raltar abgeschickt, um geeigneten Orts über den ganzen Borfall zu berichten. (Engl. Bl.)
Die Abtei Manbniffon.
(Fortsetzung und Schluß.)
Die Dame fuhr nun fort: „Das Gemüth der armen Schwester Rosa zeigt sich Ihnen vollkommen in diesen Zeilen, einem rührenden Vereine der aufrichtigsten Frömmigkeit und' der innigsten Freundschaft. Sie erzählte mir nun einige ihrer Leiden, und verringerte selbst diese absichtlich, um mich nicht dadurch zu betrüben. Zugleich verbarg sie mir aber die bittersten. Ach! nicht in diesem verhaßten Gefängnisse war es, wo sie am meisten litt, sondern im Kloster selbst, in den Stunden des Spazierengehens, bci'm Unterricht, kurz überall. O! Sie wissen nicht, mein Herr, was die Bosheit von ein Dutzend müßiger Nonnen, die zu Ausübung derselben nur einen beschränkten Wirkungskreis haben, sagen will! Ich weiß cs, ich, o! ich weiß cs, wie viele entwürdigende Worte ihr Ohr verletzt, wie vielfach beleidigender Ver- dacht dieses edle und gefühlvolle Herz gekränkt haben muß!"
„Unterdeß schritt die Revolution mächtig vorwärts. Frankreich stand allen denen wieder offen, welche politische oder religiöse Verhältnisse daraus verbannt hatten. Schon lange hätte mein Mann dahin zurückkehren können, aber wichtige Geschäfte hielten ihn noch im Haag zurück. Erst im H'erbste 1791 sahen wir unser Vaterland wieder." «> ,
„Anfang Oktobers befanden wir uns eben'in Va- lenciennes, als öffentliche Blätter ein Dekret der Nativ- nal-Versammlnng mittheilten, wodurch mehrere Klöster auf der Stelle aufgehoben wurden. Darunter befand sich auch die Abtei Manbnisson."
„Ich beeilte nun meine Abreise. Es trieb mich, meine theure Rosa wieder zu sehen, und ihr in der Welt, in welcher sie sonst allein gestanden haben würde, den Schutz einer Freundschaft darzubieten, welchen sie sich so theuer erkauft hatte. So kam ich am 12. Oktober in Paris an. Am 13ten war ich in Manbnisson."
„Ich will Ihnen das peinliche Gefühl nickt ausmalcn als ich die Pforte des Klosters, seit so vielen Jahrhunderten vermauert, mm jedem Eintretenden geöffnet sah, die verwüstete Kirche, die zerstörten Grabmälcr, die entheiligten Gebeine erblickte. Ach! meiner wartete ein bei weitem traurigerer Anblick!"
„Auf meine Frage, was denn aus den Nonnen geworden sei, antwortete man mir damit, daß die Thurmwärterin mir allein darüber Auskunft geben könnte. Sie wohnte im Gemache der Aebtissin, und ich stieg zu ihr eiligst hinauf,"
> „Auf der Stelle erkannte mich diese Frau wieder."
„Was ist aus Schwester Rosa von der Barmherzigkeit geworden?" fragte ich sic. Bei diesem Namen ward sie blaß, zitterte, zündete ohne mir zu antwdrten, eine Kerze an, und holte ihre Schlüssel."
„Um Gottes willen," rief'jck wieder: „wo ist Schwester Rosa? Sie ist doch 'nicht todt?"
„O, gnädige Frau — gnädige Frau, kommen Sie geschwind! — Man hat sie vergessen!"
„Vergessen? Aber wo denn?"
„Im Strafgcwölbe, wo man sie am Sonntage, kurz zuvor, che die Distrikts-Commissaricn kamen, cinge- schlvssen hatte."
„Am Sonntage? und heute ist Sonnabend!"
„Die Fallthüre anfheben, die Treppe'binabsteige», die Thüre öffnen, Alles war für uns das Werk eines Augenblickes. — Aber ach! welcher schreckliche Anblick! Wie habe ich ihn überleben können?!"
„Die Unglückliche war Hungers gestorben, und Alles zeigte an, wie furchtbar ihre Todesangst gewesen sein müsse. Ihr Schleier, ihr wollenes Gewand war in Stücken zerrissen, ihr Kruzifix zerbrochen, sie lag auf seinen Trümmern. Ich umfaßte sic, und hob sie auf. Sie war steif wie ans Einem Stücke. Ihre rechte Hand hatte ihre Brust zerfleischt, ihre weißen, langen Zähne, die aus den von Schmerz verzerrten Lippen blickten, waren in ihren linken Arm eingebissen, den sie an mehreren Stellen verletzt hatte. Dabei sahen ihre unbeweglichen,, weit offenen, großen Augen mir starr iu's Gesiebt. Furchtbarer Anblick, den ich nicht ertragen konnte! Ick stürzte zu Boden, sie noch in meinen Armen haltend. Man mußte uns mit Gewalt von einander reiße». Am andern Morgen, als ich meine Vernunft wiederfand, war mein Mann zugegen, und nahm mich mit sich hinweg."
„Dies ist das traurige Ereignis;, daö mich alle Jahre am 13. October hieher führt. Ich' komme dann nicht- etwa, um die gute Rosa wegen ihres Todes, den'sie um meinetwillen litt, um Verzeihung zu bitten; o. nein! ich bin fest davon überzeugt, daß mitten unter allen ihren Leiden, weder aus ihren Lippen noch in ihrem Herzen auch nur eine Verwünschung gegen mich geschwebt hat, sondern um Gott anznflchen, daß er uns in der Ewigkeit wieder vereine, um diesen Garten, diese Alleen, dies Kloster wieder zu sehen, wo wir uns so oft ewige Freundschaft geschworen, so oft-versprochen hatten, alle Schmerzen und Freuden unserS ganzen Lebens mit einander zu theilen. Ungleicher Vertrag! wo wir das Vergehen, und daS, was man in der Welt Glück nennt — ihr die Unschuld und eine furchtbare Züchtigung zu Theil ward." —
Hier endete die Dame eben ihre Erzählung, als man ihr die Nachricht brachte, daß ihr Wagen bereit sei. Ich gab ihr den Arni, um sie zu ihm zu geleite». „Mein Herr," — sagte sie da noch zu mir — „ick brauche Ihnen wohl nicht erst Gcheimhalteii dieser Vorfälle, und vorzüglich meines Namens, wenigstens so lange ich noch am Leben sein werde, anzncmpfehlcn."
So eben höre ich, daß Frau Louise Benedictinc von' Saint Simon vor einigen Tagen gestorben ist.
R ä t h s e l.
Wobt Alles ist es, was besteht und lebt auf Erden;
Gewiß sind wir's, auch Die, die nach uns kommen werden;
Nur Die sind's nicht, dic>, V,vr uns sinr> verschieden;
Doch warcn'S Die, die wandelten hiepiedcn.