billiger, als irgend anderswo lebt, denn die Lagerhäuser der JakobS-Jnsel haben keine Besitzer, sondern werden erbrochen und bewohnt von denen, welche den M»th dazu haben, in Häusern ohne Dächer, wo die Thürcn ans die Straße fallen, und durch die leeren Fensterhöhlen, wo Sturm, Unwetter »»d Modergeruch freien Einzug haben, anSzndauern. Wie furchtbar muß die Noth mit ihrem Hungerzahn den Unglücklichen gepackt haben, bevor er sich entschließt, freiwillig ein von der civilisirten Welt ansgespicener Verbannter zu werden!
In dem ärmlichen Hintcrstnbchen eines wohnlichen Hauses, in diesem Reviere, schrieb ein Mann emsig an der Reinschrift eines gewaltigen Aktenstoßes. Obgleich eS noch hoch am Tage war, batte die Sonne doch bereits seit einer Stunde von dem Sackgäßchen Abschied genommen; daher brannte eine Thranlampe aus dem zerbrochenen Tische und beleuchtete das Antlitz und die Arbeit des Schreibenden, während ein großes Himmelbett im Hintergründe in dichte Finsterniß gehüllt war.
„William, ich ersticke!" ächzte es hinter den Bettvorhängen hervor.
Der also Angcrcdete sprang erbleichend von seinem Sitze auf, ergriff die Lampe und eilte zum Schmerzenlager. Er richtete den Oberkörper des Kranken,in die Höhe und beobachtete mit unruhigen Blicken die Züge des Leibenden, welcher von jenem hohlen, bessern Husten befallen war, der zu den traurigen Symptomen der Schwindsucht gezählt wird.
Der Brustkranke hatte kaum das sechzigste Jahr zurückge- legt; das bis auf wenige Silberlockcn kahle Haupt, die eingefallenen Wangen, in denen das Fieber nistete, das matte, verglaste Auge, ließen ihn jedoch um zwanzig Jahre älter erscheinen.
Nachdem er wieder zu sich gekommen war, griff der junge Mann nach einem Arzneiglase; der Kranke aber machte mit ungewöhnlicher Heftigkeit eine abw ehrende Bewegung: „Laß' es gut sein, William!" flüsterte er; „bald, reckt bald ist cs überstanden; bald werde ich einziehcn in die Wohnung des Friedens! Daß ich Dich im gränzenlosen Elende zurücklaffen muß, und cs mir nickt vergönnt ist, Dir mehr zu gebe», als den Segen eines sterbenden Vaters, bas allein erschwert mir die Trennung!"
„Nein, mein Vater! Tu kannst, Du darfst »och nicht sterben! Jetzt nicht! Dein Auge muß noch bessere Tage sehen! Bis zu diesnm Grade der Prüfung wird der Himmel cs nicht kommen lassen! Was soll aus mir werden, wenn Du nicht mehr bist?"
„Ein redlicher Mensch, mein Sohn; ein Mann, der nie zweifelhaft sein wird in der Wahl zwischen aufopfernder Tugend und vergoldetem Verbrecken. William! wenn es anders werden könnte, als ich hoffe, wenn Du durch Noth getrieben, abweichen könntest von dem Pfade dcS Rechtes-"
„Nie, niemals, mein theurer Vater!"
„Nie! — merke wohl auf meine Worte," rief der Sterbende mit einer Feierlichkeit, die einen bisher noch glicht empfundenen heiligen Schauer in des Sohnes Brust erweckte. „Wenn es ein jenseitiges Leben gibt, wenn eine Verbindung der Dahingeschiedenen mit ihren zurückgelasseneu Lieben möglich ist, wie ich hoffe, so wird mein Geist Dich umschweben und Deine Handlungen bewachen. Richte sie so ein, daß ich mit Dir zufrieden sein kan». Ich habe aus deine Jugend, wiewohl ohne Schuld, zahllose Sorgen, schweren Jammer gehäuft, mein Unglück hat Dich mit hinabgezogen in den Schlamm der Armuth! Was Du erstreben konntest, gabst Du mir; aber ich gab Dir mehr: ich bildete Dein Herz für alles Gute und Edle; ich habe Dich körperlich und geistig gezeugt. Bewahre mir diese Schätze, ich werde sie Dir dereinst absordern an der Schwelle des Jenseits! Lebe — wohl!"
Röchelnd sank der Sterbende auf das Kissen zurück. Ohne schwere Kämpfe entwand sich, ungefähr eine Stunde darauf, die Seele ihrer morschen Hülle.
Ein Thränenstrom stürzte über William's Wangen. Mit zitternden Händen drückte er des Verblichenen Angen zn, und sank dann vor dem Lager nieder in stillem brünstigem Gebete.
Das Gebet ist der Erpichterer jeder Herzensbürde, der
Abzugskanal für überschwengliche Freude und zn heftigem Schmerz, die vom Vater gebaute Himmelsleiter, welche aus dem Herzen hinausführt bis hin zum Wohnsitze der ewigen Liebe. Und dennoch, Leser, sind Dir nicht Menschen bekannt, die nicht beten können! — Die Unglücklichen! sie gleichen einem Lastträ- ger, der unter seiner Bürde so lange keucht und stöhnt, bis er zusammen,stürzt; ihnen fehlt der kindlich-gläubige Sinn, und somit ist ihnen auch der Himmel verhangen und die Liebe entfremdet, und das Herz, das stolze, umkrustet in der zerrissenen Brust.
Als der Verwaiste sich wieder erhob, hielt gerade die mit Sternenkränzen geschmückte Nacht ihren Herrschereinzug unter feierlichem Schweigen, und hauchte warmen Liebcsathem über die Erde hin. Doch des von seinem letzten Anverwandten Verlassenen Wimpern schloß kein erquickender Schlummer, seine Brust blieb unberührt vom Hauch der Liebe. Des Vaters Leiche vor Augen, schrieb er emsig an der Reinschrift des Aktenstoßes; es mußten ja die Begräbnißkosten erschriebcn werben. (Forts, folgt.)
Allerlei.
Kriegslied gegen die Wälschen.
Bon Ernst Moritz Arndt.
Und brauset der Sturmwind des Krieges heran.
Und wollen die Wälschen ihn haben.
So sammle, mein Deutschland, dich stark wie Ein Mann Und bringe die bluiigen Gaben,
Und bringe das Schrecken und bringe das Grauen- Bon all deinen Bergen, aus all deinen Gauen Uns klinge die Losung: Zum Rhein! Ueber'n Rhein! Alldeutschland in Frankreich hinein!
Sie wollen's: So reiße denn, deutsche Geduld!
Reiß durch von dem Belt bis zum Rheine!
Wir fordern die lang gestundete Schuld —
Auf Wälsche, und rühret die Beine!
Wir wollen im Spiele der Schwerter und Lanzen Den wilden, den blutigen Tanz mit euch tanzen.
Wir klingen die Losung: Zum Rhein! Ucbern Rhein! Alldeutschland in Frankreich hinein!
Mein einiges Deutschland, mein freies, heran!
Wir wollen ein Liedchen euch singen
Von dem, was die schleichende List euch gewann.
Von Straßburg und Metz und Lothringen!
Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben!
So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben:
So klinge die Losung: Zum Rhein! Ueber'n Rhein! Alldeutschland in Frankreich hinein!
Mein einiges Deutschland, mein freies, heran!
Sie wollen, sie sollen es haben!
Auf! sammle und rüste dich stark wie Ein Mann,
Und bringe die blutigen Gaben!
Du, das sie nun nimmer mit Listen zersplittern.
Erbrause wie Windsbraut aus schwarze» Gewittern!
So klinge die Losung: Zum Rhein! Ueber'n Rhein! Alldcutschland in Frankreich hinein!
— „Tri pp st rill" existirt, es ist eine Merkwürdigkeit des Zabergäuthals im Oberamt Brackenheim, ein kleiner verödeter, einst aber sehr bedeutender Marktflecken. Der Erbauer desselben war der römische Hauptmann Trcpho um das Jahr 278 n. Ehr. herum. Er nannte den Ort nach seiner Gemahlin Truilla Namen: TrephoniS Truilla, woraus Trippstrill entstein- den ist. Nicht weit davon liegt der sog. „Balzhof" und der Ort „Frauenzimmer" mit einer Mühle. Daraus machte die Sage eine „Pclzmühle, wo die alten Weiber jung gemahlen werden" und mehrere berühmte Künstler des 16. Jahrhunderts, z. B. Bekam, de Brye u. A. schnitten in Holz und Kupfer ganz ernstlich die Abbildung dieser Mühle, wo man die alten Weiber auf einer Seite hineingeworfen und verjüngt auf der andern herauskommen sieht. Trippstrill wurde zuletzt durch den Pfalzgrafen Ruprecht im Städtekrieg zerstört, von den Gebäuden findet man nur noch Ruinen, Brunnen und Viehtränken-
Druck und Verlag der B, W,Z«is-r'schkN Buchhandlung. Redalti-m: Höljlc.