Md sagte dann: „Eure Angelegenheit werde lick untersuchen und sofern ich das, was Ihr saget, der Wahrheit getreu befinde, Euch auch Ruhe verschaffen; Euer Weg soll kein vergeblicher gewesen sein. Auch seid hinsichtlich Eures Sohnes unbesorgt; ihm soll die sorgsamste Pflege zu Theil werden. Ist ec, was ich hoffe, genesen, so sollt Ihr ihn bald Wiedersehen und dann mag er seine Rosel ehelichen. Ich habe mich gefreut, einen so guten trefflichen Sohn beobachten zu können. Wollte Gott, cs könnte sich jeder Baker solch braver Söhne erfreuen; denn ein guter Sohn, der seinen Vater liebt, ist auch ein guter Soldat und liebt auch seinen Kaiser; dies sind seine sichersten und festesten Stutzen!"
Damit war der Bauer entlassen. Bon den Acrzten erfuhr er, daß sein Sohn ans jeder erheblichen Gefahr sei und beruhigter betrat er am Abend das Zimmer des Kaisers, der ihm ein Schreiben für den Statthalter, Grafen von Boruy, in Gratz übergab. „Es wird schon anders werden", sagte er huldvoll zu ihm. „Geht nur ruhig in Eure Hcimath zurück; Eure Noth ist dem Ende nahe. Euren Sohn überlaßt mir, ich werde statt Euer sein Wohl im Auge halten. Doch dem frommen und treuen Rosel gebt hier, tritt sie mit ihrem Anto- nel zum Traualtar, mein Hochzeitsgcscheuk, ich belohne die Tugend gern!"
Dabei legte er ein kleines Kästchen in die Hände des innig bewegten Vaters, worauf er eigenhändig die Worte geschrieben hatte: Dem in der Tugend getreu und standhaft verharrenden Rosel von ihrem Kaiser Joseph.
Der kaiserliche Brief, den der alle Brüchel heimkehrend dem hochgebieteuden Statthalter in Gratz gab, befreite sogleich das arme Rosel aus dem Gefäuguiß und ihn von den Bedrückungen des Amtmanns. Und kaum war der Sommer mit lichtem Prangen und farbigem Glanz über die Erde gekommen, da kehrte auch sein Sohn, geheilt und genesen, in der blanken Grenadieruniform, mit der hohen silderbeschildctcu Bären- mütze heim, ein rechter Stolz für il»i und das ganze Dorf. Zwar hatte er nur kurzen Urlaub, dafür aber auch des Kaisers eigene Erlaubniß, sein Mädchen zu hcicathen und nur mit ihr wieder nach Wien zurückzukehren. Wahrhaftig, hier galt kein langes Zaudern und Sträuben, und wenn sich auch Rosel vorder großen, fremden Stadt fürchten wollte, so kam sie nicht recht vor dem Kuß des Geliebten und der eigenen Herzensfreude dazu. Am Sonntage sah die alle, kleine Kirche des Dorfs ein schönes und glückliches Paar und die junge Braut schaute noch einmal so rosig und lieblich aus, denn sie trug nm den Hals das Gnadengeschenk des Kaisers, eine goldene, feiugeglicderte Kette, aus vier cmaillirten Schildchen gebildet, an denen ein kleines Medaillon mit des Kaisers Bilduiß hing.
Gleich nach der Hochzeit schieden die beiden Glücklichen, wenn auch mit schwerem Herzen, so doch mit den freudigsten Hoffnungen. In Wien erhielten sie die Weisung, sich nach Schönbrnnn zu begeben. Hier wartete ihrer schon ein besonderer Befehl des Kaisers, nach dem Anton mit dem Amte eines Castellans betraut wurde, und eine eigene Dienstwohnung beziehen mußte.
Wenn die innigste Neigung nud Hingebung AntonS und seiner Gattin die Wohlthat dcö Kaisers lohnte, so hielt auch er sein Auge mit Wohlgefallen aus beide gerichtet. Sobald er in Schönbrunn anlangte, begann gleichsam eine Reihe festlicher Tage für sie, und war er von ihnen gegangen, schien ein Theil ihres Glücks zu fehlen. Jede Gelegenheit benutzten sie sorgsam , ihm Freude z» bereiten, sei es selbst nur durch ein einfaches Sträußchen, das sie auf seinen Weg legten.
So schlang sich allmählig ein heiliges Band der Liebe um diese edeln Seelen, den Höchsten mit den Geringsten verbindend. Mehr als die Meinung und das Vorurtheil der Welt galt ihnen das Reine und Wahre. In diesem Punkte trafen, die Philosophie des Kaisers und die schlichte Einfalt der in seine Nähe versetzten Bauersleute zusammen.
Jeder kennt den eigenthümlichen Charakter Josephs II., der., gern in der einfachsten Hütte den, werthvollsten Kern, ein menschliches und edelmüthiges Herz, suchte. Darum trug er auch..stets, ein gewisses sehnliches Verlangen nach dem braven,
Castellau, vor allem, als er ernstlicher zu kräukeln anfinq und endlich bas Lager nicht mehr verlassen durfte. Dann mußte in den Abendstunden Antonel bei ihm erscheinen, ihm von der Steiermark und ihren Bergen erzählen, harmlose Plaudereien, denen der Kaiser gern lauschte. In solchen Augenblicken fiel alles Ccrcmoniell des Hofes nnd es schien, als seien beide Männer nur dnrch die Jahre von einander getrennt, durch eine innige Freundschaft aber verbunden.
Im Februar 1790 nahm die Krankheit Josephs Ik. einen immer gefährlicheren Charakter an, immer näher trat ihm der Tod.
„Ich werde bald von hinnen gehen", sagte er eines Abends zu Antonel, der jetzt fast nie von seinem' Lager wich. „Mir bäucht, mein Stundenglas ist bald abgetanst». '
Diese Acnßerung warf den treuen Diener ganz nieder. Laut schluchzend kniete er am Bett und suchte dem Herrn Trost zuzusprechen, Trost, dessen er selbst am meisten bedurfte. Zn seiner Gattin sprach er bei der Heimkehr trübe: „Unser guter Kaiser wird sterben, cs ahnt mir. Rosel, gib Acht: ist er nickt mehr, dann geschieht auch etwas mit mir!" Als er sie erblei- cken und erschrecken sah, schwieg er und wagte ihr nicht Alles zu sagen, was er empfand.
Es war gerade acht Tage vor dem Tode des Kaisers, da fühlte auch der junge rüstige und starke Mann es plötzlich wie einen Stich in der Brust; doch ging er, da ihn Joseph hatte rufen lassen, zu ihm hinüber. Allein nach einer Stunde schon ward sein Schmerz heftiger, die Beklemmung ängstlicher und er mußte sich entfernen. ES schnitt ihm durch das Herz. Noch einmal betrachtete er das Antlitz des schlummernden Kaisers, drückte noch einen Kuß auf dessen zarte, abgemagcrtc Hand und schied.
„Es ist das letztemal, daß ich ihn hier auf dieser Erde sah", sagte er noch im Weggehen zu dem dienstihneuden Kammerdiener, und trocknete sich die Thränen. Vielleicht bald dort oben!"
Ein Fieber hatte ihn ergriffen, aber der Arzt versicherte, trotz den wilden Fantasien des Kranken, worin er beständig mit seinem Kaiser verkehrte, daß der Kranke in seiner Jugend und Kraft cs übersiehe» werde.
Bald vermißte auch Joseph den geliebten Diener und wunderte sich über depen Außenbleiben. Als man ihm jedoch sagte , daß der Castellau selber im Fieber läge, fbrach er leise: „Ein treuer Diener, der seinem Herrn selbst durch das Todesthal folgt."
Am 20. Februar entschlief der Kaiser sanft und ruhig. Schnell verbreitete sich diese ischreckenSkunde in alle Gassen, in alle Häuser der Stadt, nur Rosel verbarg sie ihrem Gatten. Denn die Aerzte hatten ihr die sicherste Hoffnung seiner Genesung gegeben, wenn sein Gcmüth durch nichts erschüttert würde. Unnvthige Sorge! Als sie an sein Lager trat, sagte er mit matter Stimme-. „Mir ist wohl. Nun mein Kaiser todt ist, werde auch ich zur ewigen Ruhe entgehen, wo uns kein irdischer Stand mehr trennt."
Erschrocken fuhr Rosel zurück: „woher weißt du die Kunde?"
„Er rief mich! Ich hörte seine Stimme!" cntgegnete er kaum vernehmbar.
Da stürzte die treue Gattin nieder auf den Kranken mit lautem Schrei, denn plötzlich, als er sein Haupt wieder auf das Kissen legte, durchzuckte ein Schlaganfall seinen Körper
nnd er war verschieden, war seinem kaiserlichen Herrn gefolgt.
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Rosel zog mit ihrem einzigen Kinde, einem Knaben, wieder heim in das stille Dorf zu ihren Pflegceltern, wo der Vater, iudeß zum Greise geworden, sic tieftrauernd aufnahm. Sie verheiralhete sich nicht wieder. Mancherlei Schicksale gingen an dieser ehrbaren Familie seitdem vorüber; ihre Glieder lebe» verstreut, außerhalb der alten Heimath, doch bewahrt der Enkel des ehemaligen Castellans zu Schönbrnnn noch die Kette, welche Kaiser Joseph einst der Braut desselben verehrte, als ein theureS Erbstück nnd werthes Andenken.
Truck und Verlag der G. W. Z a i sc r'schen Buchhandlung. Sicdaktwn: Hölzle.