Zur Wiederinstandsetzung der beiden Geschütze waren zwei Tage erforderlich; die daraus für mich erwachsende Ruhe wirkte so wohlthätig auf mich, daß ich mich schon jetzt wieder an die Spitze meines Regiments hätte setzen mögen, und ich war daher innig erfreut, als wir am Morgen des dritten Tages unfern Marsch antraten.
Der Captiän, welcher das Detaschement führte, theilte meine Ungeduld, die Armee zu erreichen, denn ähnliche Commando's sind jedem Soldaten, der das Herz auf dem rechten Flecke hat, unangenehm, allein er ließ sich durch seine Ungeduld zu einer unverantwortlichen Unvorsichtigkeit verleiten. Als wir nämlich in unserem dritten Nachtquartiere angelangt waren, und der Capitän sich nach dem Wege erkundigte, den er für den folgenden Tag einzuschlagen habe, um nach der vorgeschriebcnen Etappe zu gelangen, da sagte ihm der Geistliche des Dorfes, bei dem er jene Nackricht einziehen wollte, daß er einen ungleich näheren Weg einschlagcn könnte, um in einem Tage zwei Etappen zurückznlegen, ohne gleichwohl weiter marschiren zu müssen. „Zwar," sagte der Geistliche, leicht hingcworfen, „soll diese nähere Straße nicht ganz sicher sein, doch glaube ich dies kaum, denn cs sind nun schon über vierzehn Tage, daß wir keinen einzigen bewaffneten Patrioten in unserem Dorfe sahen; die Trnppenmärsche des Feindes durch diese Gegend sind in der letzter» Zeit zu häufig und zahlreich gewesen, deß- halb haben die Patrioten sich mehr zurückgezogen."
Ich war zugegen, als der Capitän diese Unterredung Hatte, denn er verstand nur sehr wenig Spanisch, und sprach es noch weniger, ich aber hatte seit dem Tage, an dem ich den Befehl erhielt, nach Spanien zu mar- schircn, den größten, unermüdlichsten Eifer auf Erlernung der Sprache gewendet, und cs schon zu einer ziemlichen Fertigkeit gebracht, weßhalb ich denn hier den Dolmetscher machte. Es schien mir, als ruhe das Auge des Geistlichen tückisch lauernd auf dem Capitän, als er des näheren Weges erwähnte, und als blitze eine wilde Freude darin auf, als er sah, daß seine hingeworfene Bemerkung aufgcfangen werde.
Ich theilte dem Capitän die Beobachtung, die ihm entgangen war, mit, und rieth ihm, den weitern aber sichern Weg dem kürzecn doch gefahrvolleren vorznziehen, er jedoch erklärte seinen festen Entschluß, den näheren ein- zuschlagen. „Der Vorthcil ist zn überwiegend," sagte er. „Um den Gewinn eines ganzen Tagemarsches läßt sich das kleine Wagestück schon unternehmen; zudem sind wir stark genug, es mit einem zahlreichen Hansen dieses Bauerngcstndels aufzunehmen."
Vergebens machte ich ihm noch mehrere lebhafte Vorstellungen. Für jeden meiner Gründe hatte er einen Ge- gcngrund, und endlich gab er mir sogar nicht undeutlich zn verstehen, daß ich, obgleich älterer Offizier als er, dennoch hier nichts zu sagen hätte, da ich mich nur als Verwundeter an das Commando angeschlossen habe, da§ unter seinen unmittelbaren und unumschränkten Befehlen stände. — Jetzt durfte ich kein Wort mehr verlieren; ich unterdrückte meinen aufwallenden Zorn, und beschloß, das Einzige zn thnn, was mir übrig blieb, nämlich mich ru
hig in die Anordnungen des Capitäns zu fügen, so widersinnig sie auch vielleicht herauskommen möchten.
Zu Anfang des Marsches ging Alles gut; die Gegend war eben und osten, und ich merkte wohl, wie der Capitän mich dann und wann trinmphirendcn Blickes ansah, als wollte er sagen: „Nun wer hat Recht? Waren deine Besorgnisse nicht grundlos?"
Ich fing selbst schon an zn glauben, ich könnte mich doch wohl geirrt und dem Geistlichen Unrecht gethan haben, allein nach der ersten Meile fing der Boden an, sich leicht zn erheben; hie und da standen einzelne Baumgruppen, zwischen denen sich niedriges aber dichtes Gebüsch hinzog. Und in geringer Entfernung vor uns breitete sich ein dichter Wald aus.
Der Capitän begann jetzt selbst besorgt zu werden, und wendete jede Vorsichtsmaßregel an, unseren Marsch zu decken und zu sichern. Doch noch zeigte sich nichts, was die Besorgnisse gerechtfertigt hätte. Unangefochten erreichten wir den Hochwald, und freuten uns, einen Grad der Sicherheit gewonnen zu haben, denn der Wald war frei von Unterholz, und man konnte zwischen den hohen, schlanken Stämmen der Kastanien und der mächtigen, immergrünen Eichen weit Hineinblicken. Aber nicht lange blieb eö so. Je weiter wir kamen, desto dichter wurde der Wald, desto unebner der Boden, desto ungebahnter der Weg, und als wir etwas über eine Stunde auf diese Weise marschirt waren, verlor sich jede Spur einer gebahnten Straße; wir befanden uns auf'einem selten befahrenen Holzwege, der sich bald zur Rechten, bald zur Linken an steile, mit dichtem Buschwerk bewachsene Höhen lehnte, und oft mehrere hundert Schritte weit zum gefährlichsten Hohlwege wurde.
Jetzt sah der Capitän selbst ein, wie gränzcnlos unvorsichtig er gewesen war; mit Worten gestand er es zwar nicht ein, aber man sah es an allen seinen Anordnungen. Er ließ die Wagen mit den Verwundeten dickst anffahren, und zog seine Mannschaft eng zusammen, nur die nöthlgste Vorhut und Scitenpatrouillen dekasebirend. Bald zeigte es sich, daß diese Vorsichtsmaßregeln nicht vergeblich gewesen seien, den plötzlich fielen vorn und zur Seite Schüsse, und die Dragoner, welche unsere Avantgarde gebildet hatten, kamen mit der Nachricht zurnckge- sprengt, daß vor uns und zur rechten Seite der ganze Wald von bewastneten Bauern wimmle.
Der Capitän warf ihnen sogleich eine hinreichende Anzahl Tirailleurs entgegen, ließ die Dragoner, um sie nicht nutzlos dem feindlichen Feuer auszusetzen, sich links neben den Weg ziehen, denn diese Seite hatten die Bauern unbesetzt lassen müssen, um nicht durch ihre eigenen Kugeln zu fallen, und befahl dann, daß der Zug unter dem beständigen Sckarmutziren langsam fortrücken solle. Dies war das Klügste, was er thnn konnte, allein es half leider nicht viel, denn die Bauern merkten die Absicht leicht, und zielten nun, unseren Marsch zu hemmen, vorzugsweise auf die Pferde, und sie erreichten ihren Zweck nur zu gut, denn bald stürzte hier, bald dort eins zusammen. (Fortsetzung folgt.)