geht ungetröstct vom Tanuenbof; zur Erntezeit wird eine reichliche Tafel gedeckt, nickt nur für die Schnitter, sondern auch für die armen Achrenleser von nah und fern, und Margelle war für Alles, was ihr je gegeben worden, nicht so dankbar, als für das, was sie jetzt geben darf.
Daß sie einmal in der Stadt gedient hat und der Zögling einer Gräfin war, das merkte man nicht an ihrer Kleidung, auch nicht au ihren Gederden und ihrer Haltung, vielleicht fleht man's an der größeren Nettigkeit und Reinlichkeit, mit der sie Kinder und Hauswesen halt, und an der gewinnenden Freundlichkeit und Leutseligkeit ihres Benehmens gegen Jedermann.
Als Margetle vor zehn Jahren Hochzeit gehabt hatte und so Besitzerin des Hofes war, da hatte sie mit ihres Mannes Einwilligung das Oberstübchen, in dem die Ahne gestorben war, ganz nett, fast wie ei» Stadllogis Herrichten lassen, dann war sie mit sammk ihrem Mann in die Lladt gefahren, sie wollte Leu alten Herrn Doktor mit allen seinen Büchern her- führcn, damit er bei ihr ohne Sorgen seine Tage beschließen könnte. Sie traf ihn nicht mehr lebend, man hatte ihn eines Morgens, sanft cingcschlafe», tvdt im Bette gefunden. Er hatte sein Margetle aber nicht vergessen, sondern ihr eine schöne und passende Auswahl seiner Bücher vermacht.
Margetle selbst hat freilich nicht allzu viel darin gelesen, aber für ihre Kinder war dieß Erbe spater ein köstlicher Schatz.
So hatte also der alle Herr sein Stübchen nimmer bezogen, dafür hat aber Margetle die Freude erlebt, daß später einmal die Frau Gräfin mit zwei Enkeltöchterchen eine ganze Woche bei ihr znbracbte; sie wäre wohl noch länger geblieben, aber die kleinen Komtessen haben so viel Butterbrod gegessen und süßen Rahm getrunken, daß ihnen immer übel wurde. Eh' die Gräfin säsicd, bestellte sie noch einen schönen Denkstein für die arme Spinnerchristine, ihre treue Dienerin.
Es ist ei» schöner Sonntag Abend, und die Familie sitzt, wie schon manchesmal, in behaglicher Sonntagsruhe auf dein Vorplatz, Georg und Margetle auf der Hauöbank, dem Achne hat man seinen ledergepolsterten Lehnstuhl in die Sonne gestellt, zwei rotbbackige Knaben und ein lustiges Mädchen tummeln fick auf dem Hof, wie vor Zeiten der Georg und seine Geschwister. Statt des kleinen Margetle's aber sitzt ihr^ ältester Bub und liest mit lauter Stimme die Geschichte des Joseph aus der Bibel vor, er schreit dabei so gewaltig, daß der Aehne meint, der müsse Pfarrer werden. Ueber den vielen Träumen in Josephs Geschichte fiel dem Margetle ihr eigener verschollener Traum wieder ein, und sie sagte neckend und lachend zu ihrem Mann: „Gelt, mit der Königin ist'S eben doch nix geworden.'"
Der Georg aber sah seine muntern, gesunden Kinder an, er sah hinaus auf sein gesegnetes Erbe, und dachte an den Frieden seines Hauses, dann blickte er sein gutes, treues Weib an, und er hätte gern etwas gesagt, aber der Georg war all' sein Lebtag kein Redner gewesen; da fiel ihm aber etwas ein und er rief seinem Jakob: „du, gib mir die Bibel, ich will euch auch etwas lesen," er brauchte nicht lang zu suchen, er war wohl daheim in dem heiligen Buch, und er Hub an zu lesen:
„Wem ein tugendsam Weib bcschcerct ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie thut ihm Liebes und kein Leides sein Leben lang. Ihre Söhne kommen auf und preisen sie selig, und ihr Mann lobt sie: Viele Töchter bringen Reichthum, du aber übertriffst sie Alle. Lieblich und schön sein ist nichts, aber ein Weib, das den Herrn fürchtet, soll man loben."
Dem Margetle traten Thränen in die Augen und sie senkte ihr Haupt recht demüthig, wie wohl eine fromme Königin an ihrem Krönung« tage.
Denn das war auch eine Krone.
Allerlei.
— In England lebte ein ordentlich getrautes Paar seit langen Jahren in Streit und Hader, und wenn die Frau ihren Mann recht ärgern wollte, so sagte sie höhnisch: „Gott sei Dank, ich hoffe, noch auf deinem Grabe z» tanzen, und das soll mir ein rechtes Fest sein!" Diese oft wiederholte Dro« hung ,chien endlich bei dem Manne zu einer Art festen Idee geworden zu sein. Vor Kurzem starb endlich der Arme, und da er keine Kinder hinterließ, kamen alle Verwandten herbei, um der Eröffnung des Testaments beiznwohnen. Wie staunten sie da, als die erste Bestimmung des Testaments lautete: „Mei- neu Leichnam soll man mindestens eine Viertelstunde weit draußen im Meere einsenken, damit meine Frau nicht auf meinem Grabe tanzen kann.
— Aus Alexandrien schreibt mau unterm 15. Jan.: „Gestern wurde ein Wallfisch, der leblos vom Meere bei Ag- kann (Berberei) ans Land geführt worden war, durch einen eigens abgesendeten ägyptischen Dampfer bisher gebracht und im Bassin des Arsenals ausgestellt. Die riesigen Dimensionen zogen das schaulustige Publikum in großer Menge heran. Der Körper dieses ThiereS ist 50 Fuß lang und 10 Fuß breit; im Vorderleib ist er st Fuß hoch und der Rachen mißt 5 Fuß in der Breite."
— Einige Tage vor dem Eintritt des bekannten Ereignisses ging ein sinniger Straßenjunge Berlins in der Nähe des Potsdamer Thors. Da ertönen auf einmal von Tegel her Kanonenschüsse, und der patriotische Gamin zählt klopfenden Herzens die Zahl derselben, um — 36 oder 72? — herauSzu- kriegen, ob's ein Prinz wäre oder eine Prinzessin. Leider aber fielen nur 10 Schüsse, und bitter enttäuscht rief der Bursche: „HerrjeS nich mal en Mächen!" — Als aber einige Tage später die Hoffnung zur frohen Wirklichkeit geworden war, schrie der alte „Vater" Wrangel, als er die Stufen vom Palais herabschritt, der neugierigen Volksmenge zu: „Kinder, es is cn neuer Recrute angekommen!"
— Die Anwendung des galvanischen Stroms zum schmerzlosen Heransziehen der Zähne, ursprünglich von Amerika aus« gegangen, wird auch in Deutschland immer mehr geübt. Die Patienten fühlen durchaus keinen Schmerz und wenn der Zahn heraus ist, wundern sie sich nicht wenig über die schmerzlose Operation. Sie bekommen den negativen Pol einer Bunsen'« scheu Batterie in die Hand, während der positive Pol mit dem Zahnschlüssel in Verbindung gesetzt wird. Hierauf wird derselbe mit einem ledernen Handschuh — ei» seidener ist nicht nothwendig — gefaßt und der Zahn ausgezogeu. Schädliche Zufälle bei oder nach der Operation wurden nicht beobachtet.
— Die gesundeste Luft und die gesundeste Lebensweise scheint in Armenien zu Hause zu sein. Dort werden die Leute nicht selten 115—120 Jahre alt.
Goldene Sprüche des Großvaters auf dem Lande.
Pferd e.
Berg an treib mich nicht,
Berg ab hetz mich nicht.
In der Eb'ne schon' mich nicht.
An der Kripp vergiß mich nicht.
' Striegel und Streu Thun mehr als Heu.
Fischerei.
Wenn das Land reich ist, ist das Wasser arm.
Nasse Jäger, trockne Fischer.
R ä t h s e l.
Ich kenne zwei Schwestern, die treten vor'S Haus,
Es treiben sie beide die Eltern heraus;
Die eine vertreibet der böse Papa,
Die and're verjaget die heitere Mama.
Sie zittern und beben und laufen bergab Und finden nicht selten auf Rosen ihr Grab.
Da hüllt sie behende ein Leichentuch ein —
Wer mögen die Eltern, die Kinder wohl sein?
Druckund Verlag derG.W.Zaiser'schen Buchhandlung. Redaktion: 4»ljl».
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