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sxjn, wenn sie nichi Schauer und Marianne, Minna's jüngere Schwester, aufgefangen hatten.

Es ist nichts als Verstellung!" sprach Minna hart. Marianne aber versetzte sanft:Nein, Scbwester! Nanni ist wirklich unwohl. Ich werbe sie in ihre Kammer führen, ihr ein niederscklagendcs Pulver reichen und sie einige Stunden nicder- legen lassen."

Hierauf sagte Schauer zu sich selbst:Marianne ist eben so gnt wie scheu. Könnte sie mich lieben, jo würde ich mich glücklich preisen."

Als Marianne in bas Zimmer zurückkam, suchte Schauer eine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, indem er nach dem Be­finden Nannl's fragte.

Ein heftiger Schwindel hatte sie nach ihrer Aussage be­fallen" erwiderte Marianne.Jetzt friert sic, daß ihr die Zähne zusammenklappe». Später wird sich wohl Fieberhitze ein­stellen. Wissen Sie aber, Herr Nachbar, daß Nanni die Toch­ter Ihres Obersteigers Mascheck ist? Seit 2 Jahren steht sie in unfern Diensten und hat uns noch keine Ursaa-e zur Klage gegeben. Vielmehr ist sie still und nicht so tanz- und vergnü- gungstüchlig wie andere ihres Gleichen."

Schauer nahm sich vor, öfter wiederznkommcn und sich um Mariannens Neigung zu bewerben. Nach einigen Wochen, binnen welchen seine Hoffnungen in Bezug ans Marianne wuch­sen, vernahm er, daß Nanni wegen fortdauernder Kränklichkeit zu ihrem Vater zurückgekehrt sei. Wirklich traf er jene bald nach­her in Neuhalde an der Seite ihres Vaters. Auf bas Mädchen juschreitend, redete er es mit thcilnehmenbcr Stimme an;

Nun, mein Kind! wie stehl's um Deine Gesundheit? Habt Ihr" fuhr er znm Obersteiger fortschon den Arzt über den Zustand Eurer Tochter befragt?"

Mascheck verneinte die Frage, Nanni hingegen ward erst wie mit Blut übergossen und bann eben so plötzlich bleich wie «ine Leiche. Ihre Verwirrung zu verbergen, beugte sie sich zu Maria nieder, welche an der Hand ihres Pflegevaters hing, und fragte:Wie heißest Du, liebes Kind?"

Marie heißl die Blöde" antwortete Schauer für bas Kind, welches scheu und stumm an ihn sich drängte. Auch Nanni sagte nichts weiter und entfernte sich.

Als Schauer nach einigen Tagen von den Gruben heim­kehrte, vernahm er ein Schreckensgeschrci, sah er Leute herbei­rennen und, o Entsetzen! seine kleine Marie im reißenden Mühl­graben des Pochwerks dahiiureiben. Des Kindes blonder Lo­ckenkopf tauchte wiederholt empor und einmal nm'S andere streckte sich hülsestehend ein kleiner Arm aus dem wildtvbenben Wasser hervor. Dieser Anblick machte Schauern erstarren. Er sah ein, daß, bevor er das Kind im schnellen Laufe erreichen könne, Marie bereits unter das Triebrad geralhen sein müsse. Da, in dem entscheidenden Augenblicke, gewahrte Schauer, wie des Obersteigers Tochter muthig in Leu Mühlgraben sprang, dem dahertreibenden Kinde sich entgegenwarf und dasselbe nach ungeheurer Anstrengung seinem nassen Grabe entriß.

Entzückt preßte erst Schauer das triefende Kind, dann dessen Retterin an sein Herz, während sein Mund in heiße Dan­kesworte sich ergoß. Nanni sagte kein Wort dazu, sah aber den Bergwerks-Direktor mit einem Blicke an, welcher diesen in Ver­wirrung brachte.

Am andern Tage, da Marie bereits wieder munter umher­sprang, war Nanni noch bettlägerig. Als Schauer die Kranke zu besuchen kam, glitt wieder eine hohe Röthe über ihr Antlitz. Sie entfernte ihre Wärterin durch einen kleinen Auftrag aus dem Gemache, richtete ihr Auge stechend auf den jungen Mann und sprach, indem sie diesem ihre Rechte cntgegcnstrccktc, mit einer von tiefer Bewegung zeugenden Stimme:

Schämen Sic sich »och immer meiner? Ach, um Ihret­willen ward, ich ja zur Sünderin! Werden Sie wieder gnt zu machen suchen, was Sie an mir gethan haben? Und vermö­gen Sie das?"

Diese sonderbare Anrede versetzte Schauern in keine geringe Bestürzung. Sprach Nanni irre? Meinte sie in ihrer Fieberhitze die fallen gelassenen Weingläser, da sie sich eine Sünderin nannte? Hatte sich die Aermste vielleicht gar in ihn verliebt und

bildete sie sich ein, Frau Bergwerks-Direktorin zu werden? Hübsch, sehr hübsch war Nanni und wie leicht setzt die Liebe sie über noch schreiendere standesunrerschiede weg als hier der Fall war!

Mein gutes Kind," versetzte Schauer nach kurzem Ueberlegeuich verstehe nicht, was Dn meinst. Aber ich bitte Dich, Deiner jetzt zu schonen und Dein erregtes Blut ruhiger werden zu lassen. Uebrigens kannst Du Dich darauf verlassen, daß ich Dir ewig für Mariens Rettung dankbar sein und aus allen Kräften für Dein künftiges Glück sorgen werde."

Nach diesen Worten blickte Nanni de» Sprecher starr an. Ihre Mienen verfinsterten sich, und ihre Lippen zuckten, ohne einen Laut hervvrzubringen. Als jetzt die Wärterin wieder ein­trat, machte Nanni eine wegweisende Handbewegung und sprach heftig:Leben Sie wohl ft-

Schauer that, wie ihm ohne Umschweife geheißen worden war.

Es ist richtig!-- sprach er zu sich selbstdas Mäd­chen ist in mich verliebt und möchte meine Frau werden. Hübsch ist sie und Geld verlange ich nicht von meiner künftigen Frau, sondern Herzensgute und häuslichen Sinn. Aber meines Ober­steigers Schwiegersohn zu werden, würde nicht gut gethan sein. Ueberdieß hat Marianne bereits meine ganze Zuneigung. Ich bin es Nanni schuldig, jede Hoffnung ihr zu benehmen und reinen Wein ihr einzuschenken. Und dieß soll geschehen, so wie ste völlig wieder hergestellt ist.

Schauer erhandelte eine schöne, goldene Halskette, welche er für Nanni zum Geschenk bestimmte. Zu deren Ueberreichung wählte er eine Zeit, in welcher er den Obersteiger in dem Schachte wußte. In Mariens Begleitung verfügte er sich in des Obersteigers Wohnung.

Nanni'S erster Blick, welcher auf Schauern fiel, war ein freudig betroffener; der zweite aus das Kind dagegen ein dem ganz entgegengesetzter. Nanni zuckte zusammen; ihr Antlitz um­wölkte sich, und wie von einer plötzlichen Mattigkeit befallen, suchte sie einen Sitz, auf welchem ste sprachlos verharrte.

Nun, meine Marie-- hob Schauer zu dem Kinde an wie wolltest Du Deiner Lebensretterin thuii?"

Marie nestelte die goldene Kette von ihrem Halse ab und solche Nanni hinreichend, lallic sie:Da, gute Nanni! nimm das. Danke, danke dir auch schön."

Aber die Flötenlaute des Kindes machten Nanni erzittern. Ihre beiden Hände schlug sie vor ihr erbleichtes Antlitz und mühsam kämpfte ste ein ausbrechendes Schluchzen nieder. So saß sie stumm und regungslos, ohne dem Kinde die Kette abzunehmen. (Forts, folgt.)

Der Ruf vo» Deutschlands Schutzgeist

im Januar 1809.

Ihr schlaft und träumt erwacht! erwacht!

O hört den Klagruf durch die Nacht:

Weh dir, mein Deutschland, wehe!"

Nein das ist Menschenstimme nichi!

Hört wie's mit Gcisterlauten spricht:

Weh dir, mein Deutschland, weheft-

Woher der Schall? wer ist's der ruft?

Es tönt aus Aachen's Kaisergruft:

Weh dir, mein Deutschland, wehc!"

Es schallt ans Straßburgs Dom am Rhein, Schallt aus dem Bundesichloß am Main:

Weh dir, mein Deutschland, wehe!"

Es schallt dumpf von dem Nordsecstrand,

Es schallt durch's ganze deutsche Land:

Weh dir, mein Deutschland, wehe!"

Es schallt vor Hütte und Palast,

Es schallt allüberall ohn' Rast:

Weh dir, mein Deutschland, wehe!"

Jhr schlaft und träumt erwacht! erwacht!

O hört den Mahnruf durch die Nacht:

Weh dir, mein Deutschland, wehe!"

Erwacht! erwacht! noch ist es Zeit!

O Fürst und Volk macht euch bereit,

Daß Deutschland einig stehe!

Th. K.

Truck und Verlag der G. W. Za > sc r'schcn Buchhandlung. Redaktion: H SI zl c.