ein paar Tage später auf der Straße. einherschlenderte, trat die Wittwe an ihn heran und jagte ihm drei Kugeln durch die Brust.
Hoffen und Harren —
Geduld lautete oft genug das Rezept, welches Staatsmänner den Völkern verschrieben, die nach einer Aendcrnng unbehaglicher und untauglicher Zustände verlangten. Geduld, viel Geduld! wäre aucb ein passendes Motto zu den bairischen Kammerverhaudlungen über die deutsche Frage, die, wenn irgend eine, eine brennende ist, deren Lösung jedoch nach Ansicht der bairischen Kammeriuehrheit auf jene schöne, leider sehr ferne Zeit vertagt werden muß, wo alle erwünschten Din^e sich von selber machen werden.
Durch Ungeduld wird nun allerdings in der Regel nicht viel Gescheidtcs erreicht, am wenigsten werden schwierige politische Fragen dadurch zweckmäßig gelöst und die Geduld ist um so nothwendigcr, je verwickelter die zu losenden Ausgaben sind; aber Mahnungen zur Geduld, die au die Völker ergehen, haben nur dann Werth und Erfolg, wenn dieselben sehen, daß auch von den Berufenen und Verpflichteten Hand angelegt und daö Nothwendige nickt darum wieder verschoben wird, weil keine unmittelbare Gefahr vorhanden ist und das Drängen »ach Verbesserung sich wieder einmal gelegt hat.
Der deutschen Frage gegenüber ziemt sich ganz gewiß Geduld, aber nicht die Geduld des Richlsthuns, sondern die Geduld, die sich zeigt in Ausdauer und Zähigkeit des Handelns. Fast will es scheinen, als ob die Begeisterung, die im deutschen Volke für eine kräftigere Einigung glühte, zum Lhcit Nachlasse und einer dumpfen Gleichgültigkeit Platz mache, die sich in den Gedanken hineinlebt, es sei doch nichts zu machen. Gegen diese Geduld, die abwarten will, was da kommt, ohne zu handeln, kann man nicht entschieden und oft genug ankam- pfen. Das deutsche Volk darf nicht dem Barbarossa gleichen, der im Kyffhäuser schläft und der, wenn er aufwachl und erfährt, daß die Raben noch um den Berg fliegen, sich ruhig wieder hinlegt, um abermals Hundert Zähre zu — schlafen.
Ein verhättgniffvoller Scherz.
sLchlnß.)
Nachdem das Werk der Rache vollendet war, begab ich mich selbst zu dem Vater.meines gefallenen Gegners, zu dem Minister, um ihm das Vvrgegaugene mitzulhetteu. Er war rechtlich genug, mich persönlich freizusprechen und die Niederschlagung der Untersuchung beim Fürsten auszuwirken. Auf mein Ansuchen erhielt ick meinen Abschied und zwar „in Anbetracht meiner geleisteten Dienste" als Major. Tein Minister versprach ich, die Sache so lange geheim zu halten, bis er nicht mehr dadurch compromittirt werden könnte. Sodann verkaufte ich meine Güter und zog hieher. Jahrelang nagte die Erinnerung an jene Tage an dem Mark meines Lebens, bis das Alter und die Länge der Zeit mir Trost brachten. Neue freundschaftliche Bande, die ick seitdem angeknüpft, versöhnten mich wieder mit dem Leben, und da ich nach Kräften den Schuldigen bestraft hatte, so war ich ruhig beim Andenken an die mir entrigenen Lieben. Erst vorhin, da Sie, junger Freund, denselben Scherz trieben, der meine Schwester getödtet hat, da überfiel mich's auf einmal wieder glühend heiß und meine Phantasie zauberte mir die Bilder einer graue» Vergangenheit wieder vor.
Das ist meine Geschichte. Wie ich Ihnen vorausgesagt habe: sie ist arm und dürftig ausgefallen, weil mir die Sprache fehlt, um alle meine Empfindungen auszudrücken, und ich fürchte. Ihnen durch eine Erzählung lästig gefallen zu sein, die nur für mich ein Interesse haben kann, und die ich Ihnen, nur ge- nöthigt von Ihnen selbst, mitgethcilt habe."
Die Gesellschaft, welche die letzte Befürchtung des Majors schon durch ihre angespannte Aufmerksamkeit zur Genüge widerlegt hatte, versicherte ihn nun noch ausdrücklich, daß man der Erzählung mit größter Theilnahme gefolgt sei; insbesondere war das bei dem Brautpaar der Fall.
Noch unterhielt man sich etwa eine halbe Stunde über das Gehörte mit dem Major, bis man sich, da cs allgemach spät geworden war. unter herzlichem Händedruck trennte.' Die Stimmung der Gesellschaft war eine ernste, fast feierliche, und namentlich dem Major glaubte mau durch ein besonders inniges Entgegenkommen jeden möglichen Ersatz für die schweren Verluste seiner Jugend leisten zu müsse».
Tags darauf wollte Clara mit ihrem Bräutigam dem Major' einen Besuch abstatten. Aber seine Zimmer waren geschlossen und der Miethsherr, bei dem er gewohnt hatte, übergab dem jungen Arzt einen Brief, der folgende Worte enthielt:'
„Ihr habt mich schwach gesehen, darum treibt michs fort von Euch. Herzlichen Dank für Eure reiche Liebe. — Suchet mich nickt; Ihr würdet mich nicht finden. Lebet glücklich und vergesset einen grämlichen Alten, der Euch Gottes Segen wünscht."
Keine Unterschrift. Der Major war nach der Aussage des Hausbesitzers Morgens früh abgereist, sein einziger Diener mit seinem wenigen Gepäcke ihm gefolgt. Niemand ' mehr hat Etwas von ihm erfahren.
Allerlei.
sDaS jetzige Tanzen.j Was würden nnsre Vorfahren dazu sagen, wenn sie eine» Ball der Gegenwart mit ansähcn? Beim Anblick unsrer Maschinen, Dampfschiffe, Eisenbahnen, Telegraphen und vieler andrer Dinge würden sic staunen und gestehen, daß unsere Zeit im Vergleich zu der ihrigen ungemein weit fortgeschritten ist, — ein Blick auf die jetzige Art zu tan- zen aber würde wohl Verwunderung, aber nickt Bewunderung in ihnen Hervorrufen. Es geht das nickt auf die kunstreichen Quadrillen, Franxaisen und dergleichen, sondern auf die PKka's, schottischen und dergleichen Tanze, bei welchen jedes Paar für sich tanzt. Dieser Art Tänzen geht heutzutage nur gar zu häufig ab, was in früheren Zeiten beim Tanzen der Gebildeten nie gefehlt hat und auch nie fehlen sollte, einmal die Ordnung und dann die sichtbare Achtung derDa m cnwclt. Nicht als ob Ordnung nur in dem steifen Ceremonicll der früheren Tänzer und Tänzerinnen gesucht werden soll, aber — wenn die einzelnen Paare keinen Kreis mehr halten, Jedes tanzt, wie es will, von jedem beliebigen Punkte des Saales aus und nach jedem beliebigen Punkte hin, «quer oder schräg durch, vorwärts oder rückwärts, daß es aussieht, als sollte die Dame irgend wohin geschoben werden, und alles wirbelt bunt durch einander, so fehlt solchem Tanze sicherlich die Ordnung und mit ihr die Hauptbcdingung der Schönheit. — Sonst waren auf Bällen die Damen die Hauptpersonen. Gleichsam ihrem Dienste widmete sich in ritterlicher Weise die Herrenwelt. Den Vorwurf geringschätziger Behandlung, geschweige denn völliger Vernachlässigung einer Dame hätte man um Alles nicht auf sich kommen lassen, und jetzt? Mau sehe nur, wie die Tänzerinnen behandelt werden. Möge mir der Ausdruck verziehen werden, aber ist's nicht so, als wären sie dazu dresstrt und müßten auf jede Fühlung des Tänzers pariren? Wie's dem cinfällt — rechts herum, links herum, gerade aus, die Quer, — die Tänzerin muß sich's gefallen lassen, — ist das wohl in der Ordnung? Freilich, sie lassen sich's gefallen, denn fast ist's so weit, daß die Damen es als eine Gunstoezeigniig ansehen, wenn Herren sie zum Tanze auffordern; — so hcißt's nämlich jetzt, nicht wie sonst: die Damen nm einen Tanz ersuchen! Von einer Verpflichtung der tanzenden Herren, den anwesenden Damen den Ballabend angenehm zu machen, ist kaum mehr die Rede; sie tanzen eben zum eigenen Vergnügen, für ihr Geld, so lange sic Lust haben und mit wem sie mögen. Wirds ihnen etwas unbequem, so stellen oder setzen sie sich auf die Seite und sehen zu; um Damen, die sie weniger interessiren oder die sie nicht kennen, bekümmern sie sich nicht. - So ist's, und dcßbalb ist's so, wcil's an der früher» Achtung der Damenwelt fehlt; die Tänzerinnen werden leider als Vcrgnngnngswerkzeuge angesehen und behandelt; die Selbstsucht hat dem Tanzen die Anmukh und den ritterlichen Sinn der vorigen Zeiten genommen.
Druck und Verlag der G. W. Z a i se r'schen Buchhandlung. Äebaktt'lin ölzle.