und der Farbe, auch wirklich aufhebt, und sie nur im abAakten Bezug auf die Form bestehen läßt. Ein Paar Mal wäre er beinahe in ernste Unannehmlichkeiten gcra- then; mit Mühe entging er einem Fußeisen, und als er in einen lauten Fluch über diese nnchristliche Gewohnheit ausbrach, sah das Ende einer Nachtmütze aus einem Fen­ster, und eine rauhe Stimme ries:Wer da?"Ein Verirrter!" antwortete der Lieutenant.Es hat sich was zu verirren in den Gärten von Potsdam!" entgegncte der Kopf, indem er sich zurückzog; statt seiner ward ein Arm mit einer Flinte herausgereckt. Hier galt es eilige Flucht, die denn auch bewerkstelligt wurde. Schon schalt der Lieutenant das Ungemach dieser Nacht, als er sich aus einmal durch seine Flucht auf den rechten Weg ver­setzt und alle Noth gehoben sah. Er befand sich auf einer breiten Straße, die, nur von einer andern Seite, zu dem Hause, welches er dermalen bewohnte, führte; er schritt sie wohlgemuth und freudig, im Vorgefühl einer längst ersehnten Nachtruhe, hinab, als er zu seiner Ver­wunderung Lickt in seinen Zimmern, die gerade hier hin­ausgingen , erblickte. Sein Diener schlief auf der andern Seite des kleinen Hauses, neben dem Vorzimmer, welches zu seiner Wohnung führte.Tausend- was ist denn das? Der Bursche pflegt ja sonst nicht so lange wach zu blei­ben!" rief er aus; da sah er deutlich zwei Schatten sich zwischen Licht und Fenster hin und her bewegen. Er wollte hinauf stürmen, besann sich aber eines Bessern, und sprang an die entgegengesetzte Seite der Straße, von der er sein Zimmer bequemer übersehen konnte. Aber hier blieb er entsetzt stehen: sein Auge starrte hinauf; seine Arme hingen schlaff herab, seine Zunge klebte au, Gau­men, er war unfähig sich zu rege», einen Laut von sich zu geben, einen Blick abzuwenden von dem, was ihn schaudern machte. Er sah sich selbst, wie er vor den Spiegel trat, sich von dem Bediente» leuchten ließ, seine Abendtoilette wie gewöhnlich machte, und alle seine kleinen gewohnten Geschäfte der Reihe nach vornahm, ohne eines auszulassen, ohne ihre gewöhnliche Reihenfolge zu über­springe». Mit der heißeste», angstvollsten Begierde folgte er den Bewegungen des entsetzlichen Doppelgängers; er hätte so gern etwas von seiner Art und Weise Abwei­chendes darin entdeckt, was ihm gesagt hätte, du bist cs nicht, es ist ein Anderer! Aber er sah nur die vollkom­menste Gleichheit. Wen» du träumtest! dachte er, wenn, vermöge einer magnetischen Kraft, cs Augenblicke gäbe, E denen wir unsere eigene äußere Erscheinung mit un­serem höhern Ich fassen können wie eine fremde, wo wir sie davon abzusvndern vermögen aber dann stände ich ja nickt hier auf der Straße, zum zweiten Male in mei­ner äußern, in derselben Gestalt, die denn dock die wirk­liche ist! Und der Soldat, der mit eben dem schläfrigen Gefickt, wie sonst mich, die Figur bediente entsetzlich! Vielleicht wundern Sie fick, meine verehrten Zuhörer, daß mein Freund in diesem Augenlicke noch so vielerlei denken tonnte; erlauben Sie mir denn. Ihnen zu sagen und Jeder, der selbst Momente der höchsten Angst erlebt bat, wird es wissen, daß die Dickster diese fälschlick wie eine Leere in der menschlichen Seele schil­

dern, wie eine Pause im Laufe ihres Daseins, eine Kluft, die flck zwischen sie und das Lebendige legt, die nur ei» Gedanke ausfüllt. Allerdings scheint ei» gähnender Spalt vor unfern Augen sich zu östnc», und wir haben das Ge­fühl, als wenn wir in einen Abgrund stürzten; aber die Angst, wiewohl sic nur einen Moment Dauer hat. Lehnt,* ihrer Natur nach, diesen Moment zur Ewigkeit aus, und nicht nur ein Gedanke füllt diesen endlosen Raum, son­dern eine Menge Gedanken durchkreuzen sich darauf mit Blitzesschnelle; aber alle versinken nach augenblicklichem Auftanchcn wieder in die Nacht des allgemeinen Zustan­des, der uns umfängt, alle entspringen ans einer Wurzel, ans der Finsterniß dieses Zustandes selbst; sie zucken auf, gleich Blitzen, n»d kehren in dieselbe Nacht, die sie ge­bar, zurück; und ich glaube eben in dieser schneller» Denk­fähigkeit, und der Monotonie in der Grundlage nnserer Stimmung, welche alle diese Gedanken wieder auf Null rcducirt, und alsbald in siegender Kraft vernichtet, liegt die endlose Länge solcher Augenblicke. Dem Steiger, der über einen Abgrund springt, scheint die Action des Sprunges, die dock kaum eine Secunde dauern kann, in der Angst seines Herzens Viertelstnndenlang.

So stand mein Freund noch immer wie angewurzelt seinem Zimmer gegenüber, verwandte keinen Blick davon, und wiewohl er die Scene mit angstvoller Aufmerksamkeit verschlang, zuckten ihm Hofmann und Magnetismus, Dop­pelgänger und Schwedenborg und alles Entsetzen der Geisterwelt durch den Sinn.

Indem sah er aus der matten Erleuchtung, welche die zwei letzten Fenster der Haussronte überflog, daß die Thürc seiner Schlafkammer geöffnet worden war; er sah de» Bedienten mit den Lichtern hineingehen, den Herrn folge», bald darauf das Licht anSloschen und Alles dun­kel werde». Noch starrte er hinauf, das Licht erschien nicht wieder. Ihm war, als höre er die Thürc schließen, durch die der Bediente wegzugehcn pflegte. Es ward Nacht vor seinen Sinnen, er hielt die Hand vor die Au­gen und blieb lange so stehen. Umsonst! die Versenkung in sein innerstes Gemüth gab ihm kein Licht. Gedanke über Gedanke stürmte dort auf und ab, und keine Welle legte sich zur Rast.

Lange stand er so, endlich war es ihm, als ergriffe die Ruhe des Todes seine Seele; er wußte nickt, ob er noch lebe. Er sah auf, das Licht der Sterne blinkte mat­ter, die Schatten wurden blässer und der «ommermorgen schien langsam »nd leise hervorbrechen zu wollen. Völlige Stille umgab ihn; die Nachtigall hatte ihre Liebesklage», ihr Glück und ihren Schmerz schon schweigen lassen, kein Heimchen rührte sich, kein Frosch in den benachbar­ten Teichen, die Welt schien in Morgenträninen versunken. Nur im fernen Walde, nach Osten zu, wo der Himmel sich lichter färbte, zogen Windstöße wie Nachzügler des Gewitters durch die Wipfel, und sandten die Klage ihres Daseins, ein leises weinendes Echo, herüber.

(Schluß folgt.)