache durchschnitten, dessen Ufer alte Weidenbänmc nährte. Hier lagen die Soldaten sorglos um ein berbeigeschafftes Faß Wein und zechten, während die Fenersbrunst die Nacht in Tageshelle verwandelt hatte, nnd das Prasseln der zusammenstürzcnden Häuser gemischt mit dem Angstgeschrei der Todesopfer kaum ihren wilden Lärm zn übertönen vermochte. Blaß wie eine Leiche, an einen Wcidenstamm gebunden, stand der Alcalde Gomcz. Man hatte ihn aus dem Bette gerissen und hiehcr geschleppt. Bis jetzt war über die Lippen des stolzen, herzlosen Mannes noch kein Laut der Klage gekommen, plötzlich aber schrie er laut auf wie ein verwundetes Ranbthier und zerrte an seinen Banden.
Ein Christino näherte sich der Reitcrgruppe. Auf seinen Armen trug er ein wunderschönes Mädchen, cs war Ines Gomcz, blutend, mit aufgelöstem Haar.
„Was willst Du mit dieser Donna ansangeu?" fragt« ein Unteroffizier.
„Ich brauche eine Liebste!" antwortete der Reiter. „Gelt kleiner Affe, Du gehst gern mit?"
„Laß Dich nicht anslachen!" schrie der Unteroffizier. „Das Mädchen gehört zur Beute nnd ist unser Aller Eigenthum. Gieb her, ich will ihre blassen Lippen wieder roth küssen!"
Der Unteroffizier riß die halbohnmächtige Ines aus de« Reiters Armen und zog sie zu sich nieder, da griff dieser ruhig nach dem Sattel eines nahestehenden Pferdes und hakte den Carabiner los. Der Schuß krachte, und langsam rollte des Mädchens Leichnam das Ufer des Baches hinab.
Da schmetterten Trompetenstöße durch die Luft, von alle» Seiten stürzten die christinischen Reiter nach ihren Pferden, Schüsse krachten, ein furchtbares Geschrei durchtobte die brennenden Straßen — es waren karlistische Hülfstrnppen. Kaltblütig näherte sich der ReiErkapitain dem vor Schmerz und Wnth lautbrüllenben Alcalden, schoß ihm eine Kugel durch den
Kopf und eilte mit seinen Leuten zum Gefecht.-
(Schluß folgt.)
— Die „Köln- Ztg." brachte dieser Tage folgendes Inserat: „Was möget ihr immer die Bäcker so necken?
Fort schreiten sie mit dem Zeitgeiu doch;
Nicht brauchen sie Morgens die Kunden zu Wecken,
Sie stecken die Semmeln durch'S Schlüsselloch."
Druck untz Verlag der G. W.Z als« r'schen Buchhandlung. Siedaliio»: HSljl».