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Ein Musiker des 18 . Jahrhunderts.
(Fortsetzung.)
Ah, daun freilich, wem, es ein Herr ist, rief Frln. v. Lombard, dann muß ick selbst gehen.
Sie trippelte die Treppe hinauf und schellte an der Thüre. Madame, sagte sie zu der kleinen, runden Frau, welche öffnete, wohnt hier nicht ein Musikus?
— Anfzuwarten mein Fräulein, es ist mein Manu.
— Nun Madame, hier sind 36 Sols, um mein Spi- nett zu stimmen.
— Fräulein, mein Man» ist überhaupt kein Klavierstimmer, und dann arbeitet er eben und ich kann ihn jetzt nicht stören.
Was liegt daran, ob er Klavierstimmer ist oder nicht, wenn er überhaupt MusiknS ist, so kann er wohl auch ein Instrument stimmen, und ich wünsche, daß er dieß so schnell wie möglich thuc.
Ich wiederhole Ihne», Fräulein, daß ich ihn unmöglich stören kann.
Die junge Frau hatte kaum Zeit zu sage»; denn mit einer Lebhaftigkeit, die man ihr nicht zugetraut hatte, stürzte die alte Jungfrau ans eine Thüre zu, riß sie auf und stand in dem Kabinet des Musikers. Ter große, hagre Mann saß in einem breiten Lehnsessel vor einem mit Nolenhefte» und bezifferten Papieren bedeckten Tische. Er war so i» seine Arbeit versunken, daß er das Hcrcintretcn des Fräulein v. Lombard gar nicht bemerkte.
Mein Herr, sagte sie, hier sind 36 Sols, um mein Spinett zu stimmen.
Keine Antwort.
Fräulein, sagte die junge Frau; Sie sehen wohl, daß er Sie nicht hört, und sollten Sie unglücklicher Weise seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so wird er Sic sehr übel empfangen.
Ohne diesen Rath zu berücksichtigen, schrie die alte Person aus Leibeskräften:
Mein Herr, da sind 36 SolS ....
Dieses Mal erhob der lauge, hagere Mann sein Haupt, schaute die alte Jungfrau groß an, die entzückt über den errungenen Erfolg, mit weit gedämpfterer Stimme fortfuhr — um mein Spinett zu stimmen.
Was gibt'S denn, Luise, sagte er zu seiner Frau, warum läßt Du mich so stören?
Mein Freund, antwortete die junge Frau in halb stotterndem Tone, meine Schuld ist cs nicht; das Fräulein hier will mit aller Gewalt ihr Spinett von Dir gestimmt haben.
Fräulein Sie sind eine Närrin; dieß ist die einzige Antwort, welckw ich Ihnen geben kann.
Bei diesem Wort hielt die alte Dame nicht länger an sich:
Mein Herr, wissen Sie wohl, daß Sic mit Fräulein Lombard sprechen! . .
Und Sie Fräulein, kennen Sie wohl Philipp Ramcau, daß Sie ihm 36 Sols anbieten, um ihr Instrument zu stimmen?
Unglücklicher Weise war das alte Frauenzimmer nicht sehr vertraut mit der damaligen neuern Musik. Sic kannte weder die „Darlegung des Harmonieprincips" noch „die vier Klavierstücke", die einzigen Werke, die Nameau damals noch veröffentlicht hatte. Deßhalb machte seine Antwort wenig Eindruck auf sie. Da sie jedoch glaubte, sie könne sich geirrt haben und der Mann möglicher Weise kein Musikus sein, so wurde ihre Haltung so verlegen, daß der große Mann zu ihrer Beruhigung sagte:
— Ich bin kein Klavierstimmer und habe auch außerdem keine Zeit, mich mit ihrem Instrument zu beschäftigen; aber wenn Sie gefälligst in das Nebenzimmer gehen wollen, so können Sie sich auf meinem Klavier so lange üben, als Sie Lust haben.
Hierauf vertiefte er sich wieder in seine Berechnungen, ohne die Verbeugungen zu sehen, welche Frln. v. Lombard unausgesetzt seinem Lehnstuhle machte. Um sich nun keine Blöße zu geben, versuchte sie ein wenig das Klavier und ging dann wieder hinunter. Den folgenden Tag ließ sie bei ihren neuen
Bekannten anfragen, um welche Zeit man sie empfangen könne. Nameau, der gerade nicht arbeitete, holte sie selbst heraus; cS wurde lange über Musik gesprochen; Fränl. v. Lombard hatte den Unterricht des berühmten Cvnperi» genossen und war selbst sehr musikalisch. Sie wurde nun auch mit der neuern Musik bekannt, ließ der Musik ihres Nack bars, soweit alten Leuten es möglich ist, volle Anerkennung widerfahren, und so stellte sich bald ein vertrauliches Verhältniß dar.
Für Frau Nameau war dieß am angenehmsten. Ihr Mann verabscheute alle neuen Bekanntjchaftcn und war keines- kugs sehr mittheilender Natur. Die arme Frau langweilte sich sehr, aber sie hätte es sich nie zu sagen getraut; sie wußte, das Glück ihres Gatten bestehe darin, sie glücklich zu wissen, und welchen Kummer cs ihm bereiten würde, wenn er es gewahr würde, sie sei es nicht. Deßhalb hätte sic ihm nie eine Veränderung ihrer bisherigen Lebensweise Vorschlägen mögen, denn, obgleich im Grunde sehr gut, war er doch außerordentlich starrköpfig und hatte oft Anfälle von Schwermutb, die sie um keinen Preis hätte vermehren wollen. Einmal wöchentlich speiste er bei Herrn von Popliniere, dem Generalpächter, der ihm seine Protection angedeihen ließ, und an einem andern Tage jpeistc einer seiner Freunde bei ihm, der berühmte Organist Marchand, bei dem er früher Unterricht genommen hatte, ein Mann, dessen Talent er außerordentlich hoch schätzte. Ra- meau gab nur mit widerstrebendem Herzen Clavierstnnden; er fühlte etwas in sich, das seinen Aufschwung noch nicht genommen hatte; er wußte, daß diese Lehrstunden ihn z» Nichts führen würden, dagegen spielte er sehr gerne die Orgel von St. Croix de la Bretonnerie. Die Veröffentlichung seiner Harmo- nieprincipen hatten ihm den Namen eines gelehrten Musikers verschafft und er wollte den Beweis liefern, daß er etwas mehr, als ein gelehrter Musiker sei. Deßhalb nahm er mit großer Freude die Lobsprnche entgegen, welche seine Kollegen ihm über sein Orgelspicl machten; aber »ach denen des Publikums strebte sein Ehrgeiz. (Forts, folgt.)
Allerlei.
— Im Schlachthaus zu Augsburg wurde am 8. April ein monströser, 26 Ceutner schwerer Stier — natürlich unter dem Zulaufe zahlreicher Schaulustiger — geschlachtet. Welch behäbiges Wohlleben dieser stattlich gebaute vierfnßige Riese auf den grünen Anen nnd in dem friedlichen Stalle seiner schwäbischen Hcimath geführt haben mag, ist daraus zu schließen, daß z. B. sein Herz den Umfang eines Manneskopfes hatte und die Leber allein einen Viertels Ceutner wog. Der über dem Nacken sitzende Flcischhöckcr erhob sich zwei volle Fuß über die Rnckcnwirbclsäule, während die Haut 176 Pfund wog.
— Am Nordcap, wo gewöhnlich Alles 9 Monate laug in Schnee gehüllt ist, hatte man in diesem Winter gar keinen Schnee und zu Anfang Februar 1l Grad Wärme. Blumen, die sonst dort Ende Juli erst zum Vorschein kommen, hatte man da schon im Freien zu einer Zeit, wo die Kälte bei nnS noch jeden Morgen Eisblnmen an die Fenster malte.
— Eüi Kutscher trat zu seinem Herrn, der ein Wucherer und von der ganzen Welt gehaßt war, ins Zimmer und kündigte ihm den Dienst. Warum willst du mich verlassen? fragte der Herr- — Wenn wir aus- fahrcn, versetzte der Kutscher, so muß ich immer hören, wie die Leute auf der Straße sagen: Da fährt der Spitzbub, da weiß ich nun nicht, wen's angeht, und das kränkt mich.
— In K. wurde eine Leiche mit vielem Pomp und unter einer Leichenmnsik begraben. Unter dem Gefolge befand sich auch der Arzt des Verstorbenen. Viele Zuschauer hatten sich versammelt und folgten dem Zuge, angelockt von der schönen Musik. Einer von diesen fragte einen Bctannten: „Können Sic mir nicht sagen, wer der Componist von dieser Traucrmusik ist?" „Nein," versetzte der andere, „daß weiß ich nicht, aber dort geht der Verfasser des Textes dazu." Und er wies auf den Arzt. ,
— Ein Landmann halte das Unglück, daß sich scuie Frau an einem Apfelbaum in seinem Garten crhing. Sein Nachbar kam und bat um einen Zweig von diesem Baum, den er auf einen Stamm in seinem Garten pfropfen wollte, „denn," sagte er, „wer weiß, ob er mir nicht einmal auch solche Frucht trägt."
Auflösung der Charade in Nr. 31:
Barfuß.
Truck und Perlag der G. W. Z aiscr'chen Buchhandlung. Redaktlrn: Hölzle.