übrigens die kriegerischen Vorbereitungen fort. Alle piemonte- fischen Officicre, die im Auslände sind, haben den Befehl er« halten, zu ihren resp. Corps zurückzukehren, und die französischen Cavallerie-Ofsiciere sind aufgefordert worden, sich Pferde zu kaufen. Wir sind also noch immer in Ungewißheit, ob die nächste Zeit uns den Krieg bringe» wird oder nicht. (K. Z.)
Die Verlobung des Prinzen Napoleon mit der piemontefifchen sechszehnjährigcn Königstochter ist auch eine Eroberung. Lauge vergebens hat der Prinz um deutsche Prinzessinnen geworben. Die Verbindung des 36jährigen Prinzen mit dem blutjungen italienischen Königskinde bedeutet wohl eher große Politik und weit gehende Pläne, als große Herzensneigung.
London, 15. Jan. In Bethnalgreen, im ärmsten Viertel des östlichen London, ist einmal wieder eine arme Frau Hungers gestorben, wörtlich und ohne Uebertreibung verhungert. Das hat der untersuchende Arzt und die Jury des Coroner ausdrücklich bestätigt. Und das ist nnr ein einzelner, zufällig bekannt gewordener Fall unter Hunderten in diesem endlosen Chaos von «nbcgränztem Reichthum, und unbeschreiblichem Elend.
Eine Königin.
(Fortsetzung.)
4 .
Der Doktor nahm immer größeren Antheil an dem Mädchen, eS schien ihm etwas ganz Besonderes in ihrem Wesen zu liegen; er konnte nicht glauben, daß sie wirklich das Kind armer Dorfleute sein solle. Margetle plauderte gern mit dem alten Herrn, und erzählte ihm, was sie wußte, von ihrer Kinderzeit, von dem Hof, nach dem sie immer noch Heimweh hatte, von der fröhlichen Zeit, wo sie Schafe gehütet, und auch einmal von ihrem Königstraum und wie sie darob verlacht worden sei. „Und was das Dümmste ist, Herr Doktor," schloß sie, :,,daß ich selbst habe nun und nimmer den Traum vergessen können, und daß er mir allemal wieder cinfällt, wenn ich lang glaube, jetzt sei ich mit fertig."
„Wirklich, in der That?" fragte der Doktor, der selbst viel mehr in der Welt seiner Bücher, als in der wirklichen lebte, und daher leicht an wunderbare Begebenheiten glaubte, und fuhr nachdenklich fort, „ja, ja, etwas Besonderes ist an dir, weun's auch nicht gerade zu einer Königin reicht; wer waren denn eigentlich deine Eltern?"
Margetle berichtete getreulich, was sie von der Ahne wußte.
„So, so," sagte der Doktor wieder, „ja, da ist doch viel Unergründetes dabei; sag' mir, Kind, ist denn nichts un- ter deiner Mutter Nachlaß, das Aufschluß geben könnte über ihre Vergangenheit?"
„Ja, da ist nichts, als was ein armes Weib eben hin- terlaffen kann; die Mutter hat vorher gar viel aus Armuth verkauft, mit ihren alten Kleidern hat man mich nach und nach montirt; ja, fällt mir ein, ein feines, feines Nastuch ist darunter, ganz schön gestickt mit einer Krone, und ich selber Hab' ein gar schönes Nüster (Halsband) mit einer goldenen Dukat dran; das Hab' ich als Kind lang getragen, es sei für die Augen gut, hat die Mutter gesagt, und ich hab's von meiner Dole (Pathe), wer aber die Dole gewesen ist, weiß ich nicht."
„Hast du die Sachen hier?" rief in großem Eifer der Doktor, dem die Angelegenheit immer wichtiger wurde.
„Ja, aber ganz unten in meiner Kiste, Sonntag will lch's Ihnen zeigen, jetzt muß ich hinunter, ich habe zu lang geschwatzt."
„Nur eins noch, Kind!" rief der Doktor, als sie gmg, „hast du nicht auch ein Muttermal an dir, ein Zeichen wie eine Rose oder so? das führt oft zu Entdeckungen."
„Ei bewahre," sagte Margetle und wurde roth, „ich bin säuberlich am ganzen Leib, da ist nirgends kein Fleckchen," und eilig sprang sie hinab.
Der Doktor brachte die Sache nicht aus dem Sinn, alle wunderbaren Begebenheiten von geraubten, verlorenen und aus- gesetzten Kindern, die er schon gelesen und in seine Sammlun
gen gebracht hatte, fielen ihm ein, der Kaspar Hauser und alles Mögliche, und je mehr er den sichern Anstand des Mädchens, ihre natürlichen Fähigkeiten und ihre Scheu vor allem Gemeinen erwog, desto gewisser wurde ihm, daß sie nicht das Kind einer armen Spinnerin sei. Ein adeliches Aussehen hatte sie zwar gerade nicht, sie war gesund und stark und rothbackig, eher eine untersetzte als schlanke Gestalt, wie man sie sich bei Prinzessinnen denkt, „aber das macht die Erziehung, die schwere Arbeit," dachte der Doktor, „ein paar Augen hat sie doch wie die Sonne."
So wenig der Doktor mit der Welt lebte, so genau stn- dirte er doch die Zeitungen und die Wappenkunde nebst der Genealogie aller fürstlichen und gräflichen Häuser, und hoffte daher, wenn er einige Anzeichen hätte, leicht dem Gcheimniß auf die Spur zu kommen.
Auch Margetle, so oft sie sich selbst darüber auslachte und sich die Sache aus dem Sinn schlagen wollte, mußte Tag und Nacht an des Doktors Vermuthungen denken, und konnte selbst kaum den Sonntag erwarten, wo sie ein ruhiges Plauderstündchen mit dem alten Herrn finden könnte. Die Kirche wollte sie deßhalb doch nicht versäumen, aber es ist zu fürchten, daß sie nicht so andächtig war, wie sonst, denn in der Tasche hatte sie die zwei wichtigen Erbstücke, die sie denn »ach der Kirche dem Doktor vorlcgte, der seine schärfste Brille aufgesetzt hatte, um sie gehörig zu untersuchen.
Das Sacktuch war etwas vergilbt, aber vom feinsten Battist, in der Ecke war eine Grafenkrone und darunter die Buchstaben Sl. v. 8. gestickt; „da haben wir's!" rief der Doktor, „wie käme das in Besitz einer arme» Dorfspinneri»?",
„Aber sie war ja im Dienst, da könnte sic's von einer Herrschaft bekommen haben," wandte Margetle schüchtern ein.
„Paperlapap!" rief der Doktor ungeduldig, „solch ein Sacktuch schenkt man keiner Magd, und gestohlen hat deine Mutter nicht!"
„Gewiß nicht!" betheuerte das Mädchen.
„Nun zu dir. 2.," sprach der Doktor; das Kollier war von Bernstein, unten hing eine goldene Taufmünze, den Schluß bildete ein glattes, goldenes Schlößchen, aus dessen äußerer Seite ein äußerst fein gearbeitetes Wappen, auf der inner» eine Schrift gravirt war, die Margetle nie hatte lesen können. Der Doktor stndirte mit der Brille; endlich machte er einen Sprung: „richtig, richtig!" rief er wieder, „da steht LlarAno- rits, Oomtesss äo Hokeimtoiii, 1815, und das ist das Wappen derer von Hohenstein, eines der ältesten gräflichen Geschlechter, das Kolli r ist dir natürlich als ein Wiedercrken- nnngszeichen umgebundcn worden, und du bist das Kind der Gräfin! Marguerite, das ist Margrethe, es trifft Alles zu!"
„Aber warum sollte man mich denn . . .?" fragte Margetle leise, cs wurde ihr ganz schwindlich.
„Ausgesetzt haben, oder weggebcn, meinst du? Ach, da kann's allerlei Gründe geben, Erbschaftsstreitigkciteu, Ehezwist, was weiß ich! Deine Geburt fällt ja noch in die Kriegsjahre, da hat's allerlei Durcheinander und Unruhe gegeben, cs ist ganz klar."
Dem Margetle war's noch nicht klar, sie mußte sich setzen und den Kopf auf die Hand stützen, es ist doch ein großer Unterschied zwischen Traum und Erfüllung.
Der gute Doktor aber war seiner Sache gewiß und voll Eifer. „Uebercilen dürfen wir nichts," sagteer, währender all seine Genealogien und Wappcnbücher herbcischlepptc, „ich muß jetzt erst die Familienglieder gründlich studiren, um der Geschichte aus die Spur zu kommen, die Sachen laß mir; und du geh auf dein Kämmerlein und laß dir nichts merken, Kind, zu rechter Zeit soll's schon an'S Licht kommen." (Forts, folgt.)
— In Breslau haben sich je Buchbinder und Schuhmacher znsammcngethan, um die Stoffe, die sie zur Verarbeitung bedürfen, gemeinsam zu beziehen und zu kaufen. -Leger und wohlfeiler zu kaufen — das sind zwei schöne Dinge, me überall durchschlagen sollten.
Druck und Verlag der G. W. Z »iser'schen Buchhandlung. Redaktion: Hdljl-.