vorzüglich des heiligen Bernhard, dessen- Regel sie befolg- ten, unverzeihliche Verbrechen.

Ich hatte wenig auf die Worte der Gärtnerin geach­tet; als ich aber von meinem gewöhnlichen Spaziergange zurückkam, fuhr eben ein stattlicher, mit eurem Wappen geschmückter Reisewagen in den Hof. Ich begab mich in den Garten und kam dabei an der Thüre vorbei, durch welche man jetzt in das Strafgewölbe gelangt, als ich auf der ersten Stufe derselben eine Dame in Trauerklei­dern erblickte. Sie war groß, von edler Haltung, aber ihr Gesicht nicht sowohl durch die Jahre, als durch den Ausdruck tiefen und erneuten Schmerzes gealtert. Sie schwankte sichtlich, ich bot ihr also meinen Arm. Im Augenblicke darauf ward sie ohnmächtig, und ich hatte Mühe, sie bis in's Haus zurück zu bringen. Als sie wie­der zu sich gekommen war, drang ich in sie, den übrigen Thcil des Tages und die Nacht in Maubuisson zuzubriu- gen. Sie willigte endlich ein.

Als ich am andern Morgen in dem Küchengarten mit ihr umherging, sagte sie mir:

Ich danke Ihnen für Ihre gütige Aufmerksamkeit. Könnte ich mich Ihnen doch wieder gefällig bezeigen!"

Es wäre unzart, wenn ich Sie um die einzige Ge­fälligkeit bitten wollte, die ich nicht auszusprechen wage!" cntgegnete ich.

Unzart?" antwortete sie.O, ich verstehe. Der Beweggrund, der mich hieher führt. Nicht wahr? Das ist eine Begebenheit, die bloß meinen Kindern be­kannt ist, denn ich erzähle sie nicht gern. Sie haben jedoch mir so viele Sorgfalt bewiesen einer alten Frau! Das ist recht schön von Ihnen. Hören Sie also, da Sie es nun einmal so wollen:

Ich ward zu Beauvais im Jahre 1770 geboren. Meine Mutter starb, indem sie mir das Leben gab. Mein Vater, ein wackerer Edelmann der Provinz, verhei- rathete sich bald darauf wieder. Anfangs beschäftigte sich meine Stiefmutter viel mit mir, später aber, als sie selbst Kinder bekam, theilte sie ihre ganze Zeit zwischen diese und ihre Vergnügungen."

Acht Jahre zählte ich, als mein Vater zum Vor­munde eines seiner Neffen ernannt war, der in wenigen Monaten Vater und Mutter verloren hatte. Mein Cou­sin wohnte mit bei uns. Die Gleichheit in unsern An­sichten, eine Art uns gemeinschaftlicher Schwermuth, der dunkle Instinkt unserS Alleinstehens hatten bald das Band einer innigen Kiuderfreundschaft um uns geschlungen. Alle Stunden, die nicht unsere, allerdings sehr vernach­lässigte Erziehung in Beschlag nahm, brachten wir bei einander zu. Selbst in dem Älter, wo sich diese unschul­dige Verbindung in ein anderes Gefühl hätte umwandeln können, fanden unsere Eltern nichts Arges darin. Sie hatten schon fest beschlossen, daß wir getrennt werden soll­ten und für immer."

Kaum war auch mein Cousin 18 Jahre alt, als ihn mein Vater eines Tages rufen ließ, und ihm ankün­digte, daß er als Volontair in einem Regiment«: ange-, stellt sei, das nach Indien abgehen werde, und sicff da­her auf den nächsten Tag zur Abreise bereit halten sollte.

Mein Cousin hinterbrachte mir auf der Stelle diese un­glückselige Nachricht. Nachdem wir nun viel geweint und uns vergebens zu trösten versucht hatten, umarmte er mich und ließ mich auf mein Gebetbuch schwören, daß ich nie einen Andern, wenigstens nicht vor seiner Rückkehr, heirathen wolle. Ich schwor es ihm, und am andern Morgen war er fort."

Auch ich kam nun bald an die Reihe. Eines Ta­ges besuchte mich meine Stiefmutter auf meinem Zimmer, was sie sonst nie zu thnn pflegte. Sie unterhielt sich lange Zeit mit mir über das geringe Vermögen meines Vaters und den großen Aufwand für sein Hauswesen. Sie fuhr dann fort, mir zu erklären, daß, da er mir keine Ausstattung geben könne, das Kloster das Einzige sei, was sich für meine Herkunft eigne, daß sie die Aeb- tisfln von Maubuisson recht gut kenne, daß ich dort recht wohl ausgenommen würde, und kurz, daß dies derBefehl meines Vaters sei. Dieser Grund war für mich ohne Widerrede und nach acht Tagen befand ich mich in der Abtei Maubuisson."

In allen Klöstern war cs damals Sitte, wenn sich ein Mädchen meldete, das den Schleier nehmen sollte, eine andere Nonne gleichsam an ihr Noviziat zu knüpfen. Dies war dann eine Freundin, eine stete Begleiterin, die den Auftrag hatte, ihr den Frieden und die Süßigkeit des Klosterlebens in's Schöne auszumalen, und zugleich dessen harte Langeweile zu verkleiden. Die Gefährtin, die man mir als Freundin zugcsellte, nannte man im Kloster Schwester Rosa von der Barmherzigkeit. Keine war mehr als sie, und ohne es selbst zu wollen, zu dieser Art vonVerführung geeignet. Neben ihr schienen alle Vor­schriften der Klosterrcgel leicht, mit so vieler Freundlich­keit übte sie sie aus. Es war ein reizendes Mädchen, das mein Herz lieben wird, so lange cS schlägt. Aus einer angesehenen Familie abstammend, war Armuth ihr Beruf zum Kloster gewesen, so wie der meine der Wille meines Vaters. Ihr gelehriger Charakter hatte sich aber sehr bald der Pflicht gefügt. Ihr eugelgleiches Gesicht, ihre schönen blauen Augen, ihr gesetztes Benehmen, ja selbst der melodische Ton ihrer Stimme vereinte sich mit ihrer milden, schuldlosen Seele zu einem Ganzen. Hatte man auch das Kloster verabscheut, das, worin man mit ihr leben konnte, hätte doch liebenswürdig geschienen."

Sie besaß schnell meine Zuneigung, mein volles Vertrauen, und schenkte mir dafür ihre Freundschaft. Wir verließen uns fast nie wieder. War ich nicht bei ihr, so dachte ich an meinen Cousin. Was war aus ihm geworden? Sollte ich ihn Wiedersehen? Aber der Wille meines Vaters stellte sich wie ein unübersteiglichcs Hinderniß zwischen ihn und mich. So sah ich denn nicht ohne Bedauern, aber doch nicht eben mit Furcht, den Augenblick nahen, wo ich mein Gelübde ablegen sollte. In drei Monaten sollte geschehen."

(Fortsetzung folgt.)