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Kaiser die Kurwürde übertragen hatte, machte zwar einige Ver­suche, diesem Fürsten, seinem Schwiegervater, die Freiheit zu verschaffen, aber stets blieb der Kaiser unerbittlich. Diese lange Schmach des unglücklichen Landgrafen erweckte großen und allgemeinen Unwillen, vorzüglich aber kränkte sie den leb­haften feurigen Kurfürsten Moritz von Sachsen, welcher seine Ehre und Freiheit für denselben verpfändet hatte. Er wurde von seinen Glaubensgenossen mit minderer Achtung angesehen und er fühlte, er müsse eine entschlossene That unternehmen, um wieder das alte Ansehen zu erhalte». Eine That, wie die Be­freiung des Landgrafen, würde seinen Ruhm wieder hergestellt haben. Bald entwickelte sich der Gedanke in ihm, den Weg der Gewalt cinzuschlagen, und die Waffen, die er zur Zeit für den Kaiser ergriff, jetzt gegen diesen zu gebrauchen.

Der im Jahre 1551 von Karl V. erhaltene Auftrag, Magdeburg zu belagern, kam daher dem Kurfürsten sehr gelegen. Er brachte dazu eine hinreichende Anzahl Truppen aus die Beine und Moritz hatte Gelegenheit, seine Freunde an sich zu ziehen. Die Belagerung erreichte im November 1551 ihr Ende, aber immer noch hielt der Kurfürst sein Heer beisammen.

Um diese Zeit war Kaiser Karl V. zn Innsbruck ciugc- troffcn. Da nämlich der Papst Julius III. zn Trident ein Kirchen-Concilinm hatte eröffnen lassen, so fand es jener ge­messen, in der Nähe desselben zn sein. Indessen erregten die Trnppen des Kurfürsten doch einiges Bedenken und die geistli­chen Kurfürsten wollten sogar das Concilium verlassen, um eine Gefahr abzuwendcn, welche ihre Länder bedrohte. Karl V. sah keine Gefahr, und vertraute dem Kurfürsten von Sachsen, welcher meldete, er habe die Truppen nicht entlassen können, weil ibm Geld fehle. Um den Kaiser recht zu täuschen, mie- thete er sogar eine Wohnung in Innsbruck und zeigte seine Ankunft au.

Plötzlich im März 1552 warf der Kurfürst die Maske ab und erschien mit seinem Heere in Franken, von wo aus er unverweilt weiter zog. Der Kaiser, ohne Heer, übertrug es seinem Bruder, einen Ausgleichungs-Versuch zu machen. Da der erste scheiterte, so sollte am 26. Mai zu Paffem ein zweiter stattfinden. Der Bruder des Kaisers Ferdinands Vater kam nach Innsbruck, um Instruktionen zn holen; der Kurfürst ging nach Schwaben. Sein Genius ricth ihm, die zweite Zu­sammenkunft nicht abzuwartcn, sondern unverweilt in Tyrol einzudringcn.

Der Anmarsch des Kurfürsten, die Wehrlosigkeit des Kai­sers erfüllte alle Thäler mit Schrecken, eiligst verbreitete sich die Kunde von der drohenden Gefahr, welche Prinz Ferdinand in den Arme» seines reizenden Weibes und seiner beiden lieb­lichen Knaben traf. Keinen Augenblick war er unschlüssig, was er thun sollte. Er riß sich los aus den Armen der Geliebten und eilte gegen Reuten, wo einzelne kaiserliche Abtheilungcn stehen sollten, die aber ohne Anführer waren. Aber schon hatte der Kurfürst Reuten genommen und von hier aus ging es auf die Ehrenberger Klause, die ebenfalls von Kaiserlichen besetzt war. Ein Schäfer zeigte einen geheimen Pfad, auf welchem der Felsen in der Nacht erstiegen ward, was die Uebergabe der­selben zur Folge hatte.

Mit schwerem Herzen hatte sich Prinz Ferdinand von der theurcn Gattin getrennt. Philippine war standhafter geblieben, als man es von einem schwachen Weibe erwarten dürfte. Sie hatte aber eine starke Seele und eine muthige Zuversicht auf den Beistand des Allgewaltigen; dennoch flössen ihre Thräncn in Strömen und fest hing sie an dem Halse des Geliebten, der ihr in dieser Stunde theurer wurde, als je.

Lebe wohl, mein Ferdinand," hauchte das reizende Ge­schöpf,ich sehe Dich wieder, mir sagt's eine innere Stimme."

Nochmals küßte Ferdinand die thränenden Augen, die ihn so trostvoll anblickten, nochmals preßte er seine Philippine, sein Alles, in seine Arme und fort eilte er dann auf dem stolzen Rappen, begleitet von einem treue» Diener.

Es war schon Abend, als er sich auf den Weg machte. Oie ganze Nacht ritt er fort, um am frühen Morgen bei den Kaiserlichen zu sein. Als die ersten Sonnenstrahlen den anbre­chenden Tag verkündeten, wurde Prinz Ferdinand auf das Ge-

dröhne eines anmarschirenden Zugs aufmerksam gemacht, auch vernahm man deutlich den Hufschlag der Rosse. Hierdurch wurde er ans seinen Träumereien geweckt, denen er sich über­lassen batte.

Tie Nahenden schienen auf voller Flucht zu sein. Ord­nung, die Seele kriegerischer Bewegungen, fehlte, und jeder suchte, auf seine Rettung bedacht, sich eiligst in Sicherheit zu bringen. An der Spitze des Zugs ritt ein Ritter mit einigen sogenannten deutschen Reitern, welche vergebens bemüht waren, die Flüchtigen aufzuhaltcn und ihnen Math einzusprechen.

Der Prinz glaubte eine bekannte Stimme zu hören und sprengte den Ankommenden entgegen. Statt der schweren, sonst üblichen Kopfbedeckung war er nur mit einem leichten Barett bedeckt, und seine Geflchlszüge somit leicht erkenntlich Als er einige Schritte vorgesprengt und den Ankommenden auf zwan­zig Schritte nahe gekommen war, hielt der Ritter, von dem wir schon sprachen, an und nochmals, als traue er seinen Au­gen nicht, den Prinzen fixirend, rief er plötzlich: ,

Sehe ich recht! Prinz Ferdinand?" und sprengte im vollen Lauf auf diesen zu.

Im nächsten Augenblick hatten sich die Beiden traulich die Hände gereicht und schienen einen Freundschastsbund zu er­neuern, welchen sie längst geschlossen. Der Leser crräth wohl, daß der Ritter Niemand anders, als Graf Stephani war.

Die Ankunft des allgemein und durch sein Schicksal noch mehr beliebt gewordenen Prinzen veranlaßt,: einen Halt bei den Flücht­lingen. Man wollte ihn sehen, man wollte von ihm hören, ob er Verstärkungen cntgegenführc. Nachdem er sich kurz von Stephani über den Stand der Dinge hatte unterrichten lassen, hieß er die Offiziere ihre Mannschaft sammeln und formtreu, damit er zn derselben sprechen könne. Dieses geschah schneller, als man es hätte erwarten sollen. Ein großes Viereck wurde gebildet, die Trommeln wirbelten und der Prinz trat nun festen Schrittes unter die Soldner und sprach:

Krieger!"

Einem hinterlistigen Feinde ist cs gelungen, Euch von Eurem Posten zu vertreiben, den Ihr, überrascht durch den un- vcrmuthcten Angriff, früher verlassen habt, als cs geboten war.

Hier in diesem engen Thal, welches die Natur schon zur Ver- theidigung eingerichtet hat, werdet Ihr Euch neuerdings dem nachfolgenden Feinde eutgegenstellcn und sein Vordringen nach Innsbruck so lange anfbalten, bis wir die Nachricht erhalten, baß der Kaiser in Sicherheit ist. Alsdann ziehen wir durch Innsbruck dem Kaiser nach. Schwört daher: Blut und Le­ben für Len Kaiser zu lassen und bis auf den letzten Mann zu kämpfen." HM

Blut und Leben für den Kaiser!" riefen die Krieger und hoben die rechten Hände gegen den Himmel.

Der hier versammelte Trupp zählte siebenhundert Mann zn Fuß und sechzig Reiter. Unter dem Fußvolk befanden sich dreihundert Mann, welche theils mit Musketen, theils mit Ha­cken (kleinen Gewehren) bewaffnet waren. Die übrigen vier­hundert Mann waren Plckeniere, Hellebardiere und Roudaschiere.

Den mit Feuergewehren Bewaffneten wurde» von Jungen Ga­beln nachgetragcn, um auf dieselbe» das Gewehr auflegen zu können. Zum Schutze hatten sie eiserne Pickelhacken und Brust­stücke. Die übrigen führten noch volle Rüstung. Sturmhut,

Brust- und Rückenstück, nebst einem Seitengewehr, ferner Pi- cken, Hellebarden oder lange Schlachtschwerter. Die sechzig Reiter waren halb geharnischt und leicht beritten. Ein Theil von ihnen führte ein Feuerrohr mit Radschloß.

(Schluß folgt.)

Sinnspruch.

Weiche der Noch; sie weicht dir nicht. Dann wende dich mnthig Und benutze ru kannst'S selbst das Verderben als Gluck-

Ein vnteroffizier hatte seine Rekruten dahin instruirt, daß sie alle mit dem linken Fuße zuerst «»treten müßte»; ein Rekrut aber ver­sah es und hielt statt des linken de» rechten Fuß in die Höhe. Der Unteroffizier sah vom Flügel der Colonne aus einen linken und reckten Fuß neben einander und rief zornig:Kreuzdonnerwetterl welches Rind­v ieh ist denn da mit beiden Füßen zugleich angetreten?"

Truck und Verlag ter«s. W. saiser'schk» Puchhundlung. Aedallisi»: H-lzle.