Damen hübsche Mätzchen von Sacktüchern und engagi'rte die andere Hälfte. Die Empfindsamen hatten ihre Stammbücher nebst Herbarium längst eingepackt, daS Alter mußte der Jugend weichen. Aber zu würdigem Schluß dieses geselligen Abends schlug die Mama gemeinsamen Gerstenschleim und Pfannkuchen vor; während sonst jede Dame apart ein Wassersüppchen oder Täßchen Thee genossen hatte. „Ja, daS ist schön," rief Fran Marie, und zum Nach, tisch muß die Frau Mama ihr Geschichtchen erzählen, die allein ist's noch schuldig!"
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Der Mama Geschichte.
DaS Abendessen war zu Ende; die Mama wurde aufs N>ue bestürmt.
„Ist kaum der Mühe werth, daß ich erpreß noch einmal anfange," meinte sie, „ich habe blutwenig zu sagen. Ich war eine Waise und aß das, Gnadenbrot» einer Tante, lei der mich mein Mann kennen lernte, der Stunden im Hause gab. Als er einen Dienst halte und mich fragte, ob ich Frau Schulmeisterin werden wolle, brauchte ich keine drei Minuten Bedenkzeit. Die Frau Tante war aber nicht damit zufrieden, und obwohl sie eS nicht hindern könnt-', so hat sie sich doch sihr ungnädig gezeigt und nicht einmal tie Hochzeit bei sich gehalten: „es hätte sie sonst so angegriffen!'" So feierten wir in unserer neuen Hcimach eine gar stille, bescheidene Hochzeit. Einen königlichen Hochzeiter haben wir aber gehabt: „die Liebe ist stark w''e der Tod. Ihre Gluth ist feurig und eine Flamme des Herrn, daß auch v"e!e Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, . noch Ströme sie ersäufen. Wenn einer alles Gut in seinem Hanse um die Liebe geben wollte, so gälte es alles nichts."
Auf unserer Hochzeitstafel, an der noch eine Freundin und der Herr Pfarrer saß, stand kein Champagner, aber ein guter Apfelmost, den mein Mann ans unserem eigenen Baumgut gezogen. Als wir anstoßen wollten, waren nur drei Gläser auf dem -Tisch, ich stand ans und wollte noch rinS holen, wußte aber nur nicht wo, da wir keinS mehr hatten;'da hielt mich mein Mann bei der Hand: „Laß gehen, lieber Schatz, wir zwei trinken aus Einem. Wenn wir zum Erstenmal Streit haben, dann soll jedes sein eigenes nehmen.""
So stand denn von da an Ein GlaS auf unserem Tische, Tag für Tag, auch als uns der liebe Gott so weit gesegnet hatte, daß wir uns an Ehrentagen ein Gläschen guten Wein verstauen dursten. So oft einem ein unfreundliches Wo.t über die Lippe wollte, so sah es das andere an und fragte: Brauchen wir heut zwei Gläser?" und kann schämte sich's und war still.
Und wenn wir Kindtaufe feierten, oder meines lieben Bruders Heimkehr ans fernen Landen, oder sonst ein Freu« denkest, und die Andern klingelten die Gläser zusammen, da sagte mein Alter: „Wir können nicht anstoßen, gelt Weib?" und bot mir das Glas: und ich trank, und er trank, und wir sahen uns in die Augen; da war'ö mir jedesmal, als ob wir heut wieder Hochzeit hätten.
-) 4»h-lied, s, 6. 7.
So haben wir vierzig Jahre lang in Lieb und Frieden mit einander aus einem Glas getrunken, Most und klares Wasser, guten Wein und auch manch bitlern Leidenstrank, immer auS Einem Glas.
lind als mein seliger Mann auf seinem Sterbebette lag und fast nimmer sprechen konnte, netzte ich noch seine heißen Lippen mit einem kühlen Trunk. Da bot er mir das Glas, sah mich noch einmal an und sagte leiS: „Es ist eins geblieben." — „Und eins sell'ö bleiben in alle Ewigkeit, " wollt ich sagen, aber sprechen konnte ich nimmer; da falteten wir die Hände ineinander, bis die seinen kalt waren. Der Abschied hat mir so wohl gethan, daß mir seitdem nichts aus der Welt zu schwer geworden ist."
Die Mama schwieg und aller Augen waren feucht und Alle sagten sich herzlich, ohne viele Worte, gute Nacht. « »
Der Regen war vorüber und der allerschknste, sonnenhelle Morgen ging auf nach jenem Abend. In durchleuchtendem weichem Sammtgrnn lag die Wiese, und die Wald- bänme glänzten, wie mit Diamanten besetzt.
Nur wenige Badgäste waren auf, die Mama aber stand schon auf der Terasse, und sah mit ihren klaren Augen in die neue Herrlichkeit hinaus. Sie dachte wohl eines noch herrlicheren Morgens nach langem trüben Tagen.
Im Hof war der Knecht bescha'tigt, die Badkalesche hcrzurichten. „So früh auf, Johann?" fragte die freundliche Mama. „Muß entspannen,"" erwicderle er, „eine Madam geht heut früh schon heim." Und nach einer Viertelstunde, sah sie die Frau Lenz reisefertig hcraustrctcn. „Meine weiteren Effekten lasse ich abholen,"" sagte sie dem begleitenden, etwas verblüffen Badwirlh.
Die Mama verstand wohl, warum sie so früh in der Stille gehen wollte. Harte und scheue Gemüther verschließen sich noch fester als zuvor, nach einer unwillkürlichen Vertraulichkeit. Leise gieng sie herunter und legtej ibre Hand auf den Arm der Scheibenden: Gott geleite Sie, liebe Frau, sprach sie herzlich. Erstaunt blickte diese auf, ihr bleiches Gesicht trug Spuren schlafloser Stunden und schwerer innerer Kämpfe.
„O, wünschen Sie mir Glück auf den Weg!"" bat sie. „Gehen Sie mit Gott, liebe Frau," wiederholte sie, „es wird Sie nicht gereuen?" Und die Mama blickte dem Wagen nach mit gefalteten Händen, so lange sie ihn sah, dann ging sie Hellen Blicks zurück in ihr Kämmerlein.
R ä t h s e l.
Die erste Silbe macht der Schneider, Die letzten macht der alte Wein.
Gar Mancher Pflegt daS Ganze leider Sich selbst zum Schaden oft zu sein.
Auslösung des R'thselö in Nr. 54:
Ehe.