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Paris, 30. Juli. Man hat Nachrichten aus Messina von gestern. Garibaldi befand sich in der Stadt und der Angriff gegen die Citadelle hatte begonnen. Es heißt, Garibaldi habe auf de» Brief Bictor Emanuels, welchen dessen Ordonnanzoffizier Litta überbracht hatte, abschlägig geantwortet und erklärt, er sei entschlossen, gleich nach Einnahme der Citadelle aufs Festland übcrzusetzen. (H. T.)
Paris, 30. Juli. Der „Constitntionnel" sagt zur Beschwichtigung einiger französischen Journale über die „Verzögerung", welche die europäische Intervention in Syrien erleide: „Morgen vielleicht werden die combinirten Flotten Frankreichs, Englands und Rußlands an den Küsten Syriens erscheinen, bereit, in Gemeinschaft eine gemeinschaftliche Beleidigung zu bestrafen. Die Türkei selbst, die fortan in die große Familie der europäischen Staaten ausgenommen ist, wird vergessen müssen, daß sie Jahrhunderte hindurch die Personifikation des muselmännischen Fanatismus gewesen; sie hat versprochen, Theil zu nehmen an der eclatanten Züchtigung, welche die Menschlichkeit und die christliche Cioilisation heischen. (Fr. I.)
London, 2S. Juli. Ein Pariser Telegramm vom 27. in der Morning-Post sagt, daß der Pcinzregent von Preußen mit dem Könige der Belgier in Ostenoe zusammentcisst. — Nach demselben Telegramme befindet sichGaribalbi in Messina.
Die schöne Philippine Welser.
(Fortsetzung.)
Der Maler willfahrte ihm und sah lächelnd den Flammenblicken zu, welche der Prinz auf das Bild richtete. Dieser ergriff endlich wieder das Wort und sagte:
„Also ein Bildniß? — Ja es gehört zu denen, von denen man, ohne das Original zu sehen, sagen kann: es muß ähnlich sein. Vielleicht ans Augsburg?"
„Ja, allerdings. Die Tochter des Patriziers Welser."
„Welser?" rief der Prinz überrascht.
„Kennt Ihr die Familie?" frug der Maler.
„Allerdings. Wer sollte Bartholomäus Welser nicht kennen, den alten Geheimenrath Karls V., der, nebst dem Fugger, dem Kaiser 12 Tonnen Gold vorschießen konnte. Aber, daß er eine so schöne Tochter hat, wußte ich nicht."
„Ihr irrt. Die schöne Philippiue — so heißt man nämlich in Augsburg dieses Mädchen, — ist nicht die Tochter dcS Bartholomäus Welser, sondern seines Bruders Franz, der hier eine der ersten Stellen im reichsstädlischen Rathe inne hat."
„So," sprach der Prinz nachdenkcnd. Eine stumme Panse folgte. Endlich erinnerte der Graf:
„Wenn ich nicht irre, so sind wir auf diese Zeit noch au einen andern Ort bestellt."
„Ah, richtig," cntgegnete der Prinz. „Nun Meister, ich will Euch nicht länger aufhaltcn; ich hoffe, ihr erlaubt meine Besuche zu wiederholen?"
„Es soll mir stets viele Freude machen, einen so großen Verehrer der Kunst bei mir zu sehen. Doch! wollt Ihr nicht auch die Güte haben, mich mit Eurem Namen bekannt zu machen?"
Der Prinz erröthcte einen Augenblick und sah sodann seinen Begleiter verlegen an. Dieser gab ihm einen kurzen Wink und jener sprach:
„Gerne würde ich mich unerkannt hier Herumgetrieben haben, aber ich sehe schon, es gelingt nicht. So wisset denn, ich bin der Neffe des Kaisers, der Sohn Ferdinands."
Der Maler trat ehrerbietig einen Scbritt zurück und verbeugte sich tief, ehe er aber seine Entschuldigungen gestammelt hatte, den Prinzen so schlechtweg behandelt zu haben, war dieser schon nach einer kurzen, freundlichen Begrüßung weiter gegangen.
2 .
Ferdinand war jetzt nur mit der schönen Philippine beschäftigt und er entwarf tausend Pläne, dieses Mädchen unbemerkt sehen, ungekannt mit ihr sprechen zu können. Gerne hätte er sich seinem Freunde und Begleiter, dem Grafen Stephani, anvertraut, aber eine eigene Scham hielt ihn davon ab. Er hatte mit diesem schon viele lustige Abenteuer bestanden,
aber jetzt, wo tiefe, reine Liebe in sein Herz eingezogcn war, konnte er sich nicht entschließen, diesen zum Vertrauten seiner Herzcnsstimmung zu mache». Der Graf durchschaute den Zustand des Prinzen und beleidigt über den Mangel an Zutrauen, lhat er jenem nicht einmal die Liebe, nur von dem Besuche bei dem Maler und von dem Bildniß zu sprechen, welches der junge Prinz im Kopf und Herzen herumtrug.
Da half dem Prinzen der hochweise Rath aus der Klemme. Dieser hatte nämlich einen Ball zur Feier der Anwesenheit der hohen Gäste veranstaltet und es war zu denken, daß auch nicht eine der Töchter der stolzen Patrizier bei diesem Feste fehlen würde.
Der von Ferdinand sehnlichst erwünschte Abend erschien. Prächtig war der große Rathhaussaal beleuchtet und die schöne Well Augsburgs strahlte in den reichsten und schwersten Stoffen ans allen Farben. Für unsere heutigen Bälle, welche in einem wilden Nasen bestehen, würde ein solch schwerer Anzug, wie ihn in jener Zeit Augsburgs Mädchen trugen, nicht tau- > gen; aber damals, wo der Tanz mehr ein Umgang im Saale war, bei welchem verschiedenartige Gruppirungen vorkamen und ein zierliches Aufsetzen der Füße und das behende Drehen des Körpers nach verschiedenen Richtungen die Hauptsache waren, damals konnte man schon im schweren Anzuge den Ballsaal betreten.
Der ernste Karl V. besuchte das Fest nicht, wohl aber sein Bruder, der Vater des Prinzen Ferdinand. Als dieser mit dem blühenden Sohne den Saal betrat, wurden sie von den im Vordergrund des Saales ausgestellten Pfeifern,Paukisten und Trompetern mit einer rauschenden Musik empfangen,welche wohl dem heut zu Tage üblichen Tusch entsprach. Die Mädchen, welche den Hintergrund des Saales einnahmen, stellten sich ans die Zehen, um die Eintretende» besser sehen zu können und manch schöner Blick fiel auf den in völliger Jugendkraft stehenden jungen Mann. Dieser aber hatte kaum den Saal betreten, ater den Gegenstand seiner Träume, als er die schöne Philippine gewahr wurde.
In der That, dieses Mädchen verdiente den Ruf der Schönheit, in welchem sie stand, denn Mutter-Natur batte sie mit ganz eigenthümlichen Reizen geschmückt. Kraft nnd Zierde drückten sich lebendig in des Körpers schlanker Gestalt aus; reizende Wölbung füllte den Arm und des Busens üppigen Bau; aus dem saust gerundeten Antlitz glühete die Anmuth der Rose, von Lilien umgeben. Freundliche Lippen deckten die Perlenreihen der herrlichsten Zähne; zur griechische» Form hinüber, unter breiter Stirne, neigte sich die wohlgebildcte Nase. Doch vor Allem sprach eigenthümlicher Zauber ans dem Bau des in zarter Wellenform lieblich geschlitzten blauen Auges, voll Geist in stiller, süßer Miene, ein Leuchten des Demants. Es war der bezaubernde fromme Blick der Engel Raphaels, welche die Madonna umschwebten.
Der feuerige Prinz war schon für das Bildniß eingenommen, das Original vergötterte er, noch nie hatte er ein schöneres vollkommeneres Wesen gesehen und er sehnte sich nach dem Augenblick, in welchem ihm vergönnt wurde, Philippine zum Tanze aufzuforder».
Jetzt schmetterten die Trompeten und Prinz Ferdinand, welcher als der erste im Range unter den Tanzenden Vortänzer war, trat klopfenden Herzens zu Philippinc und sprach: „Der Kaiser, mein Oheim, hat mir befohlen, den Tanz mit der schönsten Jungfrau Augsburgs zu eröffnen, ich zweifle nicht, daß er mir damit Philippine Welser bezeichnen wollte."
Die holde Philippine erröthcte und verbeugte sich tief. Gefaßter aber, als es wohl der Leser erwarten dürfte, antwortete sie:
„Ich glaube nicht, Prinz, daß der Kaiser Eure Wahl billigt und ich will nur wünschen, daß er nicht ungehalten ist, weil Ihr so schlecht seinen Befehlen nachkommt."
Während dieser Rückäußerung war das Paar in die Reihe getreten, an deren Spitze sich nun acht Trompeter, mit langen Wappenfahnen an ihren Instrumenten, stellten, auf die mehrere Fackelträger, dann der Vortänzer, und noch zwei weitere Fackel-
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