hin, mich toll zu machen. Lärm und Unmäßigkeit ver­leiteten uns zum Streit und Hohn. Ein Duell war die Folge und ein Leben ging verloren. Ich wurde wegge­jagt und somit meine Wahl aufgehoben. Nach Oxfort ging ich nicht; meine Pläne auf den geistlichen Stand waren vernichtet, und nach wenigen Monaten starb mein Vater ans Kummer. Was war nun mitmirznthun? Meine Vormünder meinten, daß mein letztes Vergehen in der Armee am leichtesten vergessen werden würde, und um den stillen Vorwürfe» des blassen Antlitzes und Trauer- kleides meiner armen Mutter zu entgehen, nahm ich mit Freuden ihren Rath an. In meinem fünfzehnten Jahre war ich ...ten Regimente der leichten Dragoner einge­schrieben.

Wenigstens hatten Sie so keinen Grund, Ihren Standcswechsel zu beklagen;" meinte ich, mit eines Seemannes Vorurtbeil gegen das geistliche Kleid.

Ich Habs bedauert. Ein Familicn-Patronat er­wartete mich, und ich hatte mich schon an den Gedanken früher Unabhängigkeit und eines selbstständigen Hauses zu sehr gewöhnt. Fragen Sie meinen Freund Richard, wenn Sie nach England znrückkommcn, und er wird Ihnen sagen, daß ich der ruhigste, ernsthafteste, fleißigste und nüchternste Mensch auf der Welt war. Die Art meines Vergehens war jedoch nicht der Weise, daß sich deßhalb meine jungen Gefährten von mir entfernt hätten, und ich versichere Ihne», daß ich bei meinem Eintritt in die Armee den größtmöglichen Kreis von Freunden um mich hatte. In Westminster nannten sie mich gewöhnlich War- grave den Friedenstifter. Ich stritt mit Niemanden, ich hatte keinen Feind. Doch schon zwölf Monate nachher schalt man mich allgemein einen händelsüchtigen Menschen, batte ich mich mit einem meiner Mitoffiziere dnellirt, und stand noch mit vier anderen in sehr schlechtem Benehmen."

Und dieser plötzliche Wechsel ward damals der Bit­terkeit zugeschrieben, die durch die Mißfälle meines Lebens in mir erregt wurde. Seitdem habe ich den wahren Ur­sprung aufgefunden es war die Aufreizung, die sich meiner in Folge des mit Schlehensast gefärbten Brannt­weins bemächtigte, der mit zu den Luxusartikeln eines Regimentstisches gehörte. Meine Unpopularität schmerz­lich empfindend, meinte ich meinen Stand zu hassen, da ich doch eigentlich in der That nur mich selbst haßte. Ich brachte cs dahin, auf halben Sold gesetzt zu werden, und kehrte unter meiner Mutter stilles Dach zurück, wo ich bis zur Monotonie, ja fast bis zur Stumpfheit ruhig war, denn anstatt das glänzende Leben zu bedauern, das ich verlassen hatte, zogen auf einmal wieder Friede und Zufriedenheit in mein Herz ein. Keiner konnte mich be­wegen, ihm bei der Flasche Gesellschaft zu leiste»; ich war meiner Mutter beständiger Gefährte; selten kostete ich Wein, und wurde gesund, glücklich und geliebt."

Geliebt in eines Liebhabers Sinne?"

Nein, als Nachbar und Mitbürger; doch bald folgte auch eine andere Liebe. Ein junges und sehr hüb­sches Mädchen, von Rang und weit größerem Vermögen, als das. meinige, ließ sich herab, meine ehrerbietigen Huldigungen zu ermuthigen. Dieß machte mich kühn gc-

> nug, um ihr Herz und ihre Hand zu bitten. Meine Mutter versicherte ihr, ich sei der beste Sohn, und ich versprach voll Eifer, der beste Ehemann zu sein. Sie glaubte Beiden und heirathcte mich; und als ich mcine liebe, edle Marie zu Hause willkommen heißen konnte, schien alle Erinnerung vergangenen Schmerzes vernichtet zu sein. Unsere Stellung in der Welt war, wenn auch nicht die glänzendste, doch ehrenvoll. Meiner Mutter Tafel erneuerte die Gastfreundschaft, die mein Vater stets geliebt hatte. Die drei Brüder Mariens waren un­sere beständigen Gäste, und Wargrave, der nüchterne, ruhige, sorglose Wargrave, wurde plötzlich eigensinnig und übellaunig. Meine gute Mutter, die mich für fehler­los hielt, schloß, daß der Ehemann bci'm täglichen Um­gänge Fehler an der Frau entdeckt haben müsse, die dem Liebhaber entgangen seien, und schrieb der armen Marie das ganze Gehässige der Veränderung z». Sie faßte einen Widerwillen gegen ihre Schwiegertochter, der sich sogar auf deren Familie, Freunde und Bekanntschaft er­streckte. Sie sah, daß ich immer nach dem Essen mür­risch und reizbar wurde, und schob den Fehler auf mcine Gäste, anstatt ans Rechnung des verfluchten Weins, den ich in ihrer Gesellschaft trinken mußte."

Ihrer Frau aber war wohl der eigentliche Grund der Veränderung nicht entgangen?"

Doch k bei dergleichen Dingen werden Frauen nicht durch Erfahrung geleitet. Gerade das Laster der Trun­kenheit ist ihnen ein Gcheimniß, oder sie müßten gerade zufällig ein ganz sinnloses Vieh der Art in den Straßen liegen sehen. Marie schrieb wahrscheinlich meine verän­derliche Laune einem reizbaren Temperamente zu. Sie fand mich nicht so gut gelaunt, als sie erwartet hatte, und durch Kleinigkeiten leicht bewegt. Des Vormittags leben Eheleute natürlich am wenigsten zusammen, und meine Abende gingen selten vorüber ohne eine» politischen Ha­der mit irgend einem Besuchenden, oder einen Sturm mit den Dienern. Der Thee war kalt, die Zeitungen kamen nicht zu rechter Zeit, aber die übrige Welt hatte gerade eine andere Meinung, als ich, in Beziehung auf das Betragen der Minister. Glücklicherweise ward Mariens Zeit durch die Vorbereitung auf die baldige Ankunft ihres ersten Kindes in Anspruch genommen, ein Pfand häus­lichen Glückes, das ein Weib selbst wieder mit noch grö­ßeren Bedrückungen aussöhnen kann, als die waren, welche für sie ans ihres Mannes Reizbarkeit entsprangen. Alle meine Aufbrausungen bemäntelte Marie damit, daß sic meinte, cs könnte wohl sein, daß andere Män­ner mit der abgeschmackten Eigenschaft guter Laune begabt seien; daß aber Wargrave, wenn auch et­was hitzig, doch das beste Herz und die besten Grund­sätze auf der Welt habe. Als nun bald unser kleiner Junge erschien, erregte sie das Spötteln ihrer ganzen weiblichen Bekanntschaft, weil sic behauptete, Heinrich werde in jeder Rücksicht seinem Vater gleichen. Der Him­mel segne sie für ihre Blindheit!"

Wargrave hielt eine Weile inne, während welcher Zeit ich mich nach der Fregatte umsah. (Forts, folgt.)