das Kind einer andern Mutter zu sein. Sie war so froh, daß die Gräfin nichts von ibrcn dummen Gedanken wußte, und wurde roth, wenn diese sie nur anblickte, weil sie fürchtete, sie lese es aus ihren Augen.

Nun versprach ihr die Gräfin, sie wolle in den nächsten Tagen zu ihrer Herrschaft, und diese bitten, sic ihr abzutrete»; dann sollst du bei mir bleiben und ieb will besser sorgen für dich, als ich für deine arme Mutter gcthan."

Tief bewegt und doch mit leichterem Herzen, als sie ge­kommen war, ging Margetle wieder nach Hause, sie meinte, cs seie inzwischen wohl ein Jahr verflossen, und wunderte sich, daß die Köchin jetzt eben erst das Mittagessen auslrug.

Der Doktor war indessen in unruhiger Erwartung rastlos in seinem Stübchen auf und abgegangen. Er erwartete nichts anderes, als daß Margetle mit der Gräfin alsbald im Wagen anfahren werde, bereits in gräfliche Gewänder gekleidet; ob er sie nur auch wieder erkennen würde! Oder kam sie am Ende gar nicht und hatte in ihrem Glück bereits ihren treuen alten Freund vergessen?

Noch war er im Besinnen, als er Margetle's raschen, leichten Tritt die Treppe heraus hörte, und das alte Margetle, im schwarzen Bandhänbckcn und kurzen Rock sprang herein, gab ihm die Hand und konnte vor Lachen und Weinen kaum zu Athem und Worten kommen.

Nun, was ist's?" fragte der Doktor gespannt.

Nichts ift's mit der Grafschaft!" lachte Margetle.

Und die Sachen, das gräfliche Wappen, der Name?"

Meine Mutter ist einmal Magd gewesen bei der Gräfin, daher hatte sie das Sacktuch und ich die Kette."

Armes Kind," sagte der schwergetäuschte Doktor mit langem Gesicht,und ich alter Narr habe dich in vergeblichen Hoffnungen eingewicgt, habe dir am Ende deinen ehrlichen Stand entleibet, damit nachher deine schönen Träume zu Wa,- ser werden!"

Da Hub Margetle ernstlich an, ihm zu erzählen, was sie von ihren Eltern gehört, wie die Beiden im Dienst der Treue ihr Leben gelassen, und wie die Gräfin ihre Pache sei und müt­terlich für sie sorgen wolle.Das Alles hätte ich nicht erfah­ren, wenn Sie nicht gewesen wären, Herr Doktor, und das kann ich vor Gort sagen, daß ich jetzt weiß, daß ich so brave Eltern gehabt, bas freut mich besser, alS wenn ick adelich ge­worden wäre, und daß ick'S weiß, verdank' ich Ihnen. Den­ken Sie nur, wie war' ick denn herumgelaufen in so einem langen Schlamprock, wie die Fräulein tragen, da kehr' ich doch die Gasse lieber mit dem Besen, als mit meinen Kleidern!"

Da ward der Doktor zufrieden und lachte herzlich mit dem Mädchen.

6 .

Die Gräfin nahm Margetle zn sich, und obwohl sie Dienstmädchen blieb, so wurde sie doch mit mütterlicher Güte behandelt. Die Gräfin gewann eine herzliche Liebe zu dem Mädchen, und behielt sie fast immer um ihre Person, sie selbst lehrte sie noch besser schreiben, und zeigte ihr die Handarbei­ten, die sie noch nicht verstand; da sic ein sehr stilles, zurück­gezogenes Leben führte, war es ihr leicht, sich viel mit ihr zu beschäftigen. Margetle blieb auch hier fröhlich, fleißig und dienstwillig gegen Jedermann. Den alten Doktor durfte sic be­suchen, so oft sie wollte, und ihm mir schönen Büchern ober sonst einem Geschenk eine Freude machen. Die Gräfin kaufte die ganze Auflage eines Andachtsbuches von ihm, das er selbst hatte in Verlag nehmen müssen, und diese reichliche Einnahme setzte ihn in Stand, ein Mägdlein zu bestellen, das ihm all die kleinen Dienste that, die ihm Margetle geleistet hatte, und wenn der alte Herr sein Margetle nun so herzensfroh und so geliebt in ihrer neuen Lage sah, da sonnte er sich recht in ihrem Anblick, und sagte wohl auch lächelnd vor sich hin: ja, ja, der liebe Gott ist doch allemal wieder gescheckter als unser eins!"

Der Bäurin batte Margetle, seit sie nun in der Feder geübter war, einmal geschrieben, und ibr die glückliche Verän­derung ihrer Lage gemeldet. Viel Bricfschreibcn ist eben nicht

Sitte auf dem Dorf, so bekam sie keine Antwort, aber sie hatte oft ein großes Verlangen, etwas von dem Hof zn hören, oder nur einmal noch hinzukommcn.

Die Erbschaftsangelegenheit, die die Gräfin in die Resi­denz geführt hatte, war bald bereinigt, sie wollte nun wieder auf ihre Familicugüter zurückgehen, die ihr Sohn in Besitz hatte; es verstand sich von selbst, daß Margetle, die nun Mar­got hieß, mit ihr ging. Diese freute sich unbeschreiblich, wie­der auf's Land zn kommen, sie war in der Stadt nie recht heimisch geworden. «Forts, folgt.»

Allerlei.

Das Gedächtnis, das in jüngster Zeit an dem Schach­spieler Murphy wieder einen so glänzenden Vertreter seiner wunderbaren Kraft gefunden, hatte zu allen Zeiten seine Wun« dermänner; Milhridates, der König von Pontus, kannte jeden von seinen achtzigtausend Soldaten beim Namen, deshalb gab Adlung seinem Sprachbuch, das die Umrisse von 500 Sprach« gebäudeu enthält, den Name» dieses Königs; Seneca war im Stande, zweitausend Worte zn wiederholen, welche ihm anfgc- geben wurden, und zwar in derselben Ordnung. Hortensias behielt alle Preise, welche am Tage einer Auction bezahlt wur­den, auswendig; Hugo GrotinS, welcher der Revue einiger Regimenter in Frankreich anwohnte, konnte den Namen jedes Soldaten, der vorgcführt wurde, nennen. Justus Lipsius be­hauptete die Werke von TacitnS vom ersten bis zum letzten Worte, vorwärts und rückwärts aufsagen zu können, selbst wen» Jemand mit gehobenem Schwerte vor ihm stünde, um ihn zn durchbohren, wenn er ein Wort vergessen. Eine venetiamsche Dame, welche wegen ihrer Gelehrsamkeit in großem Rufe stand, wiederholte jede Predigt, die sie gehört, Wort für Wort. Ra­cine wußte alle Tragödien des Enripidcs auswendig, Bayle daS ganze Werk von Montaigne, Hnges Doneau des Corpus Juris, Mctastasio den ganzen Horaz, Carteret das ganze neue Testament, Leipnitz jedes Buch, das er einmal gelesen. Der gelehrte Schotte Thomas Dempstcr behauptete, er wisse nicht, was vergessen sei, und Scaliger soll in einundzwanzig Tage» den ganzen Homer auswendig gelernt haben, in vier Monaten alle griechischen Dichter- Der bekannte mysteriöse Graf von Sr. Germain wußte jede Zeitung, die er einmal las, auswen­dig und war mir einem solchen Gedächtniß für Zahlen ausge­rüstet, daß er eine Reihe von tausend Zahle» behielt, die er vor- und rückwärts und mitten heraus rccitiren konnte. Er spielte beinahe jedes Instrument der Welt, war ein ausgezeich­neter Maler, und ahmte jede Handschrift täuschend nach. Er­halte nur eine Leidenschaft alle Spiele meisterhaft zu spie­len. Im Schachspiel besiegte er Jeden (Murphy lebte noch nicht» und im Faro sprengte er jede Bank durch Berechnung.

Nach Steins landw. Blatt gibts eine alte Pro­phezeiung :

Anno Fünfzig und Sieben Jst's beim Alten geblieben.

Im Jahre Fünfzig und Acht 'Wird auch nichts vollbracht.

Aber Fünfzig und Neun Gibts wohlfeile Früchte und Wein.

Doch es lebt noch besser sich AchtzehnhundertundscchSzig."

Ein armer Hindu, welcher der Noth des Lebens und einem bösen Weibe gtülckich durch den Tod entronnen war, kam an daS Thor von Brahma's Paradies.Bist du bereits unter dem Dabao (der glü­henden Reinigungspreffe) gewesen?" fragte Brahma.Nein, aber ich war vcrheiralhet."Tritt ein, du hast genug Qual erlitten." Gleich . darauf kam ein anderer Schatten-Warst du unter Dabao?" fragte > Brahma abermals.Nein, aber ich war zweimal verheirathet!"marsck ! mit dir," rief Brahma, mein Paradies ist nicht für Narren gemacht!"

Auflösung der Räthselaufgabe in Nro 8: Der Eine ist 18, der Andere 38 Jahre alt.

Druck und Verlag der G. W- zalse r'schen «uchhondlung- Redaw'nn : Hdljle.