auch noch rüstig zur Seite. Mit dankbarer Freude gegen Gott konnten Beide zurückblicken auf eine lange schöne Laufbahn. Wenn sie unter der umfangreichen Linde zwischen der kleinen Filialkirche und dem Schulhause mit einander sahen und ihre Blicke über das tiefer gelegene Dorf in seiner ganz umgewan- delten Gestalt dahin gleiten ließen, dursten sie einander wohl stilllächelnd die Hände drücken oder auch eins dem andern zuflüstern: „Denkst Du noch zurück, wie es^ einst hier aussah?"
So saßen sie wirklich eines schönen Spätsommerabends da und überblickten den Schauplatz ihres schönen Wirkens in recht seliger Feierabendstimmnng.
„Denkst Du noch daran," — fragte Mutter Hanna — „wie Du mich heule vor dreißig Jahren dort den Beerberg hereinführtest und ich alle Augenblicke dachte, mein Kammer, wagen müsse in Stücken gehen, so entsetzlich war der Weg? Und im Dorfe war kaum durch den Morast zu kommen, und die Bauerdirnen und Bursche glotzten die Neuvermählte ihres Schulmeisters ohne ein Wort der Bewillkommnung an."
„Und an der Schenke" — fiel er ein — „konnten wir nicht vorbei, weil da des Richters Fuhrwerk den Weg versperrte. Er hatte uns entgegenkommen wollen, war aber in der Schenke beim Bicrglas fitzen geblieben. Und wie wir nun ganz verlegen da hielten, ging ein Höllenlärm in der Schenke los, und nicht lange dauerte es, ging cs unter Fluchen und Schreien klirr klirr — ein Biergias flog durch das Fenster dicht an uns vorbei, ja streifte meinem Frauchen die rosige Wange. Endlich brachte man den Richter blutend Herausgelragen und in seinen Wagen. Wärest du abergläubisch gewesen, so würdest Du diesen Einzug für ein unhcilweissageudcs Omen gehalten haben."
„Denkst Du auch noch an die Taufe unserer Klara?"
_nahm die Frau wieder das Wort — „wie da der Doktor
Körner, der hier geboren, aber seit zehn Jahren nicht hier gewesen war, seinen Geburtsort gar nicht mehr erkannte und Abends wie auS den Wolken gefallen da saß, als die Bursche uns ein Ständchen brachten, wobei sie Dein sechsstimmiges Notturno so meisterhaft ausführten? Ta nannte er Dich einen Hexenmeister, Du aber gabst Gott die Ehre und der heiligen Mufica."
„Ja, die heilige Mufica!" — sagte Jonas — ,,waS wäre unser Werk wohl ohne die heilige Mufica? Wie stände es überhaupt um die Civilisation ohne Kunst? Die Kunst hat mir mein Friedethal civilistrt" —
„Und die Liebe" — fiel Hanna ein.
„Liebe und Kunst sind Diosknren" — bemerkte er; — sie sind unzertrennlich. Ohne Liebe kein Kunstsinn, ,ob»e Kunstsinn keine Liebe — Beide sind Blüthen einer Wurzel. Wo nicht viel Liebe im Herzen ist, da kann auch die Kunst nicht gedeihen, wo die Kunst nicht blüht, da find auch die Herzen kalt. Nun, wir haben mit warmem Herze» die liebe Tonkunst gepflegt und mit ihr die Kunst der Menschenbildung verknüpft. Der Allgütige, der mit jedem treuen und redlichen Wirken ist, hat das unsere reichlich gesegnet, sein Name sei gelobt. Auch hat er uns an unfern Kindern die Freude erleben lassen, daß sie alle wackere Künstler geworden sind."
„Ja" — sagte Hanna — „bis auf das jüngste. Es ist doch eigen, daß die Klara, obgleich sonst zu Allem geschickt, so wenig Anlage zur Musik hat.f Sie wird nie einem ihrer Geschwister Nachkommen."
„Das glaub' ich auch" — versetzte er — „nun, Virtuosen können wir nicht alle sein. Klara ist bei alledem eine tief- innerliche, poetische, also immerhin künstlerische Natur. Ihr Genius wird sich nach einer ganz andern Richtung entfalten, als auf dem eigentlichen Kuustgcbiete. Sie wird in der rein weiblichen Sphäre ihre künstlerische Natur, ihre Productiv- und Bildnerkraft betbätigen, sie wird, hoff' ich, eine treffliche Gat. tin, eine vorzügliche Mutter werden."
Während die Beiden sich so unterhielten, fand gar nicht weit von ihnen ein Austritt statt, der zu den letzten Worten des Schulmeisters bestens stimmte. Auf der Hinterseite des Schulhauses lag ein Grasgarten und in diesem Grasgarten war ein hebeähnliches Wesen beschäftigt, Wäsche aufzuheben. Es hat (Hiezu eine Beilage, Revier-Holz-Pre
wohl mancher Leser ein lieb goldig Schulmeistcrstöchterlein ken. nen gelernt, aber so taufrisch und sonnenwarm, so lilienweiß und rosenroth, so schlank und zugleich so rund, läßt nicht jeder Blick über einen Schulgartenhag eine Maid ihn sehen, wie da im Schulgarten zu Fricdethal in diesem Augenblick sichtbar war. Und es gab zwei Augen, in welche die holde Erscheinung mäch. tiger leuchtete als selbst der Purpnrglanz, der eben hinter den Beerberg hinabfinkcnden Sonne. Das waren die Adleraugen des jungen Lebnrichters, der oben am Lerchenhübel bei seinen Arbeitöleuten stand, die eben im Begriff waren, den letzten Erntewagen für dieses Jahr zu bäumen. Und nicht lange dauerte es, so richteten auch die blauen Augen des schönen Kindes im Schulgarten sich nach dem Lerchenhübcl, und ein holdes Erröthen, ein sanftes Lächeln deutete an, daß eö ihm gar nicht gleichgültig war, daß jene zwei Augen ans ihm ruhe- ten. Aber wo einmal zwei Blicke so gern sich begegnen, da dleibt's nicht lange bei solch telegraphischer Zwiesprache. Kaum war der Baum fest auf dem Garbenschweren Wagen, als der junge Mann seinen Oekvnomenstock unter den Arin nahm und wie der Blitz über die Felder nach dem Schulgarten hinab rannte, und eh' das goldlockige Mädchen darin sich dessen versah, war er über die Weißdornhecke gesprungen und hatte ihre beiden Hände gefaßt. Und nun, wie schmolzen da die Blicke der beiden jungen Menschen liebesüberselig ineinander, wie ga. den die verklärten Mienen es hell z» erkennen, daß es hier in zwei Herzen maiete und zum vollsten Entfalten ihres Wesens drängte!
„Heut, Klärchen" — sprach der junge Mann zu der Jungfrau — „heut' Hab' ich meine Ernte beendigt, eine Herr- liche überaus reiche Ernte, und heute muß ich mir zu diesem Gottes e-egen noch einen holen — den Segen Deiner Eltern zu unser,» Bunde. Komm, laß sie uns darum bitten."
Jetzt wurde das Mädchen ganz Purpur im Angesicht bis in die Halsgrnbe hinab. „Wie?" — flüsterte sic mit bebendem Munde — „Alexander — Sic wollten —Sie könnten — ich, ein so armes Mädchen —"
„Ach, wie kommit du mir denn vor, Klärchen? Hat Dir denn das nicht Dein Herz längst gesagt, daß ich Dich zur sü. ßcn Gefährten meiner Tage erkoren, auch ohne daß ich zu Dir sagte: sei mein Weib? Weißt Du ,nicht, daß Tu längst in meinem Herzen herrschest, und war eS nicht aneb bei Dir so, füll ich nicht auch Dein Herz schon lange ans? Ja es ist so — Tu liebst mich — komm mit zu Deinen Eltern, ich sah sie vom Felde aus unter ihrer Linde sitzen."
Und Klara sank an seine Bruck und sagte weinend: „Wie Du willst, mein Alexander!" (Forts, folgt.)
Allerlei.
— Bruchsal, 2. Febr. In dem 1 Stunde von hier entfernten Orte Heidelsheim trug sich am 29. v. M. eine seltsame Handlung zu, die der Aufzeichnung nicht unwerth sein dürfte. Es gingen nämlich einige Personen die Wette ein, daß ein dortsclbst wohnender Landmann im Stande sei, 30 Stück Dampfnudeln zu essen, wie sie gewöhnlich auf dem Lande zubereitel werden. Das Wettessen ging Abends 6 Uhr in einem Privathause vor sich, wobei denn erwähntes Individuum nicht nur in einer halben Stunde die bestimmte Zahl Dampfnudeln verzehrt, sondern nach denselben in einem Wirthshause noch zwei Würste, für 1 kr. Brod, 3 Schoppen Apfelmost und 10 Schoppen Bier verschlang. Folge dieses „Bravourstücks" waren ein ruhiger Schlaf die Nacht über und ein gesunder Appetit am folgenden Morgen, welch letzter» der Betreffende dadurch bekundete, daß sein erster Gang Morgens um 7 Uhr in die Metzig war, woselbst er sich neuerdings mit Lebensmittel versah. _
Auflösung der Rechnungs-Aufgabe in Nro. 12:
Die Zähler find 3, 5 und 7, also die verlangten Brüche:
°)13, 7/l7.
Druck und Verlag der G. W. Zaiser'scben Buchhandlung. Redaktion: H-ljle.
des Forstamts Wildberg betreffend). ^