London. Die Anklage gegen den vor die Assisen ver­wiesenen Bcrnard geht dahin: 1) Felix Orsini n»d Anderen räthlich und behülflich gewesen zu sei», gewisse Personen in Paris zu tödten; 2) sieh mit Orsini und Änderen verschworen zu haben, einen souveränen Fürsten, nämlich Louis Napoleon, Kaiser der Franzosen, zu tödten. Bernard bestritt zunächst die Kompetenz des Gericktshofs, weil er kein englischer Unterthan sei.

Die Times sertigt alle, welche die Besetzung der Insel Perim tadeln, sehr kurz und hochfahrend ab und erklärt rund­weg , daß daö Meer der Natur der Tinge gemäß im ausschließ­lichen Besitz Englands sei und sein müsse, so lange dasselbe weite Länder dahinter liegen habe. Es wird übrigens mit Pe­rim gehen, wie es mit andern Besitzergreifungen auch gegan­gen ist, cs ist dieß eine Frage der Macht, nicht eine Frage des Rechts: wer behaupten kann, was er nimmt, der pflegt anch zu behalten, was er genommen hat.

Wenn die Times nicht übertreibt, so sieht cs in Paris jetzt nngefähr so ans, wie vor 20 Jahren nach den Berichten eines Franzosen, des Marquis von Eüstine zu Petersburg. Tic Times sagt:das heitere Paris kennt sich nicht mehr. Seine äußere Physiognomie ist zwar die alte; die Boulevards sind nicht verschwunden und die Springbrunnen funkeln im Sonnenschein. Allein über alles hat sich eine Art Düster ge­lagert. Tie Leute spreche» nur mit Zagen und ungewöhnlich flau über die alltäglichen Dinge. Jede Familie besinnt sich, welche Besuche sie machen oder empfangen soll. Man überlegt, ob es gcraihen ist, sich mit einem Freunde, den man seit Jah­ren kennt, ans der Straße sehen ;n lassen. Wenn 2 Personen mit einander reden und ein Dritter zu ihnen treten will, halten sie plötzlich innc und wechseln den Gegenstand des Gesprächs. Mitten in einem geselligen Kreise vermag oft ein einziger Gast die Heiterkeit zu dämpfen und jeder Zeuge den Zaum der Be­hutsamkeit anzulegen. Man nimmt sich in Acht, was für Bücher man in seiner Bibliothek, was für Zeitungen man auf seinem Schreibtische liegen läßt. Man spricht nicht mehr so leutselig mit der dienenden Klasse, wie die leichtherzigen Franzosen der alten Zeit gewohnt waren. Den Portier, den Kellner im Kasfeehanse, selbst die Privatdiener hält man sich 3 Schritt vom Leibe. Im Eisenbahnwagen thnt man gut, nicht zu mit- tbeilsam gegen seine Nachbarn zu sein und schreibt man einen Brief, so beschränkt man sich darauf, seine Puvatangclegen- heiten abzumachen und seinem Korrespondenten Gesundheit und langes Leben zu wünschen. Denn Paris und Frankreich stehen unter strenger Polizeiaufsicht und Niemand weiß, wer die Be­aufsichtigten und wer die Beaufsichtigenden sind.

Madrid. Man versichert, die Köngin befinde sich in gesegneten Umständen. <T. D. d. H. T.)

Fürst Danilo von Montenegro, welcher bekanntlich die von der Türkei über sein Land beanspruchte Souveränität nicht anerkennen will, hat Gesandte nach Wien, Paris nnd Petersburg geschickt, um von seinem bisherigen Verhalten der Türkei gegenüber Rechenschaft abznlegcn nnd von den drei christ­lichen Reichen Schutz gegen die Türken zu erbitten. Einstwei­len hat er in einer Proklamation auf das Strengste untersagt, etwas Feindseliges gegen die Türken zu unternehmen; cs soll kein Angriff auf dieselbe gemacht, aber jeder Angriff derselben znrückgewiesen werden. Die bei Klek gelandeten türkischen Truppen finden in der aufrührerischen Herzegowina nirgends Widerstand. Man glaubt übrigens nicht, dag dieser Theil der orientalischen Frage bei der in den nächste» Wochen in Paris zu eröffnenden Konferenzen zur Verhandlung kommen wird.

Was will daö bedeuten? Von Petersburg aus ist der Befehl ergangen, eine ans drei Armeekorps bestehende Obser- vatiousarmce im Königreich Polen anfzustellen, und zwar ein Corps an der galizischen Grenze, ein anderes zwischen Warschau nnd Plozk, daö dritte in Lithancn. Ist es etwa auf Oestreich abgesehen, für den Fall, daß dieser Staat in der Türkei einschreiten sollte?

New-Uork, 25. März. Lola Monte; hält jetzt ihre englischen Vorlesungen im deutschen Stadttheatcr vor brechend vollen Häusern. Sie gerirt sich als europäische Frciheitshcldin nnd findet unter den niederen Klassen der hiesigen deutschen

Bevölkerung genug Gläubige, um das Spiel sehr einträglich zu mache».

Ein Musiker des 18 . Jahrhunderts.

Von Adolph Adam.

In einem der ersten Monate deS Jahres 1733 wohnte in dem zweiten Stocke eines hohen schwarzen Hauses Kus Lkmntra 8t. Honore ein Ehepaar, das allen andern im Quar­tiere zum Muster dienen konnte. Der Mann war eine lange, dürre Gestalt von ungefähr 50 Jahren, der mit Niemanden im Hanse sprach und ein so tadelloses Leben führte, daß selbst die schlimmsten Zungen ihm Nichts anznhängen fanden. Ob­gleich von Profession ein Musiker, lebte er mit der erstaunlich­sten Mäßigkeit, ging Morgens ans, um seine Stunden zu ge­ben, kehrte pünktlich zum Mittagessen heim, denn nur sehr selten speiste er auswärts, und hierauf hörte man keinen Lärm mehr bei ihm: er zog sich in ein Cabinet zurück, wo er eifrig schrieb nnd nur sehr selten unterbrach der Klang seines Kla­viers oder seiner Violine die gewohnte Stille des Hauses. Selbst die Bigottesten konnten seine religiösen Gesinnungen nicht an- fechten, denn in seiner Eigenschaft als Organist von 8-rinte- Eroix tko lg, Lrotoimvrig wohnte er regelmäßig allen kirchlichen Festen bei und seine Frau begleitete ihn stets zum Gotteshaus. Dieselbe war zwanzig Jahre jünger als er, von angenehmem Aeußcrn und außerordentlich sanftem Charakter. Stets war sie zu Hause mit einer Nadelarbcit beschäftigt und ging höchstens die Woche über ans, um ihren HaushaltnngSbedarf einznkau- fen. Nie mischte sie sich in Klatschereien der Hausbewohner ein, redete wenig mit Leuten, welchen sie ans der Treppe be­gegnete, beantwortete aber stets sehr höflich alle an sie gerich­teten Fragen und zwar mit einer gewissen kleinen Kopfbcwegung und so sanftem Lächeln, daß die Leute durch ihre kurzen Ant­worten eben so vergnügt weggingcn, als hätte sic ihnen die schönste Rede gehalten. Deßhalb stand das Ehepaar, trotz des menschenscheuen Wesens des Gemahls nnd des Vorurtheils, das man damals überhaupt gegen Musiker hatte, im ganzen Quartier in großer 'Verehrung. Der Wachszieher im Laden neben dem finstern Hansgange zog jedesmal die Pelzmütze ab, wenn der lange, dürre Mann mit seiner kleinen, runden Frau vorüberging; der Gruß wurde jedesmal in untadelhafter Weise erwiedcrl; kein Wort jedoch deßhalb gewechselt, so daß dem Wachszieher häufig die Betrachtung in den Mund kam! Sehr brave Leute, aber der Lange ist doch ein wenig stolz.

Eine einzige Person aus dem Hause hatte freien Zutritt zu den Eheleuten, es war eine alte Jungfer von 69 Jahren, die gleichfalls ein sehr zurückgezogenes Leben führte. Da sie ungefähr 3000 Livres Renten hatte und dieses kleinen Vermö­gens wegen (damals vor 100 Jahren war das noch ein Ver­mögen) in ihrem Sinne weit über ihrem HauSnachbar zu stehen glaubte, so wagte sie eines Tages einen Annäherungsversuch bei dem Paare, das über ihr wohnte. Die Veranlassung hierzu war folgende. Die alte Jungfer, sie hieß Frl. v. Lombard, hatte in ihrem Salon ein Spinctt stehen, auf dem sie häufig die Symphonien von Lnlly oder irgend eine Weise aus ihren jungen Tagen in gar nicht übler Weise spielte. Von einer kleinen Landrcise zurückgckehrt, bekam sie wieder einmal Lust zu musiciren, war aber sehr unangenehm betroffen, als ihr Spinnet in einer Weise verstimmt nnd entsaitet war, daß man sich dessen un­möglich bedienen konnte. Geduld war keine Tugend unserer musikalischen Dame; sie wollte auf der Stelle ihr Instrument gestimmt haben, und da sie vernahm, es wohne ein Musiker im Hause, so schickte sie ihre Magd nach ihm, um ihre Spi- nette stimmen zn lassen. Tie Magd kam gleich wieder mit dem einfachen ihr zn Thcil geworden Bescheid, der Nachbar sei kein Klavierstimmer und sie möge sich anderweitig umsehen.

Mein Schatz, sagte Frln. v. Lombard, Du bist ein un­geschicktes Ding und weißt Dich nicht anzustellen. Du hättest ein 36 Solsstück versprechen müssen, wie dies der Brauch ist, und der Manu wäre gleich gekommen.

Aber, erviederte die Magd ganz beschämt, es ist kein Mann, cs ist ein Herr. (Forts, folgt.)

Truck nnd Verlag der G. W. Zaifcr'chcn Buchhandlung. Redaktion: Hölzle.