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zarten Brust aufkeimen, und erwicderte sic nicht; aber meine Gegenwart gab der wachsenden Flamme täglich neue Nahrung; ich glaubte, sie ersticken zu müssen, und entfloh."

,,U»d entflohst?" wiederholte Kathinka's Vater;junger Mann, ich will meine Tochter dir nicht ausdringen, aber diese Weigerung, die Weigerung eines armseligen Gesangcnen, em­pört meinen gerechten Stolz."

Tu ließest meine Rede mich n-cht vollenden," snhr Karl fort,ich wollte mein Betragen entschuldigen, und bin so un­glücklich, dich auf's Neue zn beleidigen. Ich kann mir ein­mal lieben, mein Herz nur einem Mädchen angehören; sieh her, dich ist das Bild meiner verlobten Braut, die ich im Valer- lande weinend znrückgclassen habe; treu harrt die Geliebte dort meiner, und sicht mit banger Sehnsucht der Stunde entgegen, die ihr den Bräutigam in die Arme führen soll." Mit diesen Worten reichte er ihm Amaliens Bilbniß.

Eine solche Anwort hatte der Kaufmann freilich nicht er­wartet, die Uebcrraschnng beraubte ihn einen Augenblick der Sprache; dann aber rief er, dem Gefangenen die Hand rei­chend, und die Augen auf das Bild geheftet:Unglückliche Tochter!"

Karl fuhr fort:Dicß war die Ursache meiner Flucht; deine Tochter, würdig, von dem Edelsten meines Geschlechts geliebt zn werden, verdient nicht bloß die Hand, sondern auch das Herz eines Biedermannes. Ein Glück, großer als ich es zu bieten vermag, werbe ihr a» der Seite eines wacker» Gatten zu Thcil; mich wird sie bald vergessen, oder höchstens wie eines entschwundenen Traumes meiner zuweilen gedenken."

Der Alte schüttelte den Kopf und sprach:Nein, nein, du kennst meine Tochter nicht. Kalhinka wird eher sterben, als ohne dich leben; doch ich ehre deine Verpflichtungen. Indes­sen wirst du dem unglücklichen Vater seine lbtzte Bitte nicht ver­sagen. Ich begehre wentt, von dir; nur zwei Monate verweile noch unter meinem Tacke, und hilf mir die Leiche meines Kin­des bestatten; dann will-ich länger dich nicht aufhalten. Kannst du diese Gefälligkeit, rim die ein jammernder Greis, ein trost­loser Vater dich bittet, mir versagen?"

Schone mich," rief Karl,du brichst mir das Herz. Gern will ich alles ihn», was dick erfreuen und deine Tochter retten kann; die Pflicht der Tankbarkeit war mir stets heilig, und so schwer sie mir heute auch wird," fetzte er leiser hinzu, ich will sie doch erfüllen."

Mein guter Sohn," sprach der Kaufmann.Habe Dank für deine Liebe. Hier, nimm das Bild zurück; verbirg es sorgsam vor meiner Tochter. O meine unglückliche Ka­thinka!"

Drückend war von nun an die Lage aller dieser vorher so heitern Menschen. Karl sah in der Liebe seiner ehemaligen Pflegerin das einzige Hindcrniß seiner Rückkehr in'S Vaterland und seiner Wiedervereinigung mit Amalien; doch vermochte er Las Mädchen nicht zn hassen, das mit ganzer Seele an ihm hing, und seine kleinsten Wünsche mit rastloser Anfmcrksamkcit erfüllte; Kathinka erkannte mehr und mehr, daß sie nicht ge­liebt werde, und vermochte mit all' ihrer Sorgfalt nur wenige dankbare Blicke den sonst so freundlichen Augen zn entlocken; ihr Vater, von Karls Gefühlen unterrichtet, betrauerte im Stillen schon den Verlust seines thcuern Kindes, und weinte bittere Thränen über sein Unglück.

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Eines Abends saß Karl im Garten; wehmüthig sah er die Sonne scheiden; im fernen Westen wo seine Heimath lag; wo Amalie seiner harrte, ging sie blutroth unter. Er zog der Geliebten Bild aus seinem Busen, und bedeckte es mit glühen­den Küssen. Himmel und Erde schwanden vor den Erinnerun­gen, die in seiner Seele aufstiegen; die Frühlingszeit seiner Liebe kehrte wieder. Versunken in holde Träumereien sah er Amalien sich nahen, er hörte Len süßen Ton ihrer Stimme, er breitete die Arme aus, sie an sein entzücktes Herz zu drücken.

Plötzlich stand Kathinka vor ihm. Unbemerkt hatte sie ihn lange beobachtet, und che er es verhindern konnte, griff ihre Hand nach dem Bilde, welches er in der Zerstreuung auf die Erde hatte fallen lassen. Lange heftete sie ihre Augen auf

dasselbe, und Karl unterbrach die peinliche Stille mit keinem Laute. Endlich gab sic das Bild seinem Eigenthümer zurück, und sagte mit matter Stimme:Sic ist schön, sehr schön!" Blaß wie eine Leiche sank sie nun zu Boden. Man mußte sie in's Hans zurückleagen, und trotz aller angewandten Hülfe, ver­fiel sie in eine heftige Krankheit.

Schon den andern Tag gab der Arzt alle Hoffnung auf, Kathinka aus den Armen des Todes retten zu können; zer­störend rollte in ihren Adern das Gift verschmähter Liebe.

Gegen Mittag wurde sie ruhiger, sie verlangte jetzt Karl, den sie bisher nicht hatte sehen wollen, zu sprechen, und em­pfing den tief betrübten Jüngling gefaßt und scheinbar heiter, schmerzlich lächelnd reichte sie ihm die Hand, mit der Bitte, ihr das Gemälde noch einmal zu zeigen, und die Geschichte seiner Liede zn erzählen. Ungern willigte Karl in die Erfüllung die,es Wunsches, allein Kathinka versicherte ibm, daß sic sich stark genug fühle, ihr Unglück aus seinem Munde zu erfahren.

Er erzählte nun der Bedaucrnöwcrthen, wie er seine Ama­lie lieb gewonnen, noch che er in den Krieg gezogen, wie der Ruf der Ehre ihn ans ihren Armen gerissen', wie sie sich beim Abschiede ewige, unverbrüchliche Treue geschworen haben, und wie Amalie, so gewiß als er, sie nie verletzen werde.Ka­thinka," schloß er,zürne dem Manne nickt, dessen Herz ewig dankbar für die milde Pflegerin an seinem Krankenlager, für die Retterin seines Lebens schlagen wird; zürne ihm nickt, wenn eine frühere Liebe es ihm unmöglich macht, deine Gefühle zu enviebern. Fage dich, und werde meine Freundin!"

Unter Thränen lächelte Kathinka.Ja," sprach sie,laß »ns Freunde sein auf ewig! Gönne mir den Besitz dieses Bildes, bis du von uns scheidest; ich will mich mit Amaliens Zügen recht vertraut machen, und täglich für dein und ihr Glück zum Himmel beten!"

Von diesem Augenblicke wurde die hoffnungslos Liebende mit jedem Tage schwächer. Sie welkte dahin, wie eine Blume, die ungepflegt an den heißen Sonnenstrahlen verschmachtet, noch che der milde Thau des Abends mit seinen Perlen sie getränkt.

6 .

Der junge Franzose sah mit innigem Bedauern den Au­genblick des schmerzlichen Hinscheidens dieses vortrefflichen Mäd­chens nahen. Er betrautete tief, daß er die unschuldige Ursache ihres Todes sein müsse; aber Pflicht und Liebe harten ihm die strenge Richtschnur seines Handelns vorgeschrieben.

Mit theilnehmcnder Sorgfalt reichte er ihr die stärkende Arznei, mit freundlichem Tröste erleichterte er ihr manche Stunde bitter» Kummers.

Schon begann der Abend mit seinen Schattenflügeln her- auszudämmcrn, als Kathinka aus einem unruhigen Schlummer erwachte.

Wo ist Karl?" fragte sie mit ungeduldiger Hast, da sie ihn nirgends erblickte.

Er hat so eben das Zimmer verlassen," crwiedcrte ihre Dienerin;ich will sogleich nach ihm schicken."

Bald darauf trat er ein. Kaum fiel das Auge der Kranken auf ihn, als sie sich mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit erhob, und ihm entgegen rief:Ich habe sie gesehen, freue dich mit mir, Karl, auch du wirst bald sie wieder sehen!"

Von wem sprichst du, Kathinka?" erwiederte der Jüngling.

Kannst du fragen! deine Amalie habe ick gesehen, o sie ist schöner als auf dem Bilde hier; ich bedarf jetzt dessen nicht mehr; darum nimm es zurück. Sieh ich habe es mit einer Locke meines Haares umwunden, und du wirst mir die Bitte nicht versagen, sie zum Andenken an mich zu behalten. Ver­sprich mir das feierlich mit Hand und Mund."

Karl säumte nicht, einen Wunsch zu erfüllen, der seinem gefühlvollen Herzen so natürlich schien.

Mein thcurcr Freund," fuhr Kathinka schwächer fort, meine letzte Stunde naht ich fühle, daß ich scheiden muß von dieser Erde. Um deinetwillen sinke ich in's Grab. Ich verzeihe dir, wenn du den letzten Willen einer Sterbenden zn erfüllen gelobst." (Fortst folgt.)

Lruckund Verlag derG.W.Laifer'schenBuchhandlung. Redattwa: H-ljle.