len abgelegten Proben feines Muthes und seiner Kennt­nisse bald zum Offizier deS Corps, und die Zuneigung seines Oberen ging in Freundschaft über. Sie wurden sich bald einander unentbehrlich. Auch als der Rittmeister zu seinem nachmaligen höheren Posten erhoben und anders­wohin versetzt wurde, ward es ihm gewährt, Wilhelm mit sich zu nehmen.

» *

Von allen diesen Vorgängen wußte der brave Tisch­lermeister nichts. Die Briefe, welche Wilhelm nach Hause geschrieben hatte, waren bei dem unordentlichen Postlaufe nicht angekommen, und nur was das Gerücht ihm zu­brachte, regte dann und wann, neben banger Furcht, die Hoffnung in ihm an, den geliebten Sohn wieder in seine Arme zu schließen. Diese Hoffnung sollte bald in Erfül- lung gehen. Die kriegführenden Mächte schlossen den heiß ersehnten Frieden. Der General nahm Urlaub; sein Herz drängte ihn nach dem Hcimaths--Orte der geliebten Toch­ter hin. Wilhelm war sein Begleiter, aber noch wußte er nicht, daß sein edler Gönner mit dem väterlichen Hause in so naher und inniger Verbindung stand.

Es war nun wieder an einem stillen Abende, an welchem der Meister die Werkstätte geschlossen, und im Kreise seiner kleiner gewordenen Familie, denn einige der Kinder hatten nun auch schon ihr eigenes Hauswesen be­gründet, seine einfachen, aber verständigen und belehrenden Unterredungen führt'. Ec saß in teni alten Sorgenstuhle, der ein altes Erbstück der Familie war, und an welchem viele gute und böse Tage vorübergegangen waren. Er hatte eben ein merkwürdiges Beispiel von dem Walten der göttlichen Vorsehung ans dem Leben eines Fecundcs er­zählt, und an das Wort des Herrn erinnert:Sorget nicht für den andern Morgen." Da klopfte es an die zu­gemachten Fensterladen, und eS wurde um Einlaß gebeten. Der Meister öffnete die Thür, und herein traten zwei statt­liche Männer, in ihre Neitermäntel gehüllt. Verlegen trat der Meister zurück, aber eine geheime Ahnung durch- schauerte seine Seele, ob er eS gleich nicht wagte, sie laut werden zu lassen. Einen Augenblick standen sie sich einan­der gegenüber, aber schon hatte der General das liebliche Bild der Tochter gcschanet. Eine Thräne der Wehmuth stoß aus seinem ernsten Auge, aber auch die Freude dnrchbcbte sein liebpudes Vatecherz^

Erinnert Ihr Euch noch," so redete der General den Meister an,erinnert Ihr Euch noch jenes Abends, wo Euch ein Unbekannter ein kleines hülstoseS Kind zur Pflege und Erziehung übergab?" Der Meister wollte eben eine Antwort herstammeln, denn er glaubte sich schon die geliehte Jpsephine entrissen, als der Unbekannte fort­fuhr, indem er einen gerührten und dankovllen Blick auf die Tochter warf:Ich sehe. Ihr habt Wort gehalten. Ich bin der damalige Unbekannte, der General * * *, und Joflpbiue ist meine Tochter." Dcr Meister konnte sich von seinem Staunen nicht erholen, und sein treues Weib blickte scheu nach dein hohen Mann- hin. Aber Jo- scphine lag schon in des Vaters Armen, und die Sehn­sucht nach reut Geliebten, welche durch die in der letzteren.

Zeit ihr gewordene Mittheilung von ihrer Abkunft gestei­gert worden war, war gestillt.

Wilhelm stand in stummer Rührung bei dieser schö­nen Scene des Wiederfindens; sah er doch selbst die Ge­liebten seines Herzens, nach so langer Trennung von ih­nen, froh und gesund wieder.

Und hier," so sprach dcr General weiter, indem er Wilhelm bei der Hand faßte und zu seinen Eltern führte, hier habe ich Euch noch einen alten lieben Bekannten mit­gebracht, dem Ihr ja wohl auch eine freundliche Herberge gewähren werdet." Die redlichen Eltern hatten es nicht geahnet, daß ihnen ein so großes Glück so nahe bevor- stänve. Wie hätten sie auch wähnen können, daß in dem stattlichen jungen Manne, dessen Brust mit einem Orden geschmückt war, ihr Wilhelm vor ihnen stünde, der als ein armer Jüngling in die Reihen dcr Kämpfer für das Vaterland getreten war. Aber wie ein Blitz durchzuckte es die Seele der Mutter, und der wiedergekehrte Sohn lag in ihren Armen.

Diesem Hause war große Freude wiederfahren. Der General konnte nicht satt werden in dem Anschauen seiner lieblichen Tochter, und die braven Ellern dankten Gott für den wiedergeschenkien Sohn. Nickt ohne Freude be­merkte der General das Aufkeimen liebender Gefüble zwi­schen Wilhelm und Joscphine. Ec gönnte und wünschte ihr den braven jungen Mann. Wenige Monden darauf ward die Verlobung gefeiert, und am Geburtstage der Heimge­gangenen Josephine wurde das glückliche Paar durch Prie­stershand eingesegnet.

Dcr General ordnete die Angelegenheiten seiner Toch­ter in Bezug auf die väterliche Erbschaft, und als sie daS zwanzigste Jahr erreicht hatte, empfing sie den vollen Be­sitz eines großen Vermögens. Da der Friede mit seinen gsldnen Segnungen Länder und Völker beglückte, so lebte der General abwechselnd bei seinen Kindern / deren aufblü- hendeö Glück ihn erfreute, und in der Hauptstadt. Der brave Tischlermeister war nicht zu vermögen, seine kleine Wohnung zu verlassen; sie war ihm unter Freud und Leid des vergangenen Lebens lieb geworden, und den Segen der Gottesfurcht halt? er in derselben reichlich empfangen. Erst als seine treue Lebensgefährtin das Zeitliche gesegnet hatte, ließ er sich bewegen, den alten trauten Hcerd seiner Heimath zu verlassen, und seine Tage'bei seinen Kindern zu beschließen. Der ehrwürdige Greis fand bei ihnen liebe­volle Ausnahme und Pflege. Er erreichte das hohe Alter von 83 Jahren, und sechs Enkel spielten um seine Kniee. Der General begrub ihn mit Gefühlen des aufrichtigsten Dankes, und sein Andenken blieb bei Allen im Segen.

Rath sei.

Ich bin ein Sattel, wo kein Reiter drauf sitzt;

Ich bin eine Krücke, die dem Lahmen nichts nützt; Ich bin ein Fenster, kein Haus ist daz»^

So scharf ich bin, keine Spitze siehst du.