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Der Morse'fche Telegraph.

Aus Laistncr's Archiv 185,9.

Die elektrischen Telegraphen, welche jetzt schon hier Spinnengeweben ähnlich, dort in sparsamen Kreuzungen ihre Netze über die kultivirteu Länder aller Welttheile ausspan- nen, als ob ihre Dräthe die alte Erde wie ein gebrechliches, irdenes Kochgeschirr äußerlich zusanimenhalten müßten, werden in nicht ferner Zeit besser, als jener älteste Telegraph, der Thurm zu Babel, alle Völker der Welt innerlich zu einer großen Fa­milie vereinigen, deren Glieder nicht durch ost erst in später Zeit aufgcfundene, verrottete und schwer zu entziffernde Chroni­ken oder verstümmelte Volkssagen zweifelhafte Kunde von ein­ander erhalten, sonder», wie fern sie auch einander seien, in lebendigem, wechselseitigen Verkehr stehen, von einander lernen, mit einander fortschreitcu, gleichzeitig mit einander leiden und sich mit einander freuen. Ziehe» wir den Blick von dieser wei­testen Perspektive zurück auf die leichter zu überschauenden Kreise der heutzutage schon in politischer, merkantiler, industrieller und wissenschaftlicher Beziehung in näherem Verkehr stehenden Völ­ker, oder endlich gar auf die noch beschränkteren Verhältnisse einzelner Personen zu einander, und erwägen wir die hohe Be­deutung der elektrischen Telegraphen auch für diese kleineren Bereiche, so staunen wir dort wie hier über dieses neue Meister­werk des menschlichen Geistes.

Ein jeder, der zum erstenmal von der wunderbaren Kor­respondenz hört, die in jenen stillen Zimmern, wo man nichts als ein dem Tiktak einer Uhr ähnliches, nur nicht so regelmä­ßiges Klopfen vernimmt, geführt wird, muß auch zugleich den Wunsch fühlen, die Sache mit eigenen Augen anzusehcn und ihren Gang verstehen zu lernen. Wem dieser Wunsch noch nicht befriedigt worden ist, den lade ich freundlich ein, mit mir ein- zutrcten in das Cabinct eines Telegraphisten und das seltsame Bureau anzusehen.

Der Telegraphist betrachtet eben einen zwischen zwei kleinen, messingenen Walzen sich hindurch ziehenden, schmalen Papierstreifen, aus welchem Punkte, fast wie Nadelstiche, und kurze Linien in anscheinend regelloser Folge eingedrückt sind. Das ist die Telegraphenschrist, deren Alphabet »nsern kleinen Schreibern in der Schule weniger Schwierigkeit machen würde, als die deutsche und die lateinische Kurrentschrift, die schon angehende Zcichenkünstler erfordern. Jenes Alphabet sieht nämlich so ans:

a ä b c des g ^ hi j k l m n o

ö p q r s k n ü

v w x y z .

Außer dem Papierstreiscn und dem Räderwerk, welches jene kleine Walzen nmdrcht, bewegt sich auf dem Tclegraphen- tisch nichts als ein horizontal gestellter, nahezu gleicharmiger Hebel, der an dem einen Ende, das bis an die messingenen Walzen reicht, eine kleine Schraube trägt, deren Spitze, indem sie durch die Bewegung des Hebels abwechslungsweise kürzer oder länger an den auf einer der beiden Walzen aufliegenden Papierstreifen angedrückt wird, auf diesem die Schrift hervor­dringt, welche der Telegraphist gleich darauf zu lesen bekommt und in gut deutscher Uebersetzung als Telegramm an,ihren Be­stimmungsort befördert.

Obgleich wir nicht sehen können, wer den Griffel führt, und die aus weiter Ferne kommende Botschaft hier nieberschreibt, so erschrecken wir dabei doch nicht so sehr, wie jener frevlerische König ob der Geisterhand, welche das verhängnißvolleMene Mene Tekel Upharstn" an die Wand schrieb; denn wir wissen ja zum voraus, daß hier alles ganz natürlich zugeht. Um aber doch klug daraus zu werden, müssen wir den Schreibappa- rat etwas gründlicher studiren.

Da bemerken wir gleich an dem vorder» Arm des Schreibhebels, d. h. an demjenigen, welcher den Schreib­stift trägt, eine Spiralfeder welche den Stift vom Papier.

! streifen loSrcißt, sobald ein Punkt oder ein Strich gemacht ist. i Aber von der Kraft, welche den Stift hebt und andrückth ist ! auf dieser Seite nichts zu sehen. Dagegen erkennt jeder/ der schon einen Elektromagneten gesehen hat, an den zwei am hintern Ende des Hebels befindlichen Eisencylindcrn, die von feinem, mit Seide übersponnenem Kupfcrdrath in vielen Win­dungen umwickelt sind, und an dem Ende des Hebelarms selbst angebrachten eiserne» Querstück, das sich als Anker den Ei­senkernen nähert, so oft der Schreibstift de: Papierstreifen berührt, daß hier die elektromagnetische Kraft thätig ist, und daß zur Bewegung des Hebels und zur Hervorbringnng der Schrift auf dem Papierstreifen weiter nichts erforderlich ist, als daß bei jedem Punkt ein momentaner, und bei jedem Strich ein etwas länger anhaltender galvanischer Strom durch die Drath- windnngen geleitet werde.

Am eigentlichen Schreibapparat haben wir nun weiter nichts Wesentliches zu sehen, und wir können uns zu einem andern Gegenstände wenden. Wen übrigens noch die zwei klei­nen Schrauben interessiren, welche die Bewegungen des Schreib- Hebels zwischen gewisse Grenzen einschränken oder limitiren, und welche mau eben dcß regen Li mitatious sch rauben heißt, dem müssen wir noch sagen, daß die eine davon dazu da ist, den Schrribhcbel zu verhindern, mit dem Elektromagneten in unmittelbare Berührung zu kommen, während die andere nicht zuläßt, daß die Spiralfeder den Hebel zu weit znrückzieht. Würde nämlich der Anker die Eisenkerne berühren, so würde er so stark daran haften, daß die Spiralfeder ihn nicht schnell ge­nug wieder loSreißen könnte, so daß auch aus den Punkten kleine Striche würden; die betreffende Limitationsschraube läßt daher den Anker den Eisenkernen nur bis zu einem gewisse», kleine» Abstand nahe kommen. Würde aber die Spiralfeder den Schreibstift zu weit vom Papier und damit zugleich den Anker zu weit vom Elektromagneten entfernen, so könnte der Abstand der beiden letzter» so bedeutend werden, daß die Kraft des Magnets nicht mehr hinreichte. Len Schreibhebel in Bewe­gung zu setzen.

Der Meldung, welche unser Telegraphist während unseres Gesprächs erhielt hat sein Nachbar auf der nächsten Station eine Anfrage bcigcfügt. Das ist uns ganz willkommen; denn auf eine Frage gehört eine Antwort, und so werden wir auch noch Gelegenheit haben, zu sehen, wie telegraphier wird, d. h. wie cs unser Telegraphist augeht, damit sein Collega auf der andern Station das zu lesen bekommt, was er ihm sagen will, oder mit andern Worten, wie er es macht, um kürzer und län­ger andauernde galvanische Ströme, je nachdem er Punkte oder Striche Hervorbringen will, von hier aus nach der andern Sta­tion abgeheu zu tassen, die dann dort die Eisenkerne umkreisen und ihnen, so lange die Ströme selbst existiren, die Kraft ver­leihen, den Schreibhebel an sich zu reißen. Denn daß elektri­sche Ströme von einer Telcgraphenstation zur andern geschickt werden, das sagt man ja gleich jedem, der sich über die hohen, nackten Stangen, die sich in unfern Alleen und Straßen so un­schön ausnchmen, und über den langen Drakh, der wie ein Blitzableiter ohne Ende darüber gelegt ist, wundert und nach dem Zwecke derselben fragt. (Schluß folgt.)

Allerlei.

Kürzlich wurde im hannoverschen Gewerbeverein ein« Universalzange für den Hausgebrauch, die in Form einer Zange Hammer, Zange, Drahtzieher, Schraubenzieher und Bohrer in sich vereinigt, vorgezeigt.

Niemand soll sagen, die Deutschen könnten keine Sprünge machen. Ein Turner in Leipzig, Ni schwitz, hat jüngst im Schauturnen einen Sprung von 19 Fuß 8 Zoll Weite und 5*/, Fuß Höhe gemacht. Im Wettlaufe wurde eine Strecke von 600 Fuß in 24 Sekunden zurückgelegt.

Ein Engländer speiste bei dem Fürsten Kaunitz, versah eS und warf ein Glas Rothwein um. Der Fürst fuhr auf:Ist das Sitte m England?" Nein, antwortete der Engländer kalt, aber wenn es em- mal geschieht, so thut der Wirth, als sähe er eS nicht. ^

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