dessen rundes, volles, in FeuerSgluth strahlendes Gesicht Lebenslust und Behaglichkeit unverkennbar darstellte, al­lein cs schlug unter der breiten Brust dieses scheinbar et­was epikuräischen Kolosses ein gesühlvolles Herz, und der Tod des sanften, redlichen Glück hatte den Feldherrn dermaßen angegriffen, daß er kaum Meister seiner Em­pfindungen blieb.

Mit kurzen Worten befahl der Generalmajor dem Oberlicutenant Pol; *) vom sechsten leichten Jnfanterie- Betaillon Laroche, den er so eben für den gefallenen Glück zu seinem Adjutanten ernannt hatte, die Verhält­nisse des überlieferten, verdächtigen Gefangenen zu unter­suchen.

Der Arrestant erklärte sich von Wort zu Wort also: Ich heiße Jacques Poinxon, und bin geboren zu Paris. Mein Vater ist einer der berühmtesten Aerzte der Hauptstadt meines Vaterlandes, und auch ich studirte Mediein. Um mich in meinen Studien zu vervollkommnen, wurde ich von meinem Vater, einem wohlhabenden Manne, vorerst nach der Berliner Charit«, dann in's Julius-Hospital in Würzburg, endlich nach Wien gesendet. Als sich der politische Horizont an­sing zu trüben, verlangte ich von der damals noch zu Wien anwesenden französischen Gesandtschaft Pässe nach meiner Vaterstadt, welche ich auch erhielt; allein eine plötzliche Krankheit, die mich befiel, hinderte meine Ab­reise nach Paris, und als ich mich, wieder genesen, aus den Weg machte, waren bereits nach allen Richtungen hin die Straßen mit Truppenzügen bedeckt. Vor wenigen Tagen gerieth ich unter das vom General Kicmnayer be­fehligte zweite Reserve-Corps der östreichischen Armee; ich wurde dem General selbst vorgcstcllt, und da er aus meinem xusseport ersah, ich sei Arzt, sprach er lachend: üb bi«o, mon ek«r! Sie kommen mir eben recht, ich habe Mangel an Aerzten, und Sie werden sich daher ge­fälligst herbeilassen, vorerst als (llckrnrgiöu in unfern Feld­hospitälern zu fungiren; ich bemerke überdies, daß Sie der deutschen nicht minder mächtig sind als Ihrer Mutter­sprache trmt mi«ux! solche Leute können wir gebrauchen."

Die Verfügungen des östreichischen Generals," also setzte der Gefangene seine Rechtfertigung fort,sagten meinem Geschmacke wenig zu, mais wir Franzosen pflegen zu sagen: il kaut ttür« donno min« n mnuvuis jsu, und deßhalb fügte ich mich scheinbar. Gestern aber fiel unfern streifenden Husaren ein baicr'scher Osfiziers- Bagagewagen in die Hände, und die Soldaten vetrödel- ten die Uniformen der feindlichen Herren um ein Spott­geld; da ich hörte, baß dieser dunkelblaue Rock die DiensteS- kleidung eines baier'schen Feldarztes sei, brachte ich den Capot an mich. Schnell war mein Plan gefaßt, ich klei­dete mich spät Abends in die Uniform, setzte mich auf dieses kleine, aber nngemein rasche Beutepferd, welches ich ebenfalls einem Husaren abgetanst, und sprengte, von der Dunkelheit begünstigt, der Gegend zu, in welcher, wie ich wußte, die baier'schen Vorposten standen. Die Flucht gelang, und diesem Rock habe ich es zu verdanken,

Pölz l verlor als Hauptman» in der Schlacht bei Polotzk ein Bein, wurde amputirt, und starb wenige Tage nachher.

daß ich bis jetzt nicht ungehalten wurde; doch in Mitte einer Colonne marschirend, gerieth ick heute mit in diese ganz abscheuliche Kanonade, und als ich eben bemüht war, einen sichern Ausweg zu erspähen, sah ich mich plötzlich arrctirt."

Jacques Poinpon hatte geendet und präseutirte nun schweigend, aber in sehr verbindlicher Weise, dem baier- scheu General die sranzöstschen Pässe. Minuzzi warf einen aufmerksamen Blick in die Papiere, und dann noch einen aufmerksameren und längeren auf den Gefangenen selbst.

Es war dieser Pvinyon ein schlanker, sehr wohlge­bildeter Jüngling. Zwar sah erblaß, allein die Züge der feinen Physiognomie vereinten sich in ein einnehmendes Ganze; kastanienbraune Locken ringelten sich bildlich um die hohe, offene Stirne des Franzosen, und nur sein dunkles, großes Auge rollte wild und scken, und mochte, wie es schien, nicht gerne eines Ander» Blick aushalten.

Nach einer Pause ließ sich Graf Minuzzi also ver­nehmen:Ihre Päfie sind in Ordnung; es war eine jugendliche Unbesonnenheit, daß Sie sich einer Uniform bedienten, welche zu tragen Sie nicht berechtigt sind, doch cs spricht Ihre Offenheit für Sie, und ich finde an Ihnen, junger Mann! wenig Verdächtiges. Aber freilich der kritische Moment der Zeit gebietet Vorsicht; Sie sollen zu unserer Nachhut gebracht, dort anständig behandelt, aber streng bewacht werden. Ick: werde den Vorfall dem Generallicutenant melden und sehen, was sich für Sie thun läßt bis dahin fassen Sie sieh in Geduld."

Auf einen Wink des Generals nahmen der Wacht­meister und der Reiter vom Chevaurlegers-Negimcitte (König) den Gefangenen wieder in ihre Mitte und ritten mit ihm von dannen, um den Arrestanten nach dem Orte seiner Bestimmung zu geleiten.

Der Weg führte durch das Thal, über welchem sich die Stnckkngeln der Kämpfenden unaufhörlich kreuzten. Die beiden Chevauxlegers waren Zeugen von der gelin­den Behandlung gewesen, welche General Minuzzi dem vermeintlichen Spion hatte angedcihen lassen, und ver­wendeten auf den Gefangenen nun mindere Aufmerksam­keit als ehevor. Ein Reiter ritt vorauf, dann folgte Jacques Poinxon und in einiger Entfernung folgte der andere Krieger. Allein plötzlich wendete der Arrestant sein Thier, und jagte in voller Carriere dem Hügel zu, von welchem hernieder die östreichischen Geschütze donnerten. Die beiden erschrockenen Chevauxlcgers jagten dem Flie­henden nach, allein der kleine Schimmel hatte flinkere Beine als die baier'schen Cavallericpferde. Nach wenigen Minuten war Monsieur Jacques hinter den feindlichen Battersten verschwunden, und die ChevauxlegerS mußten umwenden, wenn sie sich nicht unnützer Weise der Ge­fangenschaft übergeben wollten. Das Ereiguiß fand in der Mittagsstunde Statt.

(Fortsetzung folgt.)

Auflösung der Charade in Nro. 87:

Ravschuh.