lakoff mit. War der Wachtdienst vorüber, so mußte der Soldat an die Schanzarbeit und von da auS nach Bala- klava, um Munition herbeizuschaffen; aber alle Arbeiten wurden gut bezahlt. Doch alles Geld ging die Gurgel hinab, denn Niemand sorgte für den andern Tag, in den Kaffeebuden wurde das Geld vertrunken und verspielt. Am 2. Sept. 1855 wurde Kälberer wieder eingcschifft, um nach Konstantinopel ins Spital gebracht zu werden, weil er am Scorbut darniederlag. Am 23. Sept. desertirte er, noch nicht vollständig genesen, aus dem Spital in Konstantinopel mit zwei Kameraden aus Baiecn. Ohne Sprach- und OrtS- kenntm'ß irrten die Unglücklichen umher und dreimal kamen sie wieder an den BoSphorus, bis endlich Kälberer seine zwei Genossen verließ, um sich nach dem Laufe der Sonne und des Mondes zu orientiren. Ec vermied alle Dörfer und Städte, nur die Gastfreundschaft der Hirten und Koh­lenbrenner fristete ihm nothdürstig daS Leben. Unter freiem Himmel und auf dem Boden zu kampircn, hatte er in den Laufgräben Sebastopols gelernt. Bei Philippopel wurde er von den Saphis eingefangen und in die Stadt gebracht, wo er acht Tage gefangen saß und als Fahnenflüchtiger den Franzosen sollte ausgeliefert werden; doch er entkam und überstieg den Balkan. Noch viermal wurde er von der türkischen Polizei eingebracht. Einmal befreite ihn sein Taschenmesser, daS er dem türkischen Häscher als Bestehung gab, aus der Haft. Auf der serbischen Gränze angelangt, wurde er von den Panduren aufgegriffen und nach Belgrad tranöportirt, wo ec am 18. Dez. ankam. DaS östceichi- sche Konsulat nahm sich deS WürttembergerS an, der in eitler Brauerei Beschäftigung fand. Der verlorene Sohn schrieb unter dem 20. Dezember an feine Mutter in Schlier­bach; diese erhielt Mitte Januar d. I. den Brief und er­bat sich vom K. Oberamte Göppingen einen Paß für ihren Sohn. Am 9. Februar wurde vom K. Oberamte der Paß ausgefertigt und von der Mutter der Post übergeben. Am 28. Februar wurde der Paß in Belgrad visirt und in der vorigen Woche ist Johannes Kälberer wohlbehalten in der Uniform der französischen Ftdindenkgion zum Ergötzen der gaffenden Jugend in Schlierbach angekommcn. Der Er- legionär hat Zeit, hinter dem Webstuhle seine Thorheiten zu bereuen und den Spruch sich hinters Ohr zu schreiben: Bleibe im Lande und nähre dich redlich!" (St.A.)

Ulm, 28. April. Letzten Samstag brachte eine Kuh -eS Gütisbaucen Wiitlinger eine Mißgbnrt von Kalbe! zur Welt, welche einen Hundskopf, ähnlich dem eines sog. Bulldogs, ein Himettheil dem eines Affen und Füße ähn­lich dem eines Schweines hat. (U. Z.)

* Nagold, 1- Mai. Zu den vielen in gegenwär­tiger Zeit vorkommenden Selbstmorden können auch wir einen Fall aus unserer Nähe anreihen, indem vor einigen Tagen die Frau eines Bürgers in Wildberg in einem Anfall von Irrsinn sich durch einen Schnitt in den Hals mit einem Rasirmesser den Tod gab.

Tages-Nenigkeiten.

In der Nacht vom 25. auf den 26. April wurde das von Donaueschingen eine Stunde entfernte Wolterdingen durch eine Feuersbrunst schwer heimgesucht. 19 Häuser,

auS welchen wenig gerettet werden konnte, wurden einge­äschert und dadurch wenigstens ebensoviele Haushaltungen obdachlos. Leider ist auch eine Frau ein Raub der Mam­men geworden und ein Mann so beschädiget, daß an seinem Aufkommen gezweiselt wird.

Dresden, 26. April. DaSDresdner Journal" ergänzt den angeblichen Tert deS FriedenSoertragS mit den Artikeln 5 bis 8. Compromittiete Unlerthanen werden am- nestirt. Die Pfoete wird in daS europäische Concert aus­genommen, die Unabhängigkeit und territoriale Integrität deS oSmannischen Reiches gewährleistet. Bei Zwistigkeiten zwischen der Pforte und einer der vertragsschließenden hte schreiten die andern vermittelnd ein. Zusatzartikel: Die Schließung der Meerengen hat auf Truppen hineinfnhrcnde Schiffe keine Anwendung. (T. D. d. A. Z.1

In der Nacht vom 16. auf den 17. April stürzte in Crefelv in einer Straße hinter der neuen katholische« Kirche das Hintergebäude von drei Etagen, welches von 27 Personen bewohnt war, wie ein Kartenhaus zusammen. Von neun der unteren Etage blieben zwei todt, und sieben sind derartig gegnet cht und verstümmelt, daß an ein Auf­kommen nicht zu denken ist. AuS der mittleren und oberen Etage sind ebenfalls 7 Personen schwer beschädigt. Nur 6 Bewohner der ober» Etage sind mit leichten Verletzungen davon gekommen.

Berlin, 28. Avril, lieber Königsberg wird auS Petersburg gemeldet: Ein Dekret zur Reichswehrcnt- lassung verfügte Auflösung von 387 Druschinen, 6 Kvsaken- regimentcrn und den dicßjährigen konskribirte» Tataren und Reitern deS Gouvernements Kasan, zusammen 350,000 Mann deS ersten und zweiten Reichswehr-Aufgebots.

(T. D. d. A. Z 1

Die Friedens- und Jubel g locken, die vor einem halben Jahre auch in Oestceich das Fest des 300jäh- rigen Religionsfriedens zwischen den Christen evangelischen und katholischen Bekenntnisses einläutcten, haben einen mäch­tigen Sprung bekommen. Wenn nur die Glocken! ES ist aber zu fürchten, daß der Riß von den Thürmen und Glocken tiefer gehen und durch die Kirchen und Familien des großen Reiches und über dessen Grenzen hinaus lau­fen und trennen wird, was der christliche Glaube verbun­den hat oder verbinden sollte. Ohne Einvernehmen mit der Staatsbehörde hat das erzbischöfliche Ordina­riat in Wien folgenden Erlaß ausgehen lassen:Die Pfarrer sollen darauf sehen, daß wo möglich abgesonderte protestantische Leichen Höfe errichtet werden. Wo dieß nicht sein kam», sollen in den katholischen Friedhöfen be­sondere ungeweihte Räume für dasBegräbniß von Personen deS evangelischen CultuS auögeschieden und mit einer Mauer oder doch mit einer Hecke umfriedet wer­den. Wo es protestantische Bethäuser nicht gibt, werden Protestanten künftig ohne Leichen »vagen, Bahr­tuch und Glockengeläute bestattet werden." Da- mit läutet die bischöfliche Conferenz in Wien daS Concor- dat, zu deutsch daS Eintrachtswerk ein. Minister Frei­herr von Bruck und Feldzeugmeister v. Wimpffen erbaten sich Audienz bei dem Kaiser und machten ihn» Vorstellungen. ES verlautet nichts Näheres darüber. Die erzbischöfliche