Denn so viel Vertrauen ich auch in die rechtschaffenen Züge des Alten setzte, so hatte ich doch zu viel von dem grausamen Verrathe der Spanier gehört, um mich ganz ohne Schutz in Gefahr zu begeben; zu dem that auch vielleicht der Beistand Mehrerer Noth.
In der Ecke, aus welche der alte Petro zuschritt, war keine Thüre sichtbar, und ich konnte daher nicht begreifen, was wir hier sollten, aber Petro zögerte nicht mit der Erklärung. Er drückte einen Stein in einer Blende zurück, und der ganze Hintergrund der Blende schob sich seitwärts, und ließ uns eine schmale, steil aufwärts führende Treppe sehen. Nasch ging es hinan, und schnarrend fuhr die Blende hinter uns wieder zu. Am Ende der Treppe angelangt, öffnete Petro eine Thüre, und wir traten in ein kleines finsteres, aber zierlich ausmöbe- lirtes .Gemach; eine Thüre, welche in ein anstoßendes Zimmer zu führen schien, war nur angelehnt. Rasch öffnete Petro auch diese Thüre, da sah ich ein Mädchen in einfacher doch festlicher Kleidung vor einem Krnzifire auf den Knieen liegen; sie betete, den Rücken uns zugewendet, halb laut, und rang dabei verzwciflnngsvoll die Hände.
Bei dem Geräusche, welches unser Eintritt verursachte, sprang sie rasch ans, und ich erblickte das reizendste, lieblichste Wesen, das meine Augen je gesehen. Die Tod- tenblässe, die ihre Wangen deckte, war nicht im Stande, ihre Reize zu verbergen, im Gegenthcil diente sie nur dazu, die höchste Theilnahmc, das innigste Mitgefühl für ihre Leiden in Anspruch zu nehmen.
Als ihr Auge ans mich traf, sank sie mit einem leisen Schrei ohnmächtig zurück, und wäre Petro und ich nicht rasch hinzngesprungen, hätte sie das Hanpt an der Mauer schwer verletzen können, doch unsere schützenden Arme singen sie auf.
Unseren vereinten Bemühungen gelang cS bald, sie wieder in das Leben znrückzurnfen. Wir hatten uns so gestellt, daß ihr erster Blick nur den alten Petro treffen konnte; kaum gewahrte sie ihn, da siel sie ihm weinend um den Hals, und rief: „Wohl mir, daß Du wieder bei mir bist. Ich war hier so gräßlich allein, und gern hätte ich mich mitten in das Getümmel gestürzt, um nur unter Menschen zu sein, aber dann hielt mich wieder die Furcht vor der wilden Gier der Feinde zurück. — Aber sprich, Petro; wie geht es meiner Mutter, meinem Vater, meinem Bruder; Sind sie wohl? Sind sie in Sicherheit?"
„Wohl und in Sicherheit!" erwiderte der Alte finster, „Euch aber, edle Donna," fuhr er, sich schnell ermannend fort: „Euch droht die größte Gefahr. Das Schloß brennt, und nur augenblickliche Flucht kann Euch retten; doch noch ist das Schloß von den Franzosen umringt, und Euer edler Vater sendet Euch daher hier einen Schützer, den die Vorsehung Euch mitten unter den Feinden wunderbar zngcführt hat."
Bei diesen Worten zeigte er auf mich, und ich trat, mich ehrerbietig verneigend, der lieblichen Jungfrau näher, „Ja, Donna," sagte ich mit weicher Stimme, „Euer edler Vater gebot mir. Euch zu retten, und ich zweifle nicht, daß Ihr Euch meinem Schutze willig anvertrauen werdet. Doch zögert nicht, mir zu folgen, denn wüthend
greift die Flamme um sich, und nicht lange mehr kann dieser Theil des Schlosses von ihr verschont bleiben.
„Ich Euch folgen," erwiderte das Mädchen, mich mit mißtrauischem Blicke messend. „Euch, einem geschworenen Feinde meines Vaterlandes? — Nimmermehr!"
„Ihr dürft ihm trauen, Donna," nahm Petro das Wort. „Der alte Petro verbürgt sich für ihn, und das wäre hoffentlich schon genug; aber seht zum Ueber- flnsse noch die frischblntende Wunde, die er bei dem Bestreben empfing, Eurem Bruder das Leben zu retten."
„Das thatct Ihr?" rief sie, den Sinn der Worte mißverstehend, und funkelnd hafteten ihre Blicke einen Moment mit dem AuSdruc^ des innigsten Dankes auf meiner verwundeten Wange. Dann hielt sie mir die Hand hin, und rief rasch: „Ich folge Euch! — Wohin sagte mein geliebter Vater, daß Ihr mich bringen solltet?"
,So natürlich eine solche Frage auch war, so wenig hatte' ich mich doch darauf vorbereitet, und leicht wäre ihr Argwohn erwsckt, und dadurch vielleicht Alles verloren worden, hätte mich nicht der alte Petro, schnell Anfallend, der Verlegenheit entrissen.
„Nach Barbastro;" sagte er, „zu Eurem Herrn Onkel. Der Herr Marquis werden nebst Eurer Frau Mutter und Eurem Herrn Bruder versuchen, gleichfalls, doch auf Umwegen, so bald als möglich dabin zu gelangen. Sie haben bereits einen glücklichen Augenblick zur Flucht benutzt, und das Schloß schon verlassen. — Ich soll Euch begleiten. — Jetzt aber, Donna, folgt uns ohne Zögern; und waS wir zu retten vermögen, wollen wir nicht leichtsinnig den Flammen opfern." Dabei öffnete er ein geheimes Wandschränkchen, nahm ein Kästchen mit Schmuck, ein anderes mit wichtigen Papieren heraus, und bat uns dann, ihm so schnell als möglich zu folgen, denn schon drang Brandgeruch von der Seite der Kapelle her in das Zimmer, und sollte das Feuer, ehe wir entkamen, auch den Gang erreichen, der diese geheimen Zimmer mit dem entgegengesetzten Theile deö Schlosses verband, so waren wir Alle rettungslos verloren.
(Fortsetzung folgt.)
Charade.
Was Dir die erste Silbe nennt.
Das kannst Du oft erschauen:
Beim Blut, beim Feuerclement,
Auf holden Nosenaucn,
Wenn sich der Lag am Himmel zeigt Und wenn er sich spät Abends neigt.
Und auf der Wange strahlt es mild,
Der keuschen Unschuld schönes Bild.
Das zweite Wort der Manncskraft Gcwaltiglichcs Zeichen,
Du siehst es duster, siebst cs streng.
Im Alter erst erbleichen.
Und wenn Du nach dem Ganzen fragst So will ich Dir cs sagen.
Dann wird ei» großer KriegeShcld An seine Rüstung schlagen;
Du kennst ihn, dem das zweite Wort Den Namen hat verliehen.
Der Feinde Schreck, der Freunde Hort,
Kein Mensch sah ihn je fliehen.